Der Anfang vom Ende der CLL: Neue Strategien zur Behandlung in Erstlinie

Die Behandlung der CLL erfährt zur Zeit einen grundlegenden Wandel. Mehrere neue Medikamente wurden zur Behandlung der CLL zugelassen (Fludarabin, Bendamustin und die monoklonalen Antikörper Alemtuzumab, Rituximab und Ofatumumab); ausserdem befinden sich viele zusätzliche Medikamente in fortgeschrittenen Stadien der klinischen Entwicklung und damit auf dem Weg zur Zulassung zur Behandlung der CLL. Die extreme Unterschiedlichkeit des klinischen Verlaufs und die verbesserten Fähigkeiten zur Prognose der CLL durch die Nutzung klinischer, biologischer und genetischer Parameter erlauben mittlerweile die Unterscheidung von Patienten mit einem sehr milden Einsetzen und Verlauf der CLL von solchen mit mässiger Prognose oder sehr aggressiven Verlauf mit einer Hochrisiko-Leukämie. Deshalb wird die Herausforderung immer grösser, die richtige Behandlungsstrategie für den jeweiligen Zustand auszuwählen. Ein aktueller Fachartikel im "Weiterbildungs-Buch" der Jahrestagung der Amerikanischen Gesellschaft für Hämatologie (ASH), verfasst vom CLL-Experten Prof. Michael Hallek (Universitätsklinik Köln), fasst die derzeit verfügbaren diagnostischen und therapeutischen Werkzeuge zusammen und gibt Empfehlungen zur Behandlung der CLL im Jahre 2013 ab. Der Artikel schlägt auch eine Strategie zur Integration der neuen Medikamente in die sequentiellen Behandlungsansätze der näheren Zukunft vor.

Übersetzung aus dem Englischen durch NL, ohne Gewähr auf Richtigkeit und Vollständigkeit.

Überblick

Mit einem altersangepassten Auftreten von 4.3 auf 100'000 Einwohner in den USA ist die CLL die häufigste Art der Leukämie in den westlichen Ländern. Schätzungen belaufen sich auf mehr als 15'000 neu diagnostizierte Fälle und ca. 4'500 Todesfälle. Das mittlere Alter zum Zeitpunkt der Diagnose liegt zwischen 67 und 72 Jahren, und es sind mehr männliche als weibliche Patienten von dieser Erkrankung betroffen.

Die CLL ist durch die klonale Proliferation und Akkumulation reifer, typischerweise CD5-positiver B-Zellen im Blut charakterisiert. Die leukämische Transformation wird durch spezifische Veränderungen des Genoms ausgelöst, insbesondere durch Deletionen am langen Arm des Chromosom 13 [del(13q14)]. Einige dieser Aberrationen verursachen die Deletion spezifischer micro-RNA-Gene und verstärken die Resistenz der B-Zellen gegenüber der Apoptose. Zusätzliche Aberrationen des langen Arms von Chromosom 11 [del(11q)], des kurzen Arms von Chromosom 17 [del(17p)] und Trisomie 12 scheinen später im Verlauf der Erkrankung aufzutreten und deuten auf einen schlechteren Verlauf hin. Zusätzlich hat die Sequenzierung des gesamten Genoms somatische Genmutationen aufgedeckt, die in den CLL-Zellen parallel zu den oben genannten auftreten. Dabei scheinen die Mutationen betreffend der Gene NOTCH1, MYD88, TP53, ATM und SF3B1 häufiger zu sein und einen Einfluss auf die Prognose zu haben.

Es ist zunehmend klar geworden, dass das Überleben der CLL-Zellen kein Zell-autonomer, genetisch programmierter Prozess ist. Stattdessen hängt das Überleben der CLL-Zellen strikt von einer permissiven Mikroumgebung ab, zusammengesetzt aus zellulären Komponenten wie Makrophagen, T-Zellen oder stromalen follikulären dendritischen Zellen, die essentielle Proteine (Chemokine, Cytokine und angiogenetische Faktoren) zur Aktivierung des entscheidenden Überlebens und proliferative Signalwege der transformierten Zellen zur Verfügung stellen. Zusätzlich treibt die Stimulation von BCR die Aktivierung verschiedener Tyrosinkinasen, wie Bruton Tyrosin Kinase (BTK), Spleen Tyrosin Kinase (Syk), ZAP70, Kinasen der Src-Familie (insbesondere die Lyn-Kinase) und Phosphatidyl Inositol 3-Kinase (PI3K), die das maligne Überleben der B-Zelle über die Aktivierung von Transkriptionsfaktoren wie NF-kB aktivieren. Die Bedeutung des BCR-Signales wird durch die Tatsache betont, dass verschiedene BCR-Eigenschaften als prognostischer Marker der CLL erkannt wurden, wie z.B. der Grad der Mutationen beim Immunglobulin Heavy Chain Variable Gen (IGHV) oder IGHV-Stereotype. Diese Signalwege haben erst kürzlich an Bedeutung gewonnen, weil sie sich durch spezifische kleine Moleküle, die eine klinische Wirkung bei lymphatischen Krebsarten zeigen, hemmen lassen. Kürzlich sind exzellente Fachartikel erschienen, die eine Zusammenfassung dieser BCR-Signalwege und der entsprechenden therapeutischen Hemmern liefern. Im Gegensatz dazu beabsichtigt dieser Review, ein Update der aktuellen „State of the Art“-CLL-Therapie zu liefern und Strategien vorzuschlagen, wie diese neuartigen Hemmer in die CLL-Behandlung der Zukunft zu integrieren sind.

Therapiestandard mit den bereits zugelassenen Medikamenten

Zytostatika

Die Monotherapie mit Alkylierungsmitteln war die initiale Erstlinientherapie für CLL, mit Chlorambucil (CLB) als Goldstandard der CLL-Behandlung während mehrerer Dekaden. Selbst heute bleibt dieses Medikament eine angemessene Option für gebrechliche ältere oder kränkliche Patienten. Die Vorteile von Chlorambucil sind seine mässige Giftigkeit, geringe Kosten und die Bequemlichkeit eines oral verfügbaren Medikamentes. Die wesentlichen Nachteile sind seine niedrigen bis nicht existenten Raten vollständigen Ansprechens (CR) und einige nach längerer Einnahme auftretende Nebenwirkungen ( z.B. verlängerte Zytopenien, Myelodysplasien und sekundäre akute Leukämien). Neuere Ergebnisse weisen darauf hin, dass die Chlorambucil-Monotherapie weniger häufig verwendet werde könnte, weil die Kombination mit Anti-CD20-Antikörpern sich als wirksamer erwiesen hat (siehe unten).

Zur Behandlung der CLL werden zurzeit die drei Purinanaloga Fludarabin, Pentostatin und Cladribin (2-CdA) eingesetzt. Fludarabin ist die in der Behandlung der CLL die bei weitem bestuntersuchte Verbindung dieser drei. Fludarabin hat zu mehr Remissionen und CR (7% - 40%) als andere konventionelle Chemotherapien wie CHOP (Cyclophosphamid, Doxorubicin, Vincristin, Prednison), CAP (Cyclophosphamid, Doxorubicin, Prednison) oder Chlorambucil geführt, konnte aber als Einzeltherapie die Lebenserwartung (overall survival, OS) nicht verbessern. Auf gleiche Weise konnte für die Cladribin-Monotherapie ein höherer Anteil von kompletten Remissionen als für Chlorambucil mit Prednison gezeigt werden (47% vs. 12%), aber ohne einen Überlebensvorteil zu ergeben. In letzter Zeit wurde Bendamustin mit Chlorambucil in einer randomisierten Studie verglichen. Bendamustin erzeugt besseres Ansprechen, aber auch mehr Nebenwirkungen und keinen Vorteil bei der Lebenserwartung. Die Gesamtansprechrate und das mittlere progressionsfreie Überleben betrug 67% und 22 Monate für Bendamustin und 30% bzw. 8 Monate für Chlorambucil (beide P<0.0001).

Antikörper

Rituximab als Monotherapie ist bei CLL weniger wirksam als bei follikulären Lymphomen, es sei denn, es werden sehr hohe Dosen gegeben. Im Gegensatz dazu haben sich Kombinationen aus Rituximab mit Chemotherapien als sehr wirksam gegen CLL erwiesen (siehe unten). Einige neuere CD20-Antikörper stellen Rituximab in Frage.

