- Published on 28.07.2010, 13:01
- Von Jan Geissler
Eine im Juli 2006 erschienene Studie in der medizinischen Fachzeitschrift "Nature Medicine" berichtete von 10 CML-Patienten, bei denen das Medikament
Glivec (
Imatinib) zu Herzversagen führte. Anschließende Veröffentlichungen in der Publikumspresse führen nun zur starker Verunsicherung bei Patienten und Angehörigen, obwohl die Daten nicht aussagekräftig genug waren. CML-Forscher weltweit widmeten sich daraufhin intensiv der Untersuchung dieser Nebenwirkungen. Ein Bericht vom MD Anderson im Fachmagazin bestätigt nun, dass Herzversagen nur sehr selten auftritt.
Bereits am 19. Oktober 2006 hat Novartis gemeinsam mit der amerikanischen Gesundheitsbehörde
FDA ein Schreiben an Ärzte verschickt, das im Nachgang an den Nature Medicine Artikel die bisher bekannten klinischen Daten der
IRIS-Studie erneut zusammenfasste. Die wichtigsten Aussagen in diesem Schreiben waren:
"Während Nebenwirkungen am Herzen selten auftreten, wurde von schwerwiegenden Herzinsuffizienz und Herzrhythmusstörungen gelegentlich berichtet. Wir glauben daher, dass alle Patienten mit bekannten Herzerkrankungen oder einem Risiko für Herzinfarkt sorgfältig beobachtet werden sollten, und jeder Patient mit
Symptomen, auf die Herzversagen folgen kann, sollten untersucht und behandelt werden. (...) Die meisten Patienten, bei denen über Herzversagen berichtet wurde, hatten Zweiterkrankungen oder Risikofaktoren, darunter fortgeschrittenes Alter und Vorerkrankungen am Herzen. In einer Internationalen Studie mit 1106 Patienten (der
IRIS-Studie) wurde schwerwiegende Herzinsuffizienz oder Herzrhytmusstörungen bei 0,7% der Gleevec-Patienten beobachtet, verglichen mit 0,9% der Patienten unter
Interferon-AraC-Kombination."
Eine kürzlich erschienene Studie der Doktoren Ehab Atallah, Jean-Bernard Durand, Hagop M Kantarjian und Jorge Cortes vom MD Anderson Krebszentrum in Houston, Texas, untersuchte nochmals alle in der Studie berichteten schwerwiegenden Nebenwirkungen. Unter dem Titel "Herzversagen ist ein seltenes Ereignis bei Patienten unter
Imatinib-Therapie" geben sie folgende Ergebnisse wieder:
"Unter den 1276 in die Studie aufgenommenen Patienten zeigten 22 (1,8%)
Symptome, die als systolische Herzerkrankung angesehen werden könnten. Das Durchschnittsalter war 70 Jahre (von 49 bis 83 Jahre), die durchschnittliche Therapiedauer mit
Imatinib 162 Tage. Zum Zeitpunkt des Berichts der
Symptome wurden acht Fälle (0,6%) als möglicherweise oder wahrscheinlich durch
Imatinib bedingt angesehen. 18 Patienten hatten eine Vorbelastung mit Herzerkrankungen gezeigt: Herzinsuffizienz (CHF, 6 Patienten, 27%), Zuckerkrankheit (Diabetes Mellitus, 6 Patienten, 27%), Bluthochdruck (10 Patienten, 45%), Koronare Gefäßerkrankung (CAD, 8 Patienten, 36%), Herzrhythmusstörungen (3 Patienten, 14%) und Herzmuskelerkrankung (Kardiomyopathie, 1 Patient, 5%). 11 der 22 Patienten fuhren mit der
Imatinib-Therapie unter Dosisanpassung und Behandlung der Herzerkrankung ohne weitere Komplikationen fort.
Imatinib-Therapie als kausaler Faktor von Herzerkrankungen ist selten und wird hauptsächlich bei älteren Patienten mit Vorerkrankungen des Herzens beobachtet. Patienten mit kardialen Vorerkrankungen sollten sorgfältig beobachtet und bei Auftreten von Herzversagen aggressiv mit üblicher Medikation wie beispielsweise
Diuretika behandelt werden."
Quellen:
Diskussion im Forum:
Weitere Informationen:
Nebenwirkung
Unerwünschte Begleiteffekte einer Therapie, besonders bei Chemotherapien begrenzen Nebenwirkungen die maximal verträgliche Dosis.
Risikofaktor
Umstand, der eine besondere Gesundheitsgefährdung begründet
IRIS-Studie
Phase-III, in der Imatinib mit Interferon+AraC verglichen wurde, und die zur Marktzulassung von Imatinib führte. Viele der 1106 Patienten werden bis heute weiter in der Studie betreut, wodurch Langzeit-Sicherheitsdaten gesammelt werden. IRIS steht für International Randomized trial of Interferon/Ara-C versus STI571.
Interferon
Im Zusammenhang mit Leukämien üblicherweise Interferon-Alpha gemeint. Interferon (von engl. to interfere eingreifen, sich einmischen) ist ein Protein, das eine immunstimulierende und Tumorzellen angreifende Wirkung entfaltet. Es wird als körpereigenes Gewebshormon gebildet, v.a. von Leukozyten, Monozyten und Fibroblasten, kann aber auch als Medikament in körperunüblich hohen Dosen gegen Leukämien eingesetzt werden.
Diuretika
Harntreibende, den Harnfluss (Diurese) fördernde Wirkstoffe, v.a. zur Förderung der Ausschwemmung extrazellulärer Flüssigkeit bei Ödemen (Wassereinlagerungen).
Imatinib
Imatinib, Handelsname Glivec/Gleevec, Laborname STI-571, ein BCR-ABL-Tyrosinkinasehemmer der ersten Generation. Zugelassen seit Jahr 2002 für die Behandlung der CML und Ph-positiven ALL.
Symptom
Krankheitszeichen (griechisch Zufall, Begebenheit, Begleiterscheinung)
Glivec
Imatinib wird unter dem Handelsnahmen Glivec (Hersteller Novartis) vertrieben.
Gen
Informationseinheit des Erbgutes, enthält meist den Bauplan für ein Protein. Die Gene liegen im Zellkern in Form von DNS vor.
RNA
Die Ribonukleinsäure (RNA) ist der kleine Bruder der DNA . Sie ist ein einzelsträngiges kettenförmiges Molekül, das aus DNA umgeschriebene Erbinformation eines einzigen Genes enthält, und im Plasma der Zellen in das Genprodukt (= Eiweißmolekül, Protein) umgeschrieben wird (Biosynthese).
ASH
Amerikanische Gesellschaft für Hämatologie (engl. American Society of Hematology). Oftmals wird ASH als Synonym für den jedes Jahr im Dezember stattfindenden Jahreskongress der Gesellschaft verwendet.
CHR
Komplette hämatologische Remission (complete haematologic response).
FDA
Amerikanische Arzneimittelzulassungsbehörde (Food and Drug Administration)
Symptom
Krankheitszeichen (griechisch Zufall, Begebenheit, Begleiterscheinung)
Symptom
Krankheitszeichen (griechisch Zufall, Begebenheit, Begleiterscheinung)