- Published on 18.08.2018, 06:22
- Von Jan Geissler
Imatinib ist ein zielgerichteter Tyrosinkinase-Hemmer, der als Erstlinientherapie bei der chronischen myeloischen Leukämie, aber auch bei anderen Blutkrebserkrankungen mit einem speziellen Merkmal, dem sogenannten Philadelphia-Chromosom, eingesetzt wird. Die Behandlung mit Imatinib führt recht häufig zu einer Hypopigmentierung: also helleren Flecken aufgrund mangelnder Bildung des Hautfarbstoffs Melanin. Der gegenteilige Effekt, die sogenannte Hyperpigmentierung, ist dagegen eher selten. Hierbei kommt es zu dunkleren Hautstellen aufgrund eines Überschusses an Melanin. Onkologe Dr. Mandel von der Universität Modena in Italien und Kollegen ermittelten nun, wie häufig Patienten von dieser ungewöhnlichen Nebenwirkung betroffen sind, und ob Betroffene sich deswegen sorgen müssen.
Eher ungewöhnlich, aber möglich: dunkle Hautflecken mit Imatinib
Sie untersuchten dazu einen Patienten, bei dem die Behandlung mit Imatinib zur Therapie einer chronisch myeloischen Leukämie seit 2002 durchgeführt wurde, aber eine Hyperpigmentierung der Mundschleimhaut, der Haut und der Fingernägel ausgelöst hatte. Zudem durchsuchten die Wissenschaftler die Forschungsliteratur zur Hyperpigmentierung infolge von Imatinib-Behandlungen und analysierten einen weiteren Fall. Von der genaueren Analyse ausgeschlossen wurden allerdings alle die Fälle, bei denen die dunkleren Hautstellen eventuell aufgrund einer Entzündung aufgetreten sein könnten. Dies wurde dann vermutet, wenn auch Rötungen, Hautreizungen oder Juckreiz im selben Körperbereich auftraten.
Vergleich von Patientenberichten und Fallstudien
Die Krebsforscher fanden 30 gut dokumentierte Fälle von Hyperpigmentierung, die in Bezug zu einer Imatinib-Behandlung standen. Bei dem Patienten, der direkt in der Behandlung der Forscher war, wurde die Therapie mit Imatinib seit mehreren Jahren gut vertragen. Dieser Patient zeigte damit exzellente Blutwerte und Ergebnisse auf der zellulären Ebene. Allerdings entwickelte der Patient nach und nach eine blau-graue Verfärbung an Nase, Fingernägeln, Zehennägeln, am Schienbein, in der Achselregion und am Gaumen. Es gab keine alternative Erklärung für diese Verfärbung und auch die Untersuchung von Gewebsproben bestätigte, dass die Flecken durch Imatinib verursacht sein müssten.
Beruhigend: Hautverfärbungen sind kein Grund für den Therapieabbruch
Demnach kann eine solche Verfärbung von Hautstellen durch die Behandlung mit Imatinib ausgelöst werden. Dieses Phänomen ist selten in der Literatur zu finden und seine Ursachen sind nicht komplett geklärt. Weitere Studien dazu wären also angebracht, gerade auch da die Behandlung typischerweise zu blasseren Hautstellen führt, also häufiger den gegenteiligen Effekt zur Folge hat. Die Verfärbungen müssen nicht behandelt werden, sie sind, wie die detaillierte Untersuchung des einen Patienten und der weiteren Fallberichte, höchstens kosmetisch problematisch. Beruhigend für Patienten zu wissen: die Behandlung mit Imatinib ist auch dann erfolgreich, wenn solche Verfärbungen auftreten. Sie stellen keinen Grund für einen Therapieabbruch dar.
Quelle: Deutsches Gesundheitsportal, 18.8.2018
Originalquelle: Di Tullio F, Mandel VD, Scotti R, Padalino C, Pellacani G. Imatinib-induced diffuse hyperpigmentation of the oral mucosa, the skin, and the nails in a patient affected by chronic myeloid leukemia: Report of a case and review of the literature. International Journal of Dermatology.
Philadelphia-Chromosom
Charakteristisches Merkmal der chronisch myeloischen Leukämie. Die Chromosomenmutation entsteht durch Transfer des Hauptteils des langen Arms von Chromosom 9 nach Chromosom 22 (= Translokation).