Ofatumumab ist ein vollständig humaner Antikörper, der auf ein besonderes Epitop des CD20-Moleküls und im Vergleich mit Rituximab verlängerter Dissoziationsrate, erhöhter Zelltötung wegen erhöhter Komplement-abhängiger Zytotoxizität und ähnlicher antikörperabhängiger zellulärer Zytotoxizität, besonders bei Zellen mit niedriger CD20-Expression. Ofatumumab hat einige Wirksamkeit bei Patienten, die gegenüber Fludarabin und Alemtuzumab resistent waren, oder die an „bulky disease“ leiden (solide Tumormasse >5cm), gezeigt. Die Gesamtansprechrate betrug 58% bei der gegenüber Fludarabin und Alemtuzumab resistenten Gruppe und 47% bei der Gruppe mit „bulky disease“. Trotz allem gab es keine formell vergleichende Studie von Rituximab gegenüber Ofatumumab. Deshalb bleibt der Wert von Ofatumumab für die Behandlung von B-Zell-Lymphomen und der CLL unklar.

Alemtuzumab ist ein rekombinanter, menschlicher monoklonaler Antikörper gegen das CD52-Antigen. Die Monotherapie mit Alemtuzumab ergab bei mit Alkylierungsmitteln vorbehandelten Patienten, die einen Rückfall oder Resistenz bei der Behandlung mit Fludarabin erfuhren, Ansprechraten von 33% bis 53% mit einer mittleren Ansprechdauer von 8.7 bis 15.4 Monaten. Zusätzlich hat sich Alemtuzumab als wirksam für Patienten mit genetischen Hochrisiko-Markern wie Deletionen auf dem Chromosom 11 oder 17 [del(11q) und del(17p)] und TP53-Mutationen erwiesen. Deshalb ist Alemtuzumab eine vernünftige therapeutische Option für Patienten mit diesen schlechten Prognosefaktoren. In einer prospektiven randomisierten Studie wurde Alemtuzumab mit Chlorambucil verglichen. Die Behandlung mit Alemtuzumab führte zu einer höheren Gesamtansprechrate und zu mehr vollständigen Remissionen (p< 0.0001) und überlegenem progressionsfreiem Überleben mit einem um 42% verringerten Progressions- oder Sterberisiko und signifikant verlängerter mittlerer Zeit bis zur Progression (Time to Progression, TTP, P=0.0001). Deshalb bleibt dieses Medikament eine wertvolle Behandlungsoption für Hochrisikopatienten. Unglücklicherweise wurde das Medikament vom Markt genommen, bleibt aber in einigen Ländern auf „Compassionate Use“-Basis verfügbar.

Kombinations-Chemotherapie

 

Ein wesentlicher Fortschritt der CLL-Behandlung wurde durch die kombinierte Verwendung verschiedener Behandlungsweisen erreicht. Weil Purinanaloga und Alkylierungsmittel unterschiedliche Wirkungsmechanismen und partiell nicht überlappende Nebenwirkungsprofile aufweisen, wurden sie sowohl in präklinischen und klinischen Studien kombiniert. Die am gründlichsten untersuchte Kombinations-Chemotherapie für CLL ist Fludarabin mit Cyclophosphamid (FC), entweder oral oder als intravenöse Infusion gegeben. In nicht-vergleichenden Studien erschienen die Gesamtansprechraten nicht besser als mit Fludarabin alleine, aber die Zugabe von Cyclophosphamid schien die Rate vollständigen Ansprechens um bis zu 50% zu verbessern. Drei randomisierte Studien haben gezeigt, dass die FC-Kombination die Anteile vollständiger Remissionen, die Gesamtansprechrate und progressionsfreies Überleben im Vergleich zu Fludarabin-Monotherapie verbessern. Der Anteil schwerer Infektionen wurde durch die FC-Kombination trotz häufigerer Neutropenien nicht signifikant erhöht. Eine aktualisierte Analyse der CLL4-Studie der deutschen CLL-Studiengruppe (GCLLSG) deutete an dass die Erstlinientherapie von CLL-Patienten mit FC das Gesamtüberleben der Patienten ohne Hochrisiko-Faktoren verbessern könnte [alle Patienten ohne del(17p) oder TP53-Mutation].

Die Polnische Adult Leukemia Group (PALG) verglich 2-CDA Monotherapie mit 2-CDA in Kombination mit Cyclophosphamid (CC) oder Cyclophosphamid und Mitoxantron (CMC) an 479 Patienten mit unbehandelter progressiver CLL. Überraschenderweise ergab die CC-Kombinationstherapie keine Vorteile bezüglich progressionsfreiem Überleben oder Ansprechraten im Vergleich zur 2-CDA Monotherapie.

Chemoimmuntherapie

Kombinationen mit Rituximab. Phase 2 Studien deuteten an, dass die Kombination von Rituximab mit Fludarabin oder auf Fludarabin basierenden Therapien signifikante Verbesserungen aller Parameter wie vollständiger Remissionen, progressionsfreien Überlebens und Lebenserwartung (Review siehe Hallek und Pflug). Die mit 300 Patienten mit unbehandelter CLL grösste dieser Studien hat gezeigt, dass Rituximab mit Fludarabin/Cyclophosphamid (FCR) ein Gesamtansprechen von 95% und vollständiger Remission bei 72%b erreichte. Das 6-jährige Gesamtüberleben und „failure free survival“ war bei 77% und 51%, die mittlere Zeit bis zur Progression betrug 80 Monate.

Diese Ergebnisse bewogen die GCLLSG dazu, eine randomisierte Studie aufzulegen, das CLL8-Protokoll, an 817 Patienten, mittleres Alter 61 Jahre und guter körperlicher Fitness, die 6 Zyklen FC (n=409) oder FCR (n=408) erhielten. Die FCR-Therapie wurde häufiger mit Neutropenien des Grades 3 und 4 (gemäss Common Terminology Criteria, CTC) verbunden (FCR 34%, FC 21%), ohne formelle Anforderungen, unterstützend Wachstumsfaktoren zu verwenden. Andere Nebenwirkungen des Grades 3 oder 4 einschliesslich Infektionen waren nicht häufiger. FCR erzeugte eine höhere Gesamtansprechrate als FC (92.8% vs. 85.4%) und häufigeres vollständiges Ansprechen (44.5% vs. 22.9%, P<0.001). Am bedeutendsten war, dass in dieser Studie erstmalig gezeigt wurde, dass die Auswahl der Erstlinientherapie einen Einfluss auf die Lebenserwartung der CLL-Patienten hat. In einer aktualisierten Analyse nach einem mittleren Beobachtungszeitraum von 5.9 Jahren waren 38% der Patienten der FCR-Gruppe frei von Progressionen, im Vergleich zu 27.4% in der FC-Gruppe (Hazard Ratio [HR] = 0.6; 95% Konfidenzintervall [95% CI], 0.5-0.7, P<0.0001). Zum selben Zeitpunkt waren 69.4% der Patienten der FCR-Gruppe gegenüber 62.3% derjenigen der FC-Gruppe am Leben (HR=0.7, 95% CI, 0.5-0.9), P=0.001. Das mittlere Gesamtüberleben der FCR-Gruppe war noch nicht erreicht, während das mittlere Gesamtüberleben der FC-Gruppe 86 Monate betrug (95% CI, 78.7-93.2 Monate, P=0.001). FCR bewirkte keine Verbesserung des Überlebens von Patienten mit del(17p). Ähnliche Ergebnisse ergaben sich aus dem Vergleich von FCR mit FC bei CLL-Rückfällen in einer Studie, die keinen Vorteil für das Gesamtüberleben zeigen konnte.

Weil die CLL oft bei älteren Patienten mit relevanten Begleiterkrankungen auftritt, wurde ein dosisreduziertes FCR-“Lite“-Verfahren entwickelt, um die Wirksamkeit erhalten zu können, dabei aber die Toxizität des FCR-Verfahrens zu reduzieren.

Bei dieser dosisreduzierten Behandlung wurde die Dosis des Fludarabin und des Cyclophosphamides reduziert und die Rituximab-Dosis erhöht sowie eine Erhaltungstherapie mit Rituximab alle drei Monate bis zur Progression gegeben. Die Rate vollständigen Ansprechens betrug 77% für 50 vorher unbehandelte Patienten mit einer Gesamtüberlebensrate von 100%. Neutropenien des Grades 3 und 4 wurden nur bei 13% der Zyklen dokumentiert, was niedriger als der bei der normalen FCR-Therapie beobachtete Wert ist.

