Histone bei AML: Erste Studienphase verläuft vielversprechend

Am Universitätsklinikum Homburg/Saar werden seit April 2004 weltweit die ersten Leukämiepatienten mit Histon H1, einem neuartigen Krebswirkstoff, behandelt. Bisher haben sieben ältere Patienten den Wirkstoff im Rahmen einer Phase-I/II-Studie erhalten, zwei davon erreichten eine Remission. Die Behandlung wird insgesamt gut vertragen.

Histone sind eine Gruppe körpereigener Eiweißstoffe (Proteine), die lange Zeit lediglich als Bausteine des Zellkerns galten. Dort ist auf ihnen – wie auf einer Garnspule – das langgestreckte Erbmolekül DNA aufgewickelt. Eine Arbeitsgruppe um Professor Michael Zeppezauer des Instituts für Biochemie der Universität des Saarlandes stellte bereits 1985 seine Erkenntnisse vor, dass Histone ein sehr wichtiger Teil der körpereigenen Immunabwehr sind. Das Histon H1 erkennt Tumorzellen aufgrund spezieller Oberflächenstrukturen. Mehrere Moleküle lagern sich zu einem Tunnelkomplex zusammen, der die Zellmembran durchlöchert und die so attackierten Zellen absterben lässt. Der Eiweißstoff tötet selektiv Krebszellen ab und wird deshalb als erster Vertreter einen neuen Wirkstoffklasse eingeordnet – die "onkolytischen Proteine". Gesunde Körperzellen werden anscheinend von ihnen nicht attackiert.

Seit seiner Emeritierung leitet Professor Zeppezauer als geschäftsführender Gesellschafter die SymbioTec GmbH in Saarbrücken, Forschungsleiter ist Professor Reiner Claß. Dem Team der Symbiotec ist innerhalb von drei Jahren gelungen, das neuartige onkolytische Protein biotechnisch zu erzeugen und der Klinik zugänglich zu machen.

Die erste klinische Studie leiten Professor Michael Pfreundschuh und Professor Christoph Renner von der Medizinischen Klinik I in Homburg/Saar. Es wird überprüft, wie der menschliche Körper auf das Histon H1 reagiert. Dabei wird von einer Patientengruppe zur nächsten die Dosis langsam gesteigert (Dosiseskalation). Behandelt werden in dieser Phase nur Patienten mit einer so genannten akuten myeloischen Leukämie (AML), bei denen die herkömmlichen Therapien nicht angeschlagen haben oder für die eine Chemotherapie zu belastend ist. Die Homburger Mediziner sehen bisher die Erwartungen an den neuen Wirkstoff voll erfüllt: "Es ist zwar noch zu früh, um etwas über die genaue Wirksamkeit der Histone zu sagen", so Professor Renner. "Aber immerhin haben wir schon bei der jetzt untersuchten untersten Dosierungsstufe keinen weiteren Anstieg der Leukämiezellen beobachten können." In zwei Fällen sei die Anzahl der Krebszellen sogar gesunken - bei diesen Patienten haben herkömmliche Behandlungen nicht angeschlagen.

Die Nebenwirkungen des onkolytischen Proteins waren wurden im Vergleich zu einer Chemotherapie als milde beschrieben. "Nachdem wir die Infusionszeit von einer auf drei Stunden heraufgesetzt hatten, sind bei den letzten drei Patienten keine Nebenwirkungen mehr aufgetreten", so Professor Renner. Die vorher behandelten Patienten hätten zum Teil über Fieber und Übelkeit geklagt. Das seien jedoch typische Reaktionen des Körpers auf therapeutisch eingesetzte Proteine.

Pfreundschuh und Renner rechnen damit, daß in spätestens einem Jahr die Dosisfindungsstudie abgeschlossen sein wird. Dann sollen auch die Daten über die optimale Behandlungsdauer feststehen sowie weiterführende klinische Studien mit höheren Patientenzahlen beginnen. Insgesamt können in die aktuelle Studie 54 Patienten aufgenommen werden, so dass aktuell noch freie Kapazitäten existieren. Die Behandlung umfasst neun Infusionen (jeweils drei pro Woche), die auch ambulant verabreicht werden können. Die Homburger Klinik ist auf die Behandlung von Leukämien und Lymphomen nach modernsten Methoden spezialisiert. Derzeit betreuen die Ärzte fast 1.000 Patienten im Rahmen von Therapiestudien. Professor Renner ist überzeugt: "Studien bieten für viele Krebspatienten die derzeit besten Behandlungsmöglichkeiten". Denn hier würden sie regelmäßig von erfahrenen Ärzten untersucht und von speziell geschulten Schwestern betreut. Ihnen stünde jederzeit ein Ansprechpartner zur Verfügung. Und Patienten, bei denen etablierte Therapieverfahren versagt haben, erhielten so Zugang zu den neuesten Wirkstoffen aus den Forschungslabors.

Die engmaschige Überwachung in der Klinik gewährleistet ein Höchstmaß an Sicherheit. Der neue Wirkstoff wird unter maximalen medizinischen Qualitäts-Standards (so genannten GMP-Bedingungen) von dem biopharmazeutischen Partnerunternehmen Eurogentec S.A. in Seraing, Belgien, hergestellt. Das gesamte Studien-Management (Monitoring, Datenmanagement, Statistik, Nebenwirkungserfassung) obliegt der Oncology Services Europe S.A.R.L., einer auf Onkologie spezialisierten unabhängigen Contract Research Organisation aus München/Martinsried, die auch die Kommunikation mit den staatlichen Aufsichtsbehörden koordiniert.

Quellen: