Experimentelle nicht ATP-kompetitive Therapien für CML

Die bis heute gesammelte klinische Erfahrung lässt vermuten, dass die “klassischen” Tyrosinkinase-Hemmer wie Imatinib, Dasatinib oder Nilotinib nicht zu einer Heilung der CML führen können. Verschiedene Substanzen wie z.B. GNF-2, DCC-2036, ONO12380, PR1-Vakzine, Ribozyme, Antisense-Oligonukleotide, Peptid-Nukleinsäuren, CMLVAX100, HSP70PC, WT1, GVAX, LBH589, 17AAG, MTOR-Inhibitoren, BMS213662, Sorafenib, PD98059, NSC23766, KU0058684, KU0058948 befinden sich daher im Moment in verschiedenen Phasen der Erprobung bei CML. Viele davon sind zum Teil noch weit entfernt davon, in der klinischen Praxis erprobt zu werden, zeigen jedoch, wie intensiv die Forschung an der Überwindung der CML arbeitet.

CML ist eine durch das Fusionsprotein BCR-ABL angetriebene Krankheit. Die mittlerweile zur Standard-Therapie gewordene Behandlung mit dem Tyrosinkinasehemmer (TKI) Imatinib war ein echter Durchbruch in der Krebsbehandlung. Trotz oft herausragender Ergebnisse in der Behandlung treten bei einem Teil der Patienten Probleme wie mangelhaftes Ansprechen auf die Therapie oder durch Mutationen verursachte Resistenz des BCR-ABL-Proteins gegen Imatinib und seine Nachfolger auf. Ein weiterer Nachteil dieser Therapie ist, dass mit diesen Medikamenten zwar eine in vielen Fällen zuverlässige Unterdrückung der CML möglich, aber keine Heilung erreichbar ist. 

Die bisher als Tyrosinkinasehemmer zugelassenen Medikamente wirken alle durch Blockierung der Andockstelle des ATP im BCR-ABL. Bei bestimmten Mutationen (z.B. T315I, hier wirkt keiner der bisher zugelassenen TKI) des BCR-ABL ist diese Blockade nicht mehr möglich, weil das Medikament nicht mehr in die Andockstelle hineinpasst.

Ein erstes Beispiel ist die Substanz GNF-2, die im Gegensatz zu den bisher üblichen TKI nicht mit ATP um den Bindungsplatz konkurriert, sondern BCR-ABL durch Bindung an einer anderen Stelle in seiner inaktiven Konformation stabilisiert. Deshalb wird die Wirksamkeit von GNF-2 nicht von Mutationen in der Kinasedomäne beeinträchtigt. Mutationen an anderer Stelle können aber auch Resistenzen gegen dieses Medikament verursachen.

Auch DCC-2036, ein bisher nur in vorklinischen Studien erprobter Wirkstoff, greift nicht an der Kinasedomäne an, sondern hemmt den Konformationswechsel der BCR-ABL-Kinase. DCC-2036 ist auch gegen T315I-mutiertes BCR-ABL aktiv, aber gegen Mutationen an anderer Stelle des Moleküls empfindlich. Die bisher untersuchten Eigenschaften legen klinische Tests dieses Wirkstoffes nahe.

ONO12380 wirkt durch die Blockierung der Substratbindung von BCR-ABL1 anstelle der Blockade der ATP-Bindung. Deshalb ist die Verbindung unempfindlich gegen Mutationen der ABL-Tyrosinkinasedomäne. Im Tierversuch war diese Substanz auch gegen T315I-mutiertes BCR-ABL aktiv.

Ein weiterer Ansatz ist, die Expression des BCR-ABL zu verhindern. Das kann durch Antisense-RNA, RNA-Interferenz mit siRNA, Ribozyme, Antisense-Oligonukleotide oder Peptid-Nukleinsäuren geschehen. Abgesehen von zum Teil grundlegenden technischen Problemen ist allen diesen Ansätzen gemeinsam, dass sie noch nicht klinisch erprobt wurden.

Als vielversprechende Ansätze werden Immunstrategien gegen CML betrachtet. Bei einigen mit Interferon α behandelten Patienten wurde auch nach Abbruch der Therapie eine dauerhafte hämatologische und zytogenetische Remission festgestellt. Nach Stammzelltransplantationen können rückfällige Patienten effektiv durch die Gabe von Spenderlymphozyten behandelt werden.

Mit Impfstoffen konnten bereits Immunreaktionen gegen Tumorantigene ausgelöst werden. Ein derartiges Antigen ist PRO3, dass bei CML in akzelerierter oder Blastenphase überexprimiert wird. Von PRO3 abgeleitet ist der Impfstoff PR1, der in einer Phase1-Studie positive Wirkung gezeigt hat. Weitere Studien befassen sich mit der Möglichkeit, mit PR1 minimale Resterkrankungen auszulöschen. Weitere Impfstoffe wie CMLVAX100, HSP70PC, WT1 und GVAX zeigen zum Teil vielversprechende Ergebnisse. 