Einem ähnlichen Konzept folgend, wurde das CLL11-Protokoll der GCLLSG angelegt, um die Chemoimmuntherapie mit CD20-Antikörpern mit einer milderen chemotherapeutischen Komponente, Chlorambucil, und bisher unbehandelten CLL-Patienten mit Begleiterkrankungen zu untersuchen. Die Überlegungen basierten auf den ermutigenden Ergebnissen der Phase 2-Studien mit einer Kombination aus Chlorambucil und Rituximab (RCLB). Die CLL11-Studie verglich Chlorambucil-Monotherapie gegen einen neuen Antikörper Obinutuzumab (GA101m siehe unten) plus Chlorambucil (GCLB) gegenüber Rituximab (R) plus Chlorambucil (RCLB). Die Studie schloss bisher unbehandelte Patienten mit einem Cumulative Illness Rating Scale (CIRS) Wert von >6 und/oder einer geschätzten Kreatinin-Clearance <10mL/min ein. Die Behandlung bestand aus Chlorambucil-Monotherapie (0.5mg/kg oral an Tag 1 und 15 während 28 Tagen und 6 Zyklen), GCLB (100mg IV am Tag 1, 900mg am Tag 2, 1000mg an den Tagen 8 und 15 des ersten Zyklus, 1000mg am Tag 1 der Zyklen 2-6) oder RCLB (375 mg/m2 IV am Tag 1 des ersten Zyklus, 500mg/m2 am Tag 1 der Zyklen 2-6). Der Altersmedian der Patienten war 73 Jahre, der mittlere CIRS-Wert 8. Bis jetzt erlauben die Ergebnisse die Schlussfolgerung, dass die Chemoimmuntherapie mit einem der beiden CD20-Antikörper die Gesamtansprechrate verbessert, den Patienten ein vollständiges Ansprechen erlaubt (22% vs. 8% vs. 0%; GCLB vs. RCLB vs. CLB) und anscheinend das progressionsfreie Überleben von 11 Monaten bei CLB auf 16 Monate bei RCLB bzw. 23 Monate bei GCLB verlängert. Die wichtigsten ausgeprägten Nebenwirkungen waren mit der Infusion zusammenhängende Reaktionen des Grades 3-4 bei der ersten Infusion mit GCLB. Zusammengefasst ist die Immunchemotherapie auch für CLL-Patienten mit Begleiterkrankungen ein potentes Behandlungskonzept.

Weitere Variationen zur weiteren Verbesserung des FCR-Protokolls wurden untersucht: Alemtuzumab (A) wurde zu FCR (CFAR) zugefügt, in einer Phase 2 Studie und 60 Hochrisiko-Patienten <70 Jahren mit Serum beta2 Mikroglobulin >= 4mg/L. Eine vollständige Remission wurde bei 70% erreicht, partielle Remissionen bei 18% und eine partielle Remission der Knoten bei 3%, mit einer Gesamtansprechrate von 92%. Von den 14 Patienten mit 17p-Deletion erreichten 8 (57%) eine vollständige Remission. Neutropenien des Grades 3 und 4 und Thrombozytopenien traten mit 33% und 13% auf. Das mittlere progressionsfreie Überleben betrug 38 Monate, das mittlere Gesamtüberleben wurde nicht erreicht. Deshalb könnte CFAR hilfreich für Fälle von Hochrisiko-CLL sein, bei denen eine wirksame Zellreduktion im Vorfeld einer allogenen Stammzelltransplantation erwünscht ist. In einer anderen Studie an 72 unbehandelten CLL-Patienten <= 70 Jahren wurden 6 mg/ m2 Mitoxantron am Tag 1 jedes Zyklus mit FCR kombiniert. Die Gesamtansprechrate, „minimal residual disease (MRD) -negative“ (frei von minimaler Resterkrankung) vollständige Remission, MRD-positive komplette Remission und Teilremissionsraten betrugen 93%, 46%, 36% und 11%. Ernste Neutropenien entwickelten sich bei 13% der Patienten. Diese Ergebnisse rechtfertigen keinen breiten Einsatz dieses Therapieschemas ausserhalb klinischer Studien.

Eine alternative Idee war der Ersatz von Fludarabin im FCR-Therapieschema mit Pentostatin (PCR), um die Myelotoxizität zu reduzieren. In einer randomisierten Phase 3-Studie, die FCR mit PCR an unbehandelten oder nur minimal vorbehandelten CLL-Patienten verglich, gab es keine statistischen Unterschiede beim Gesamtüberleben oder in den Ansprechraten. Darüber hinaus zeigte diese Studie für PCR keine niedrigere Infektionsrate.

Auch Bendamustin wurde an 81 Patienten mit CLL-Rückfällen mit Rituximab kombiniert (BR). Die Patienten erhielten 70mg/m2 Bendamustin am Tag1 und 2 und 375mg/m2 Rituximab am Tag 0 des ersten Zyklus und 500mg/m2 am Tag 1 der folgenden Zyklen, die für 28 Tage bis zu 6 Zyklen verabreicht wurden. Auf Basis einer „intent to treat“-Analyse war die Gesamtansprechrate 59% (CI, 47.3%-70%). Vollständige Remission, partielle Remission und partielle Remissionen der Knoten wurde in 9%, 47.4% und 2.6% der Patienten erreicht. Die Gesamtansprechrate betrug für Fludarabinresistente Patienten 45.5% und 60.5% bei auf Fludarabin ansprechenden Patienten. In den genetischen Subgruppen sprachen 92.3% der Patienten mit del(11q), 100% mit Trisomie 12, 7.1% mit (del17p) und 58.7% mit unmutiertem IGHV-Status auf die Behandlung an. Nach einer mittleren Beobachtungszeit von 24 Monaten war das mittlere ereignisfreie Überleben 14.7 Monate. Schwere Infektionen traten bei 12.8% der Patienten auf. Neutropenien, Thrombozytopenien und Anämien des Grades 3 oder 4 wurden bei jeweils 23.1%, 28.2% und 16.6% der Patienten dokumentiert.

Die Behandlung mit BR wurde auch als Erstlinientherapie bei 117 Patienten untersucht (Alter 34-78 Jahre). Bendamustin wurde mit einer Dosis von 90 70mg/m2 an Tag 1 und Tag 2 kombiniert mit 375mg/m2 Rituximab am Tag 0 des ersten Zyklus und 500 mg am Tag eins der folgenden Zyklen über bis zu 6 Zyklen gegeben. Die Gesamtansprechrate war 88.0% (95% CI, 80.7%-100.0%) mit einem Anteil vollständiger Remissionen von 23.1% und einem Anteil partiellen Ansprechens von 64.9%. Neunzig Prozent der Patienten mit del(11q), 94.7% derjenigen mit Trisomie 12 und 89.4% der Patienten mit unmutiertem IGHV-Status sprachen auf die Behandlung an. Nach einer mittleren Beobachtungsdauer von 27.0 Monaten betrug das mediane ereignisfreie Überleben („Event Free Survival“) 33.9 Monate, und 90.5% der Patienten waren am Leben. Schwere Infektionen oder Infektionen des Grades 3 oder 4 traten bei 7.7% der Patienten auf. Neutropenien, Thrombozytopenien und Anämien des Grades 3 oder 4 wurden für jeweils 19.7%, 22.2% und 19,7% der Patienten dokumentiert. Insgesamt legen diese Ergebnisse im Vergleich mit FCR nahe, dass BR etwas weniger aktiv ist, mit geringeren Raten vollständiger Remissionen, aber auch weniger myelotoxisch ist. Die GCLLSG vergleicht zurzeit BR mit FCR in einer randomisierten Phase 3-Studie, dem CLL10-Protokoll.

Diverse anderen Kombinationen sind untersucht worden, wie z.B. Cladribin mit Rituximab, Methylprednisolon mit Rituximab, gefolgt von Alemtuzumab, oder Rituximab mit Alemtuzumab. Eine detaillierte Beschreibung würde diesen Artikel sprengen, weil für keine dieser Kombinationen eine bessere Wirksamkeit als für FCR nachgewiesen werden konnte.