Hyperpigmentierung
Übermäßig starke Einlagerung von Farbpigmenten (Melanin) in der Haut, die zur Braunfärbung von Stellen der Haut führt. Betroffen sein können Teile der Haut oder die gesamte Hautfläche.
Erstlinientherapie
Erstlinientherapie ist die erste Therapie, die nach der Diagnosestellung bei einem Patienten eingeleitet wird. Wenn diese nicht anschlägt oder nicht vertragen wird, folgt die Zweitlinientherapie
Hypopigmentierung
Zu geringe Pigmentierung der Haut
Tyrosinkinase
Enzym, das das Wachstum von Leukämiezellen anregt und therapeutisch durch Tyrosinkinase-Hemmer (Tyrosinkinase-Inhibitoren) gehemmt werden kann.
Nebenwirkung
Unerwünschte Begleiteffekte einer Therapie, besonders bei Chemotherapien begrenzen Nebenwirkungen die maximal verträgliche Dosis.
chronisch
langanhaltend, sich langsam entwickelnd
myeloisch
das Knochenmark betreffend. Im engeren Sinne die Bildung von bestimmten weißen Blutzellen, den Granulozyten, im Knochenmark betreffend
Imatinib
Imatinib, Handelsname Glivec/Gleevec, Laborname STI-571, ein BCR-ABL-Tyrosinkinasehemmer der ersten Generation. Zugelassen seit Jahr 2002 für die Behandlung der CML und Ph-positiven ALL.
Onko
Bestandteil der Begriffe Onkologie (Wissenschaft und Lehre von den Krebserkrankungen)
oral
Den Mund betreffend, am Mund gelegen, durch den Mund
Port
Zuführendes System, meist eine unter die Haut eingepflanzte Kunststoffkammer mit Venenkatheter, um eine kontinuierliche Medikamentengabe zu ermöglichen.
Gen
Informationseinheit des Erbgutes, enthält meist den Bauplan für ein Protein. Die Gene liegen im Zellkern in Form von DNS vor.
RNA
Die Ribonukleinsäure (RNA) ist der kleine Bruder der DNA . Sie ist ein einzelsträngiges kettenförmiges Molekül, das aus DNA umgeschriebene Erbinformation eines einzigen Genes enthält, und im Plasma der Zellen in das Genprodukt (= Eiweißmolekül, Protein) umgeschrieben wird (Biosynthese).
CHR
Komplette hämatologische Remission (complete haematologic response).
ELN
Das Europäische Leukämie Netz ist eine von der EU finanzierte Organisation bestehend aus Medizinern, Wissenschaftlern und Patienten aus dem Leukämie-Bereich, das zum Ziel hat, die Behandlung von Leukämie-Erkrankungen zu verbessern, Wissen zu generieren und dieses Wissen in Europa zu verbreiten.
Chromosomen
Träger des Erbguts im Zellkern. Sie enthalten die riesigen Kettenmoleküle der DNA kompakt verdrillt und gefaltet als Aggregate mit speziellen Proteinen. Die Chromosomen dienen unter anderem bei der Zellteilung der gleichen Verteilung des Erbguts auf die Tochterzellen. Die normalen menschlichen Körperzellen haben 46 Chromosomen. Bei Krebszellen kann die Zahl und/oder Struktur der Chromosomen verändert sein.
chronisch
langanhaltend, sich langsam entwickelnd
myeloisch
das Knochenmark betreffend. Im engeren Sinne die Bildung von bestimmten weißen Blutzellen, den Granulozyten, im Knochenmark betreffend
myeloisch
das Knochenmark betreffend. Im engeren Sinne die Bildung von bestimmten weißen Blutzellen, den Granulozyten, im Knochenmark betreffend
Onko
Bestandteil der Begriffe Onkologie (Wissenschaft und Lehre von den Krebserkrankungen)
TKI
Tyrosinkinaseinhibitor / Tyrosinkinasehemmer sind neuartige Medikamenten-Wirkstoffe, die bisher vor allem bei Tumorerkrankungen zum Einsatz kommen. Tyrosinkinasen spielen eine Schlüsselrolle bei der Entstehung von Tumorerkrankungen, da sie daueraktiviert zu einer ungebremsten Zellteilung und damit zu einem unkontrollierten Tumorwachstum führen. Die neuartigen Hemmstoffe blockieren diesen Mechanismus.