Da auch hier bei Impfstoffen, die sich nur gegen ein einzelnes Epitop richten, Resistenzrisiken bestehen, wird auch über die gleichzeitige Gabe mehrerer Impfstoffe nachgedacht.

Ein weiteres Ziel neuer Therapien sind der BCR-ABL-Kinase-nachgelagerte Signalwege. 17-AAG (KOS953), ein Ansamycin-Anibiotikum, kann in Verbindung mit dem Histon-Deacetylase-Hemmer LBH589 auch bei Vorliegen der T315I oder E225K – Mutationen eine proteosomale Zersetzung der BCR-ABL-Kinase auslösen, dabei werden auch c-RAF und AKT heruntergeregelt. Wegen der möglichen Nebenwirkungen von KOS953 werden wegen seiner in einer Phase1-Studie guten Ergebnisse und der 3-5fachen Wirksamkeit grosse Hoffnungen auf KOS1022 (ein Geldanamycin-Derivat) gesetzt.

Rapamycin, ein Immunsuppressivum, blockiert mTOR im BCR-ABL nachgelagerten Signalweg PI3K/AKT/mTOR, dabei wird mTOR gebunden und dadurch der hemmende Effekt von Imatinib auf BCR-ABL-transformierte Zellen verstärkt. MTOR-Inhibitoren wie RAD001 oder CCI779 befinden sich derzeit in klinischen Tests.

Die Kombination von Farnesyltransferaseinhibitoren (FKI) wie Tipifarnib oder Lornafarnib mit Imatinib zeigte in Phase1-Studien gute Wirkungen auch bei Patienten mit resistenter CML incl. T315I-mutierten BCR-ABL. Weitere ähnliche Wirkstoffe sind Sorafenib (in einer Phase2-Studie) und BMS213662, das in Verbindung mit Dasatinib auch schlafende Zellen zerstören kann.

Der MEK/MAPK-Signalweg lässt sich mit PD98059 oder Kombinationen aus PD184352 bzw. U0126 mit Imatinib unterbrechen und dadurch Apoptose in Imatinib-resistenten BCR-ABL-positiven Zellen auslösen. 

RAC-GTPasen, die in Zellen von CML-Patienten hyperaktiviert vorliegen, ließen sich im Tierversuch mit NSC23766 erfolgreich hemmen.

Die Kombination aus dem Histon-Deacetylase-Inhibitor Panbiostat mit dem TKI Nilotinib zeigte Synergien in der Wirkung gegen BCR-ABL-positive Zellen. Panbiostat ist Gegenstand laufender klinischer Studien. Auch andere HDAC-Inhibitoren wie Depsipepsid (FK228) zeigten apototische Wirkung gegen BCR-ABL-positive Zellen. 

Die Serin/Threoninkinase PP2A wirkt als Tumorsuppressor. Das durch BCR-ABL hochgeregelte Phosphoprotein SET wiederum hemmt PP2A, weshalb die Herunterregelung von SET durch “Silencing” mit siRNA zu einer reduzierten Expression von BCR-ABL führt. Die Aktivierung von PP2A mit Forskoli oder FTY720, das sich in Phase1 und Phase2-Studien als oral verfügbarer sicherer Immunsuppressor gezeigt hat, ist eine weitere im Tierversuch erprobte mögliche Therapie gegen Leukäme, wirksam auch bei Imatinib und Dasatinib-resistenten Zellen (T315I-positiv).

Versuche mit Leptomycin B führten zu Auslösung des Zelltodes bei BCR-ABL-positiven Zellen. Wegen seiner erheblichen Toxizität müssen neue analog wirkende Substanzen entwickelt und in Verbindung mit Bosu-, Nilo- und Dasatinib getestet werden.

CML-Zellen fehlt ein Teil der zelleigenen Reparaturmechanismen, weshalb sie anfällig für genetische Läsionen sind. Hemmung der DNA-Reparaturenzyme PARP1 und PARP2 mit Inhibitoren wie KU0058684 und KU0058948 könnte deshalb eine nützliche Strategie gegen CML darstellen.

Die bis heute gesammelte klinische Erfahrung lässt vermuten, dass die “klassischen” TKI wie Imatinib, Dasatinib oder Nilotinib nicht zu einer Heilung der CML führen können. Die hier vorgestellten Therapieoptionen sind zum Teil noch weit entfernt davon, in die Praxis umgesetzt zu werden. Die bisher vorliegenden Ergebnisse rechtfertigen deren weitere Untersuchung und mögliche klinische Studien.

Quelle: "Experimental non-ATP-competitive therapies for chronic myelogenous leukemia". A Quintas-Cardama, Department of Leukemia, The University of Texas MD Anderson Cancer Center, Houston, TX, USA. Leukemia (2008), 1–9. 

Übersetzung in Auszügen von Niko, ohne Garantie auf Richtigkeit und Vollständigkeit.