Kombinationen mit Alemtuzumab Die synergistische Aktivität von Fludarabin und Alemtuzumab (FA) wurde ursprünglich wegen des Ansprechens einschliesslich einer vollständigen Remission in 5 von 6 Patienten, die gegen die Monotherapien resistent waren, angenommen. Die Kombination FA wurde in einer Phase 2-Studie, die Patienten mit CLL-Rückfällen aufgenommen hat, mit einer vierwöchentlichen Dosierung untersucht. Diese Kombination hat sich als machbar, sicher und wirksam erwiesen. Unter den 36 Patienten betrug die Gesamtansprechrate 83% (30 von 36 Patienten) einschliesslich 11 vollständiger Remissionen (30%) und 19 partieller Remissionen (53%); es gab eine stabile Erkrankung. Sechzehn der 31 untersuchten Patienten (53) erreichten Negativität der minimalen Resterkrankung im peripheren Blut nach 3 Monaten Nachsorge. Die Auflösung der Krankheit wurde an allen Stellen, insbesondere im Blut, Knochenmark und in der Milz beobachtet. Die Behandlung mit FA wurde gut vertragen. Reaktionen auf die Infusion (Fieber, Schüttelfrost und Hautreaktionen) traten primär während der ersten Infusionen auf, sie waren bei der Mehrheit mild. Obwohl 80% der Patienten vor der Behandlung CMV IgG-positiv waren, gab es nur zwei subklinische CMV-Reaktivierungen. Die hauptsächlichen hämatologischen Nebenwirkungen der Grade 3 und 4 waren vorübergehender Natur, einschliesslich Leukozytopenien (44%) und Thrombozytopenien (30%). Nach einem Jahr wurden stabile CD4+ T-Zellenzahlen (>200/µl) festgestellt.

In zwei Phase 2-Studien wurde Alemtuzumab in Kombination mit FC (FCA) oder Fludarabin (FA) untersucht. Eine Studie, die FCA mit FCR verglich, wurde wegen der durch die höhere Toxizität und behandlungsbedingten Sterblichkeit im FCA-Arm vorzeitig eingestellt. Die Therapeutische Wirksamkeit von FCR war derjenigen von FCA klar überlegen. In dieser Studie war Alemtuzumab subkutan verabreicht worden. Eine zweite randomisierte Studie verglich FA mit Fludarabin-Monotherapie in bereits vorbehandelten Patienten mit Rückfällen oder refraktärer CLL. In dieser Studie wurde Alemtuzumab intravenös verabreicht. FA (n=168) ergab besseres progressionsfreies Überleben als Fludarabin-Monotherapie (n=167, Median 23.7 Monate vs. 16.5 Monate, HR = 0.61; P= 0.0003) und das Gesamtüberleben (Median nicht erreicht gegenüber 52.9 Monaten, HR = 0.65, P = 0.021) im Vergleich mit Fludarabin-Monotherapie. Nebenwirkungen traten bei 161 (98%) der 164 Patienten der FA-Gruppe und und bei 149 (90%) der Fludarabin-Monotherapie-Gruppe auf. Die Patienten der FA-Gruppe hatten mehr CMV-Vorfälle (14% vs. <1%) und Reaktionen auf die Infusion des Grades 1 oder 2 (62% vs. 13%). Wesentliche Nebenwirkungen des Grades 3 oder 4 in der FA- bzw. der Monotherapiegruppe waren Leukopenien (74% vs. 34%), Lymphopenien (94% vs. 33%), Neutropenien (59% vs. 68%), Thrombozytopenien (11% vs. 17%) und Anämien (9% vs. 17%). Die Häufigkeit ernster Nebenwirkungen war in der FA-Gruppe höher (33% vs. 25%), die Zahl der Todesfälle wegen Nebenwirkungen war in beiden Gruppen ähnlich (6% vs.12%).

Zwei Phase 2 – Studien untersuchten Alemtuzumab in Kombination mit hochdosierten Kortikosteroiden, die insbesondere bei Patienten mit del(17p) eine gute therapeutische Option zu sein scheinen. Die Kombination aus Alemtuzumab mit Methylprednisolon wurde in der UK CLL206-Studie an 17 unbehandelten und 22 bereits vorbehandelten Patienten mit del(17p). Die Gesamtansprechrate und die Rate vollständigen Ansprechens waren 85% und 36% in der gesamten Kohorte und 88% und 65% in der Gruppe der bisher unbehandelten Patienten. In der CLL2O-Studie der GCLLSG ergab die Kombination von Alemtuzumab mit hochdosierten Dexametason eine Gesamtansprechensrate von über 90% bei nicht vorbehandelten Hochrisikopatienten.

Die Auswahl der richtigen Behandlung: Wie ist die CLL mit den zur Zeit zugelassenen Mitteln zu behandeln?

Mit der beeindruckenden Zahl neuer Medikamente ist die richtige Auswahl der Therapie für einen bestimmten CLL-Patienten zu einer Aufgabe geworden, die Erfahrung, eine gute klinische Beurteilung des Patienten und eine angemessene Verwendung der diagnostischen Werkzeuge erfordert. Die folgenden Parameter sollten vor der Empfehlung einer CLL-Behandlung berücksichtigt werden: (1) das klinische Stadium der Erkrankung, (2) die Fitness des Patienten, (3) das genetische Risikoprofil der Leukämie, und (4) die Behandlungssituation (Erstlinientherapie vs. Zweitlinientherapie, Ansprechen vs. Nichtansprechen auf die letzte Behandlung). Unter Berücksichtigung dieser 4 Parameter können die folgenden Empfehlungen gegeben werden (Abbildung 1A, 1B):

Erstlinientherapie (Abbildung 1A): Bei einem Patienten mit fortgeschrittener (Binet C, Rai III-IV) oder aktiver symptomatischer Erkrankung sollte eine Behandlung eingeleitet werden. In dieser Situation muss der Patient auf seinen physischen Zustand (bzw. Begleiterkrankungen) hin untersucht werden. Patienten in gutem physischen Zustand („go go“), definiert durch eine normale Kreatinin-Clearance und einer niedrigen Einstufung auf der „cumulative illness rating scale“ (CIRS) sollte eine Chemoimmuntherapie wie FCR oder FR angeboten werden, um eine anhaltende Remission zu erreichen.

Patienten mit leicht beeinträchtigtem physischen Zustand („slow go“) kann die Behandlung mit CLB entweder in Kombination mit einem CD20-Antikörper oder einer dosisreduzierten Fludarabin-Therapie mit CD20-Antikörper angeboten werden. Das Therapieziel in dieser Situation ist die Kontrolle der Symptome.

Patienten mit symptomatischer Erkrankung und del(17p) oder TP53-Mutationen könne FCR oder BR oder Alemtuzumab-enthaltende Therapien als Erstlinientherapie erhalten. Generell ergeben alle diese Therapien Ansprechraten über 50%, aber das TTP neigt dazu, kürzer als 2 Jahre zu sein. Die neuesten Ergebnisse, die mit Monotherapie mit Ibrutinib bei rückfälligen oder refraktären Patienten mit del(17p) zeigten eine Gesamtansprechrate von 68%, mit einem progressionsfreien Überleben von 26 Monaten bei 57% und einem Gesamtüberleben von 70%. Obwohl diese Ergebnisse sehr ermutigend erscheinen, verspricht keine dieser Therapien langanhaltende Remissionen. Deshalb sollte Patienten mit ausreichender physischer Fitness die allogene Stammzelltransplantation immer noch angeboten und mit ihnen diskutiert werden.

Zweitlinientherapie (Abbildung 1B). Generell kann die Erstlinientherapie wiederholt werden, wenn die Dauer der ersten Remission 24 Monate überschreitet, vorausgesetzt, dass die Erstlinientherapie gut vertragen wurde. Die Auswahl wird schwieriger und begrenzter bei refraktärer CLL, bei Patienten mit Rückfällen innerhalb von 24 Monaten der Behandlung, oder bei Patienten mit der chromosomalen Aberration del(17p). Im Prinzip sollte die initiale Therapie gewechselt werden. Die folgenden Optionen stehen zur Behandlung von Rückfällen von Patienten, die nicht mehr auf Chemoimmuntherapie mit Rituximab ansprechen: (1) Alemtuzumab Monotherapie oder in Kombinationen, insbesondere mit hochdosierten Steroiden; (2) Kombinationen von Antikörpern mit Lenalidomid (siehe unten); (3) BTK-Hemmern wie Ibrutinib, wo verfügbar, oder experimentelle Therapien mit neuen Wirkstoffen (Abb.2, Tabelle 1); und (4) allogene Stammzelltransplantation mit kurativer Absicht.

