Erhöhtes Risiko für Zweitkrebs bei HL aufgrund Nebenwirkungen der Therapie

Bei auffällig vielen Hodgkin-Patienten wird Jahrzehnte nach einer erfolgreichen Hodgkin-Therapie ein anderer Zweitkrebs diagnostiziert. Eine Meta-Analyse im Kompetenznetz Maligne Lymphome kommt zu dem Ergebnis, dass eine alleinige Strahlentherapie gegenüber einer kombinierten Strahlen- und Chemotherapie für Patienten mit Hodgkin-Lymphom langfristig ein erhöhtes Risiko für die spätere Erkrankung an einer anderen Krebsart darstellen kann. 

"Diesen Befund, dass eine an sich schonendere Therapie das Risiko für einen Zweitkrebs in die Höhe treibt, erklären wir uns anhand unserer Daten damit, dass die nur strahlentherapeutisch behandelten Patienten eher einen Rückfall der Erkrankung erleiden. Diese muss dann mit einer sehr aggressiven Chemotherapie angegangen werden, die wiederum später den Zweitkrebs verursacht", so Jeremy Franklin, der die Meta-Analyse für die Cochrane Haematological Malignancies Group geleitet hat.

In den letzten Jahrzehnten sind die Heilungschancen für Patienten mit einem Hodgkin-Lymphom dank intensiverer Therapie gestiegen, wodurch die Patienten heute mit einer durchschnittlich längeren Überlebenserwartung rechnen dürfen. Allerdings wird bei auffällig vielen Patienten Jahrzehnte nach erfolgreicher Hodgkin-Therapie ein Zweitkrebs (Sekundärneoplasie) diagnostiziert. Das ist kein wiederkehrendes Hodgkin-Lymphom, sondern eine andere Erkrankung, beispielsweise Lungenkrebs, Darmkrebs oder Leukämie. Bei Hodgkin-Patienten ist die Wahrscheinlichkeit des Auftretens eines solchen Zweitkrebses höher im Vergleich zur Gesamtbevölkerung.

Eine mögliche Erklärung ist, dass Hodgkin-Patienten generell eher zu Krebserkrankungen neigen als andere Menschen oder dass das erhöhte Risiko als Nebenwirkung auf die intensive Therapie zurückzuführen ist, die für die Heilung notwendig war. Es ist erwiesen, dass sowohl Radiotherapie als auch die Einnahme zelltoxischer Chemikalien (wie in der Chemotherapie) die Entstehung von Krebs verursachen kann. Außerdem sind mehrere Untersuchungen zu dem Ergebnis gekommen, dass es deutliche Unterschiede in der Häufigkeit des Zweitkrebses je nach erfolgter Hodgkin-Therapie gibt. Für die Zweitleukämie ist
beispielsweise eindeutig die Chemotherapie verantwortlich, allerdings unterscheidet sich das Risiko stark je nach Zusammensetzung der Chemotherapeutika. Bei den weit häufigeren 'soliden' Tumoren wie zum Beispiel Lungenkrebs scheinen sowohl Bestrahlung als auch Chemotherapie eine Rolle zu spielen. Unklar ist jedoch bisher, wie sich das Gesamtrisiko einer Sekundärneoplasie am besten verringern lässt. 

Die Meta-Analyse fand heraus, dass Patienten, die lediglich bestrahlt wurden, häufiger an einem Zweitkrebs erkrankten als Patienten, die zusätzlich chemotherapeutisch behandelt wurden. Diese Tatsache hört sich zunächst nach einem Widerspruch an, lässt sich aber möglicherweise erklären, wenn man nicht nur die Primärtherapie der Patienten, sondern auch eventuell erlittene Rückfälle der Erkrankung betrachtet: Der Rückfall eines Hodgkin-Lymphoms erfordert eine zweite so genannte Salvagetherapie, die meist noch intensiver als die Primärtherapie ist und daher ebenfalls Sekundärplasien auslösen kann. Ein Rückfall ist nach einer ausschließlichen Radiotherapie viel wahrscheinlicher als nach einer kombinierten Radio-Chemotherapie. Patienten, die zunächst nur bestrahlt wurden, erhalten in vielen Fällen eine zweite, intensivere Therapie, die wiederum die Wahrscheinlichkeit für einen Zweitkrebs erhöht. Daher bekommen also die Patienten, die anfangs nur bestrahlt worden sind, in vielen Fällen später noch eine zweite, intensivere Therapie, welche die Zweitkrebs-Rate in die Höhe treibt. Trotz einiger eindeutiger Erkenntnisse zeigt die Untersuchung allerdings, dass auch nach systematischer Zusammenfassung vieler Studien die Datenlage nicht ausreicht, um eindeutige Therapieempfehlungen ableiten zu können: "Zu Beginn der früheren von uns erfassten Studien war das Problem der Sekundärneoplasien noch gar nicht bekannt, so dass eine systematische und vollständige Erfassung nicht eingeplant wurde. Deshalb muss unsere Analyse durch weitere Nachbeobachtungen und den Einschluss neuer Studien aktualisiert werden", betonte Franklin.

Im Jahre 2000 wurde in Köln im Rahmen des Kompetenznetzes Maligne Lymphome und der Cochrane Collaboration beschlossen, das Risiko von Zweitneoplasien nach Hodgkin-Lymphom für verschiedene Therapieformen systematisch zu untersuchen. "Da wir nicht bereit waren, Jahrzehnte zu warten, um die Spätfolgen beobachten zu können, griffen wir für die Analyse auf bereits erhobene Daten von in den letzten Jahrzehnten behandelten Patienten zurück", erklärte Franklin. Um ohne Verzerrung vergleichen zu können wurden nur randomisiert kontrollierte Studien (RCT = randomised controlled trial) in die Untersuchung eingeschlossen, in denen unterschiedliche Therapieformen miteinander verglichen werden. "Zunächst suchten wir systematisch durch die medizinische Literatur, um möglichst alle in Frage kommenden Studien zu finden. Für die Endauswertung konnten wir nach eingehender Prüfung die Daten von einem Großteil der Studien mit den Methoden der Meta-Analyse auswerten", so Franklin. Insgesamt wurden über 9.300 Patienten mit über 700 Zweitkrebs-Fällen aus 38 Studien eingeschlossen.

QuelleN:
PTE-Meldung vom 21.09.2004
iwd-Meldung vom 20.09.2004

Weiterführende Links:
Webseite des Kompetenznetzes Maligne Lymphome
Webseite der Cochrane Haematological Malignancies Group