Die Auswahl einer dieser Optionen hängt von der Fitness des Patienten, der Verfügbarkeit einer Medikamente, und dem prognostizierten Risiko der Leukämie, definiert durch die molekulare Zytogenetik, ab. Entsprechend der Empfehlungen der European Group for Blood and Marrow Transplantation (EMBT) Konsensgruppe sollte physisch fitten Patienten mit refraktärer CLL oder mit del(17p) eine allogene Stammzelltransplantation angeboten werden, weil ihre Prognose mit konventionellen Therapien extrem schlecht geblieben ist. Schliesslich ist es wichtig zu unterstreichen, dass Patienten mit refraktärer Erkrankung wann immer möglich, in klinischen Studien behandelt werden sollten. Einige der neuen Medikamente, insbesondere Ibrutinib oder ABT-199, zeigen gutes Ansprechen bei diesen Patienten und könnten zu einer neuen Option in der sehr nahen Zukunft werden.

Neue, auf pathogene Signalwege der CLL-Zellen zielende Wirkstoffe 

Es gibt eine steigende Anzahl interessanter neuer Verbindungen in der klinischen Entwicklung. Ihre Gemeinsamkeit liegt darin, dass ihr Wirkmechanismus auf relativ spezifischen Abnormalitäten der Signalwege oder dass sie das Immunsystem gegen die CLL-Zellen „abrichten“. Eine detaillierte Beschreibung dieser faszinierenden Wirkstoffe sprengt diesen Artikel. Tabelle1 zeigt die aussichtsreichsten Wirkstoffe und ihre Stadium der klinischen Entwicklung und dass sie hohe Ansprechraten über 50% sogar bei Rückfällen und refraktärer CLL. Einige dieser Wirkstoffe (z.B. Obinutuzumab, CART19, ABT199, Idealisib und Ibrutinib) führen zur Zeit zu grösstem Enthusiasmus und Hoffnung sowohl bei den CLL-Patienten als auch bei ihren behandelnden Ärzten.

Neue anti-CD20-Antikörper

Obinutuzumab (GA101). Der humanisierte glykosylierte monoklonale Antikörper zeigte in vitro beeindruckende Ergebnisse mit im Vergleich zu Rituximab höheren Apoptoseraten maligner B-Zellen. Die Humanisierung des parentalen B-Ly1 Mausantikörpers mit anschliessender Glykosylierung führte zu einer höheren Affinität der Bindung an das CD20 Typ II Epitop, erhöhte antikörperabhängige zelluläre Zytotoxizität, niedrige Komplement-abhängige zytotoxische Aktivität und eine erhöhte direkte Induktion des Zelltodes. Eine Phase1-Studie an 13 Patienten ergab für Obinutuzumab vielversprechende Ergebnisse. Die wesentlichen Nebenwirkungen schlossen Infektionen, Neutropenien, Thrombozytopenien und Tumorlysesyndrome, die alle vorübergehender Natur waren. Es gab keine dosisbegrenzenden Toxizitäten. Aus der Einlaufphase der CLL11-Studie wurde über ermutigende Ergebnisse für CLL-Patienten mit schwereren Begleiterkrankungen berichtet. Sechs über 70jährige Patienten (mittleres Alter 76 Jahre, mittlerer cumulative illness rating score von 8) erhielten 6 jeweils 28 Tage dauernde Zyklen Obinutuzumab (1000mg an Tag1, 8 und 15 des ersten Zyklus und am Tag 1 der Zyklen 2-6) mit CLB (0,5mg/kg an den Tagen 1 und 15 jedes Zyklus). Milde infusionsbedingte Reaktionen traten bei 5 Patienten auf. Neutropenien der Grade 3 und 4 wurden bei 5 Patienten festgestellt. Es wurden keine febrilen Neutropenien oder Infektionen des Grades 3 oder vier beobachtet. Alle Patienten vollendeten die Therapie. Vollständige Remissionen wurden bei 2 Patienten dokumentiert, partielle Remissionen bei 4 Patienten. Nach einer mittleren Beobachtungsdauer von 23 Monaten, vom Beginn der Behandlung gerechnet, hat keiner der Patienten eine Progression erlitten, es gab keinen Todesfall. Über die Ergebnisse einer zwischenzeitlichen Analyse ist vor kurzem berichtet worden, die vielversprechende Aktivität von Obinutuzumab bei CLL wurde bestätigt.

Auf den BCR-Signalweg abzielende Wirkstoffe

Der folgende Abschnitt beschreibt ausgewählte Kinasehemmer, die in Phase3-Studien für CLL-Patienten geprüft werden (Tabelle1).

Idealisib (CAL-101). PI3Ks der Klasse 1 regulieren für die Onkogenese relevante zelluläre Funktionen. Die Expression der PI3K p110 δIsoform (PI3Kδ) ist auf Zellen hämatopoetischen Ursprungs begrenzt, wo es eine Schlüsselrolle für die Proliferation und das Überleben der B-Zellen spielt. Bei CLL ist der PI3K-Signalweg grundlegend aktiviert und von PI3Kδ abhängig. CAL-101 ist ein oral verfügbarer auf die PI3Kδ-Isoform selektiv wirkender Inhibitor, der die Apoptose in primären CLL-Zellen Zeit- und Dosisabhängig fördert, ohne die Apotose der normalen T-Zellen oder natürlicher Killerzellen einzuleiten, und ohne die antikörperabhängige zelluläre Zytotoxizität zu verringern. CAL-101 hemmt die Chemotaxis der CLL-Zelle hin zu CXCL12 und CXCL13 und die Migration zwischen den stromalen Zellen (Pseudoemperipolese). CAL-101 regelt auch die Sekretion von Chemokinen in stromalen Co-Kulturen herunter und nach Auslösung von BCR. CAL-101 reduziert die Überlebenssignale von BCR und von „nurse-like cells“ und hemmt BCR- und chemokininduzierte AKT und MAP-Kinase (ERK)-Aktivierungen.

In einer Phase1-Studie an 54 stark vorbehandelten Hochrisiko-CLL-Patienten zeigte Idealisib eine akzeptable Toxizität, positive pharmakodynamische Effekte und vorteilhafte klinische Aktivität (i.e. ein hohes Mass an Lymphknotenregression, und verlängerte symptomatische Tumorkontrolle). Die Gesamtansprechrate betrug 56%, mit zwei vollständigen Remissionen und 28 partiellen Remissionen. Von den 28 Patienten in partieller Remission zeigten 6 persistente Lymphozytose. Die Mehrheit der Patienten (81%) zeigten ein Ansprechen der Lymphknoten (>=50% Reduktion der Knotensumme des Produktes der grössten Durchmesser). Das mediane progressionsfreie Überleben betrug 17 Monate. Die Nebenwirkungen verliefen milde, am häufigsten Fatigue, Durchfall, Pyrexie, Hautausschläge und Infektionen des oberen Atmungstraktes. Noch bedeutender war die Tatsache, dass keine dosisbegrenzenden Toxizitäten beobachtet wurden. Ergebnisse für Idealisib in Kombination mit Rituximab, Ofatumumab oder Bendamustin/Rituximab wurden in einer Vorabpräsentation vorgestellt und zeigten ermutigende Ergebnisse. Zum Beispiel ergab eine Studie mit einer Kombination aus Idealisib und Rituximab als Erstlinientherapie an 64 Patienten eine Gesamtansprechrate von 97% mit 19% vollständiger Remissionen. Die Nebenwirkungen waren mild, mit 23% Durchfall als einzige relevante CTC-Grad 3Toxizität.

Ibrutinib (früher PCI-32765). BTK führt zu einer Aktivierung der Signalwege für das Zellüberleben wie z.B. NF-kB und MAPKs über Kinasen der Src-Familie. Ibrutinib ist ein oral verfügbares kleines BTK hemmendes Molekül. BTK spielt eine Rolle in der Signalübertragung von BCR. Die Hemmung von BCR könnte die Apoptose bei B-Zell-Lymphomen und CLL-Zellen auslösen. Ibrutinib zeigte signifikante Aktivität bei Patienten mit Rückfällen oder refraktären malignen B-Zellerkrankungen, einschliesslich CLL- Die Daten einer multizentrische Phase 1b2 mit Ibrutinib-Monotherapie an 85 Patienten mit wiederkehrender oder refraktärer CLL oder kleinzelligen Lymphomen, von denen die Majorität ein hohen Risiko hatte, sind vor kurzem veröffentlicht worden. Die Patienten erhielten einmal täglich Ibrutinib (51 von ihnen eine Dosis von 420 mg, 34 eine Dosis von 840 mg), Die Nebenwirkungen verliefen mild (hauptsächlich Grad 1 oder 2) einschliesslich vorübergehender Durchfälle, Fatigue und Infektionen des oberen Atmungstraktes. Die Gesamtansprechrate betrug 71%, in der Mehrheit partielle Remissionen (68%).Am interessantesten ist, dass das Ansprechen unabhängig von klinischen oder genetischen Risikofaktoren wie Erkrankungen in fortgeschrittenen Stadien, der Anzahl vorausgegangener Behandlungen und del(17p) war. Nach 26 Monaten betrug die geschätzte Rate progressionsfreien Überlebens 75%, die Überlebensrate betrug 83%. Diese Studie zeigt, dass Ibrutinib bald zu einer zusätzliche Behandlungsoption für CLL-Patienten mit genetischen Hochrisiko-Läsionen werden könnte.

BCL-2-Inhibitoren

Proteine der B-Zell CLL/Lymphom 2 (Bcl-2)Familie sind der Schlüssel zur Regulierung des Apoptoseprozesses. Die Bcl-2-Familie umfasst proapoptotische und pro-Überlebensproteine. Die Verschiebung des Gleichgewichtes zum Überleben ist ein bekannter Mechanismus der Krebszelle, um der Apoptose auszuweichen. Bcl-2, das grundlegende Mitglied dieser Proteinfamilie, wird durch das BCL2-Gen codiert, das zuerst bei follikulären Lymphomen als ein Protein bei Translokationen unter Beteiligung der Chromosomen 14 und 18 beschrieben wurde.

BCL-2-Inibitoren ABT-263 (Navitoclax) und ABT-199. ABT ist ein Proteininhibitor für Proteine der Familie Bcl-2, der mit hoher Affinität an mehrere antiapoptotischkende Proteine der Bcl-2-Familie einschliesslich Bcl-XL, Bcl-2, Bcl-w und Bcl-B bindet, und eine hohe orale Bioverfügbarkeit aufweist. Erste Untersuchungen als Monotherapie zeigten sehr vielversprechende Ergebnisse für diesen Wirkstoff. Allerdings scheint der therapeutische Nutzen durch schwerwiegende Thrombozytopenien als häufige Nebenwirkung begrenzt zu sein. Deshalb wurde die Verbindung überarbeitet, um einen hochwirksamen, oral verfügbaren und Bcl-2 spezifischen Inhibitor, ABT-199, zu entwickeln. Diese Verbindung hemmt das Wachstum der von Bcl-2-abhängigen Tumore in Vivo und verschont die Blutplättchen. Eine einzelne Dosis löste bei drei Patienten mit refraktärer CLL innerhalb von 24h eine Tumorlyse aus. In einer Aktualisierung der Daten der Phase 1 Studie wurde über 56 Patienten berichtet, von denen 16 (29%) del(17p) aufwiesen und 18 (32%) an F-refraktärer CLL litten. Die wesentlichen Nebenwirkungen waren Tumorlysesyndrome und Neutropenien. Die Behandlung mit ABT-199 ergab eine Gesamtansprechrate von 85%, mit 13% vollständiger Remissionen und 72% partieller Remissionen. Interessanterweise erreichten 88% der Patienten mit del(17p) und 75% der Patienten mit F-refraktärer CLL mindestens ein partielles Ansprechen. Diese Daten deuten darauf hin, dass der selektiven pharmakologischen Hemmung von BCL-2 eine grosse Zukunft bevorstehen könnte.

Immunmodulierende Medikamente

Lenalidomid hat ermutigende Ergebnisse bei der Behandlung von Hochrisikopatienten gezeigt, einschliesslich den Trägern von del(17p). Bei 58% der Patienten verursachte Lenalidomid ein „Tumor Flare“, charakterisiert durch ein markantes und schmerzhaftes Lymphknotenwachstum, Unwohlsein und Fieber. Diese „Tumor Flare“-Reaktion kann lebensbedrohlich sein und ist bei CLL verbreiteter als bei anderen lymphoiden Krebsarten. Lenalidomid kann auch eine bedeutende Myelosuppression auslösen. Die Gesamtansprechrate variierte zwischen 32% und 54% in den verschiedenen klinischen Studien. Am bedeutendsten ist, dass es als Monotherapie bei Fludarabin-refraktärer CLL aktiv zu sein scheint.

Die Kombination von Lenalidomid mit Rituximab scheint die Ansprechrate ohne höheres Toxizitätsrisiko zu verbessern, sogar bei Patienten mit del(17p) und/oder unmutiertem IGHV-Status. In einer Phase 2 – Studie erhielten 59 Patienten mit Rückfällen oder refraktärer CLL eine Kombination aus Lenalidomid und Rituximab. Lenalidomid wurde ab dem Tag 9 des ersten Zyklus mit 10mg täglich oral verabreicht. Jeder Zyklus dauerte 29 Tage. Rituximab wurde über 12 Zyklen gegeben; die Behandlung mit Lenalidomid konnte fortgesetzt werden, wenn die Patienten klinisch davon profitierten. Die Gesamtansprechrate betrug 66%, einschliesslich 12% vollständiger Remissionen und 12 partielle Remissionen der Knoten. Die mittlere Dauer bis zum Therapieversagen betrug 17.4 Monate. Die häufigsten Grad 3 oder 4 – Nebenwirkungen waren Neutropenien (73% der Patienten). Vierzehn Patienten (24%) erlitten Infektionen des Grades 3 oder 4 oder fiebrige Episoden. Die Essenz des Ganzen ist, dass diese Kombination eine hilfreiche Alternative für Patienten mit refraktärer CLL sein könnte und weitere Untersuchungen gerechtfertigt sind.

Im Gegensatz dazu kann die Kombination aus Lenalidomid, Rituximab und Fludarabin schwere Nebenwirkungen verursachen (Myelosuppression), wenn die Behandlung mit allen Medikamente simultan am ersten Tag begonnen wird. Die Behandlung wird normalerweise besser vertragen, wenn Lenalidomid ab Tag 8 des ersten Zyklus gegeben wird. Die CGCLLSG untersucht zur Zeit die Kombination von Bendamustin, Rituximab und Lenalidomid (BR2) in physisch fitten Patienten (CLL2P-Protokoll). Zusätzliche Kombinationen, die zur Zeit untersucht werden, sind Flavopiridol mit Lenalidomid, was zu einem Ansprechen bei 7 von 15 Patienten geführt hat [unter ihnen 4 mit del(17p) und 3 mit del(11q)] oder Lenalidomid mit Ofatumumab.

Everolimus (RAD001) hat gute Wirksamkeit bei einigen hämatologischen Krebserkrankungen gezeigt, die Ergebnisse bei CLL waren bis jetzt mit tiefen Ansprechraten und relativ schweren infektiösen Komplikationen enttäuschend.

Chimere Antigen-Rezeptoren

Chimere Antigen-Rezeptoren (CAR) kombinieren die Antigenerkennungsdomäne eines Antikörpers mit intrazellulären Signalwegdomänen in einem einzelnen chimären Protein. CD19 ist ein ideales Ziel für CAR, weil dessen Expression auf normale und maligne B-Zellen begrenzt ist. Das Einbeziehen der CD-137 (4-1BB) Signaldomäne ergab eine potente Antitumoraktiviät und Persistenz in Vivo der Anti-CD19 CARs in Mäusen. June et al haben vor kurzem gezeigt, dass die Antitumoraktivität von CAR-Modifizierten autologen auf CD19 abgerichteten T-Zellen (CART19 Zellen) anhaltende Remissionen sogar bei Hochrisiko-CLL-Patienten ergab. Kürzlich wurde über die Ergebnisse und längere Beobachtung von 10 mit CART19-Zellen behandelten Patienten berichtet. Autologe T-Zellen wurden mittels Leukapherese gesammelt und mit einem Lentivirus, der Anti-CD19 scFv verbunden mit 4-1BB und CD-z Signaldomänen codiert wurde. Die genetisch modifizierten T-Zellen wurden vermehrt und ausserhalb des Körpers durch Exposition gegenüber anti-CD3/CD28-Perlen aktiviert. 10 Patienten erhielten CART19-Zellen;

9 Erwachsene mit einem Altersmedian von 65 Jahren (51-78) wurden bei Rückfällen refraktärer CLL und ein 7jähriger Patient wurde gegen einen Rückfall bei refraktärer ALL behandelt. Drei der 9 CLL-Patienten hatten eine Deletion des P53-Gens. Alle CLL-Patienten erhielten eine lymphozytenabreichernde Chemotherapie 4-6 Tage vor den Infusionen (FC, PC oder Bendamustin, während der ALL-Patient eine absolute Lymphozytenzahl <10 hatte und keiner weiteren Reduktion bedurfte). CART19 richtete sich auf das Knochenmark der CLL-Patienten und in das Knochenmark und CSF des ALL-Patienten, CART19-Zellen waren im CSF (21 Lymphozyten/µl, 78% CAR+) am Tag 23 nachweisbar. Vier der 9 evaluierbaren Patienten erreichten eine vollständige Remission (3CLL, 1ALL). Zwei CLL-Patienten erreichten eine partielle, 3 und 5 Monate anhaltende Remission, und drei Patienten sprachen nicht auf die Behandlung an. Bei den 4 Patienten, die eine vollständige Remission erreichten, wurde die Vermehrung der Zellen, im Durchschnitt die 27fache Zellzahl der Infusionsdosis (21-40 fach) mit der maximalen Vermehrung in Vivo zwischen Tag 10 und Tag 31 nach Infusion festgestellt. Keiner der Patienten mit vollständiger Remission erlitt einen Rückfall. Alle Patienten mit Ansprechen entwickelten ein Zytokin-Freisetzungssyndrom, dass sich durch Fieber und unterschiedlichen Graden von Übelkeit, Appetitlosigkeit und vorübergehende Hypotonie und Hypoxie. Bei den ansprechenden CLL-Patienten waren die Zytokinspiegel erhöht. Bei zwei Patienten mussten die Folgen der Zytokin-Freisetzung behandelt werden. Zusammengefasst können CART19-Zellen potent und kräftig nachhaltiges Ansprechen bei Patienten mit fortgeschrittener, refraktärer und Hochrisiko-CLL erzeugen. Aber die Langzeitnebenwirkungen und Wirksamkeit dieses Behandlungsansatzes müssen noch genauer untersucht werden.

Ausblick: Das Signal zum Ende der CLL?

Die oben beschriebenen neuen Therapien zielen alle auf relativ spezifische Proteine der CLL-Zellen und ihre Mikroumgebung ab. Deshalb ist ihre Giftigkeit oft moderat und beinhaltet keine Myelosuppression. Darüber hinaus sind vollständige Remissionen mit keinem der neuen Medikamente ausser CART19 häufig erreicht worden. Zusätzlich, anders als bei der Chronisch-Myeloischen Leukämie, die von einem einzigen Onkogen (BCR-ABL) ausgelöst wird, scheint die CLL eine genetisch heterogene Erkrankung zu sein. Es scheint, dass die CLL durch eine komplexe Folge genetischer Vorfälle verursacht wird, und deshalb auch eine biologisch komplexe Erkrankung ist. Schliesslich sind somatische Mutationen der Kinasegenome anders als bei anderen Krebserkrankungen sehr seltene Vorfälle bei der CLL. Aus diesen Gründen ist es sehr wahrscheinlich, dass die derzeit verfügbaren Wirkstoffe kombiniert werden, um optimale Ergebnisse zu erzielen. Die Herausforderung besteht jetzt darin, die beste Kombination und Therapiesequenz herauszufinden, um eine langfristige Kontrolle der CLL bei gleichzeitig optimaler Lebensqualität zu erreichen. Schliesslich muss im bedacht werden, dass wie bei anderen hämatologischen Krebserkrankungen die verfügbaren Daten die Vermutung nahelegen, dass das Erreichen einer sehr guten Kontrolle der Erkrankung (unter Benutzung der Negativität einer minimalen Resterkrankung als Ersatzparameter) das Überleben der CLL-Patienten verlängert.

Wie können diese Ziele mit den heutigen Behandlungsmethoden erreicht werden?

Prinzipiell gibt es mindestens 3 Optionen. Die erste Option ist die Kombination der besten Wirkstoffe (3, 4 oder mehr) in einer simultanen Kurzzeitbehandlung (bis zu 6 Monaten) mit dem Ziel der Abwesenheit minimaler Resterkrankungen, weil diese Ergebnisse länger vorhalten sollten als die bisher erreichten Remissionen. Zum Beispiel wäre ein derartiger Ansatz die Kombination der besten derzeit verfügbaren Chemotherapien (Fludarabin oder Cyclophosphamid alleine oder in Kombination; Bendamustin) mit Antikörpern und Kinaseinhibitoren oder Bcl-2-Antagonisten. Allerdings müssen diese Kombinationen mit dem heutigen Standard FCR verglichen werden, die Ergebnisse werden erst in einigen Jahren erwartet. Darüber hinaus wird eine solche Behandlungsstrategie nicht frei von Nebenwirkungen sein und deshalb nur für Patienten in guten körperlichem Zustand verträglich sein.

Eine zweite Möglichkeit wäre die Nutzung sequentieller Monotherapien mit neuen oder alten Wirkstoffen. Jedes Medikament würde verabreicht, bis das maximale Ansprechen erreicht ist. Nach langanhaltendem Ansprechen kann die Behandlung mit dem gleichen Mittel wiederholt werden, wohingegen andere Wirkstoffe im Fall kürzer anhaltender Remissionen geprüft werden. Diese Strategie könnte bei älteren oder kranken Patienten angewendet werden („slow go“), bei denen das Ziel der Behandlung eher Symptomkontrolle als Krankheitskontrolle ist.

Eine dritte Strategie würde die besten Mittel in einer auf die ursprüngliche Tumorlast und das Ansprechen maßgeschneiderte Sequenz kombinieren (Vollständige Remission vs. Partielle Remission; Positiv oder Negativ auf minimale Resterkrankung). Diese Strategie hätte das Ziel der Vermeidung des Wachstums ungünstiger leukämischer Subklone und der Minimierung der Anwendung von Chemotherapien, wodurch das Risiko von Mutationen des CLL-Klons und sekundärer Krebsarten, die häufig auftreten und prognostisch ungünstige Vorfälle bei CLL sind. Für diesen Behandlungsansatz schlägt der Autor den Begriff „TTT“ („Tailored, targeted total eradication of minimal residual disease“ Massgeschneiderte gezielte totale Auslöschung der minimalen Resterkrankung), Abb. 3

Dieser sequentielle TTT-Ansatz nutzt alle derzeit verfügbaren Optionen auf nicht aggressive, wenig toxische Weise und zielt auf die totale Eliminierung oder Kontrolle des malignen Klons ab. Die Vorteile eines derartigen Ansatzes wären: (1) Verfügbarkeit für die meisten (sowohl fitte als auch unfitte) CLL-Patienten wegen der begrenzten Toxizität., (2) die Behandlungen könnten ambulant erfolgen, und (3) die heutigen Behandlungsmethoden würden auf massgeschneiderte und auf das Ansprechen abgestimmte Weise verwendet und deshalb die Medikamenten kostensparend und ressourcenschonend einsetzen. Der Ansatz könnte auch genutzt werden, die Entstehung neuer genetischer Subklone der CLL zu überwachen, die klinischen und prognostischen Einfluss haben könnten.

Die vorgeschlagene TTT-Strategie könnte aus den folgen Schritten bestehen (Abb. 3):

  1. Tumormassereduktion („Debulking“): Weil die meisten neuen Medikamente (z.B. Ibrutinib, Idealisib) einen „Compartment Shift“ der malignen Lymphozyten auslösen, erhöhen sie vorübergehend die Zahl der Lymphozyten im Blut, was oft zu Sorge bei Patienten und Ärzten führt und verhindert, dass Kombinationen mit einigen anderen Medikamenten eingesetzt werden. Andere Wirkstoffe (ABT-199, Obinutuzumab, Lenalidomid) verursachen oft schwere Reaktionen während der ersten Behandlungsphase (Zytokin-Freisetzungssyndrom, Tumorlysesyndrom). Deshalb kann in Fällen erhöhter Lymphozytenzahlen (>30'000/µl) oder grossen Lymphknoten eine Tumormassereduktion (z.B. mit 1 oder zwei Zyklen Bendamustin oder Fludarabin) ein optionales Element der ersten Behandlung sein. Alternativ würden nicht-chemotherapeutische Medikamente verwendet. Dieser Schritt würde unternommen, um das periphere Blut der meisten Patienten schnell von CLL-Zellen zu befreien. Diese Phase der Behandlung benötigte etwa 1-2 Monate.

  2. Induktion. Nach der Reduktion der Lymphozyten im peripheren Blut auf ein Niveau unterhalb einer gewissen Schwelle (z,B. <30'000/µl im peripheren Blut) könnten Induktionstherapien eingeleitet werden. Diese Therapien würden nicht-chemotherapeutische Kombinationen von Medikamenten beinhalten. Um die infusionsbedingten Reaktionen zu vermeiden, würden zuerst Antikörper wie Obinutuzumab gegeben, ein paar Tage später gefolgt von einer dritten Medikamentenklasse wie Tyrosinkinasehemmer oder Bcl-2-Hemmer (oder beide). Diese Behandlungsphase würde typischerweise 4-6 Monate dauern, und der Patient würde am Ende Überwacht durch die Bewertung seiner minimalen Resterkrankung, 3 Monate nachdem eine vollständige Remission erreicht wurde. Generell würde diese Kombinationstherapie während der Induktion so lange fortgesetzt, wie sich die Remission weiter verbessert, oder bis ein vollständiges Ansprechen erreicht wurde.

  3. Erhaltung. Am Ende der Induktionsphase wird das dritte sequenzielle Element der TTT-Strategie sicherstellen, dass eine sehr gute Remission erhalten werden kann. Das könnte durch Monotherapien, entweder oral verfügbare Medikamente (z.B. Kinaseinhibitoren, Bcl-2-Inhibitoren oder Lenalidomid) oder durch wiederholte Infusionen von Antikörpern (z.B. Obinutuzumab) in Intervallen von 2-6 Monaten über einen längeren Zeitraum erreicht werden. Dieser therapeutische Ansatz würde durch die Bestimmung der minimalen Resterkrankung überwacht, und die Behandlung könnte drei Monate nachdem eine bezüglich minimaler Resterkrankung negative Remission erreicht wurde; die Erhaltung könnte wiederaufgenommen werden, wenn eine minimale Resterkrankung wieder nachweisbar wird. Diese Behandlungsphase benötigte mindestens ein Jahr, typischerweise aber zwei Jahre.

Obwohl sich der Autor völlig im Klaren darüber ist, dass die vorgeschlagene TTT-Strategie durch klinische Forschung validiert werden muss, könnte sie eine Hilfe bei der Auslegung angemessener klinischer Studien zur Nutzung der heute verfügbaren Wirkstoffe sein. Schliesslich, zu einer Zeit, da neue und aufregende therapeutische Optionen wahrscheinlich die Behandlung der CLL und deren Ausgang verändern werden, sind Hämatologen und Onkologen dazu verpflichtet, ihre Patienten in klinische Studien einzuschliessen, um sicherzustellen, dass ein grösstmöglicher Fortschritt in kürzestmöglicher Zeit erreicht wird. Dadurch werden die Ärzte aktiv zu der historisch einmaligen Chance beitragen, die Kontrolle über die bisher unheilbare CLL zu gewinnen.

Abbildungen

Abbildung 1: Behandlungsalgorithmus für CLL-Patienten (A) Erstlinientherapie und (B) Zweitlinientherapie. Al = Alemtuzumab, R = Rituximab, O = Ofatumumab, F = Fludarabin, C = Cyclophosphamid, Mab = Monoklonale Antikörper, Dex = Dexametason, Allo-SCT = Allogene Stammzelltransplantation. Bitte berücksichtigen, dass eine allogene Stammzelltransplantation normalerweise einer Induktion partieller oder vollständiger Remission bedarf.

A

Stadium

Fitness

del (17p), p53mut

Therapie

Binet A-B, RAI 0-II, inaktiv

Irrelevant

Irrelevant

Keine

Aktive Erkrankung oder Binet C oder RAI III-IV

Go go

Nein

FCR

Ja

Allo-SCT

Slow go

Nein

CLB + anti-CD20-Mab

Ja

Al, HD R oder O

 

B

Ansprechen auf Erstlinientherapie

Fitness

Therapie

   

Standard

Alternativen (Studien)

Refraktär oder Progression innerhalb von 2 Jahren

Go go

Al-Dex, FA, FCR → Allo-SCT

Lenalidomid, BR, BR2, Kombination mit Kinaseinhibitoren

Slow go

Therapiewechsel (wenn möglich, innerhalb einer Studie

Al bei del(17p), FCRlite, BR, Bendamustin, Lenalidomid, Ofatumumab,HD Rituximab, Kinaseinhibitoren

Progression nach mehr als zwei Jahren

Alle

Erstlinientherapie wiederholen

 

 

Tabelle 1: Status der aktuellen klinischen Entwicklung neuer zielgerichteter Therapien in der CLL

 

Ansprechraten bei Rückfällen und refraktärer CLL als Monotherapie

Klasse

Wirkstoff

Ziel

Darreichung

Klinisches Entwicklungs-stadium

Kommentare, spezifische Nebenwirkungen

N

CR

PR

ORR

Antikörper

Obinotuzumab (GA101)

CD20

IV

Phase 3

Cytokinfreisetzung bei erster Infusion

13

8.00%

54.00%

62.00%

 

Dacetuzumab

CD40

IV

Phase 1

Einige stabilisierungen der Erkrankung

12

0.00%

0.00%

0.00%

 

Lucatumumab

CD40

IV

Phase 2

Amylase und Lipase-Anstieg

26

0.00%

4.00%

4.00%

Immun Gentherapie

ISF35 (Adenovirus CD154)

CD40

Intra-Nodal

Phase 1

Milde grippeähnliche Symptome

15

0.00%

20.00%

20.00%

 

CART19 (modifizierte T-Zellen)

CD19

IV

Phase1/2

TLS, Cytokinfreisetzungssyndrom

9

44.00%

22.00%

66.00%

Kleine Immunpharmazeutika

TRU-016

CD37

IV

Phase 2

Neutropenien, Infektionen, Durchfall Fatigue

17

0.00%

17.00%

17.00%

Bcl-2-Antagonisten

ABT-263 (Navitoclax)

Bcl-2 und Bcl-X(L)

PO

Phase1/2a

Thrombozyto-penien

26

0.00%

35.00%

35.00%

 

Obatoclax

Pan-Bcl-2 Antagonist

IV

Phase 2

Neurologische infusions-bedingte Symptome (Somnolenz, Euphorie, Ataxie)

26

0.00%

4.00%

4.00%

 

ABT-199

Bcl-2

PO

Phase 3

TLS, Neutropenie

56

13.00%

72.00%

85.00%

Tyrosinkinase-inhibitoren

Fostamatinib

Syk

PO

Phase 1/2

Durchfall, Fatigue, Zytopenie, Bluthochdruck, Übelkeit

11

0.00%

55.00%

55.00%

 

Idealisib

PI3K, p110d

PO

Phase 3

Abnormale Leberfunktion, Pneumonie

54

4.00%

52.00%

56.00%

 

Ibrutinib

BTK

PO

Phase 3

Durchfall

85

2.00%

68.00%

71.00%

 

Dasatinib

Kinasen der Abl und Src-Familie

PO

Phase 2

Pleuraergüsse

15

0.00%

20% (60%) +

20% (60%) +

Cyclin-Abhängige- Kinase Hemmer

Flavopiridol

CDK

IV

Phase 2

TLS

52

0.00%

40.00%

40.00%

 

Dinaciclib

CDK1,2,5,9

IV

Phase 1

TLS; Anämie, Neutropenie, Hyperglykämie, Hypocalkämie, Durchfall, Hypokalämie, erhöhte AST/ALT, Faigue

23

0.00%

35.00%

35.00%

 

SNS-032

CDK 2,7,9

IV

Phase 1

TLS, Myelosuppression, begrenzte Antitumoraktivität

19

0

0.00%

0.00%

mTOR-Hemmer

Everolimus

mTOR

PO

Phase 1/2

Immunsuppression schwere Infektionen

22

0.00%

18.00%

18.00%

           

7

0.00%

14.00%

14.00%

Immunmodulatoren

Lenalidomid

Multiple

PO

Phase 3

Immunsuppression, Myelotoxizität, „Tumor Flare“, Thromboembolien

29*

7.00%

27.00%

34.00%

                   

PO: Peroral (orale Gabe); TLS: Tumorlyse-Syndrom

* Die Analyse enthält nur Fludarabin-refraktäre Patienten

+ 60% zeigten ein Ansprechen der Knoten ohne eine 50%ige Reduktion der Lymphozytenzahl.

N Patientenzahl

CR Rate vollständiger Remissionen

PR Rate partieller Remissionen

ORR Gesamtansprechrate

 

Quelle:

Signaling the end of Chronic Lymphocytic Leikemia: New frontline treatment strategies. Michael Hallek, Blood 2013, Volume 122