- Published on 27.07.2010, 11:20
- Von Jan Geissler
Dasatinib ist ein
Tyrosinkinasehemmer, der für die
Zweitlinientherapie nach
Imatinib-Versagen zugelassen ist. Dosisabhängige Nebenwirkungen verlangen bei manchen Patienten nach einer Dosisverringerung, die über die empfohlenen Maße hinausgeht. Eine auf ASH2009 vorgestellte Studie an Patienten in
chronischer Phase zeigte, dass im Vergleich zur zweimal täglich gegebenen Standarddosis die Nebenwirkungen durch eine Intervallanwendung reduziert werden konnten, während die Wirksamkeit vergleichbar blieb. Demnach könnte es sein, dass angesichts der kurzen Halbwertszeit von
Dasatinib (3-5 Stunden) geplante Behandlungsunterbrechungen das Behandlungsergebnis nicht negativ beeinflussen, während damit eine dauerhafte Behandlung mit einem wirksamen Medikament ermöglicht wird.
In einer rückblickenden Analyse wurden die Daten von 33 Patienten mit
Imatinib-Unverträglichkeit (11 Patienten) oder
Resistenz gegen
Imatinib (22 Patienten) ausgewertet. Die Patientenauswahl basierte auf der durch Nebenwirkungen bedingten reduzierten Dosierung. Die Patienten wurden in der Erwartung einer Reduktion der
Dasatinib-Nebenwirkungen mit einem festen Einnahme/Absetzen-Dosierungsplan (3-5 Tage Medikamentengabe, 4-2 Tage ohne Medikament) behandelt. Der Verlauf der Patienten wurde mittels Routineblutbildern, zytogenetischen Methoden und molekularer Kontrolle (quantitative
PCR) verfolgt, um das Ansprechen auf den veränderten Therapieplan sicherzustellen. Zusätzlich wurden die Patienten mit
Resistenzen regelmässig auf
BCR-ABL-
Mutationen untersucht.
Die wichtigsten Gründe für die
Dosisreduktion waren hämatologische Nebenwirkungen (51%) und Wassereinlagerungen (55%), einschliesslich 17 Patienten mit
Pleuraerguss. 27 Patienten (82%) litten and Grad III/IV-Nebenwirkungen. Die mittlere wöchentliche Dosis des
Dasatinib-Intervall-Therapieplanes betrug 500mg (320-500). Während der Intervallbehandlung verbesserte sich der mittlere Grad für hämatologische Nebenwirkungen von 3.2 auf 1.5, und für Wassereinlagerungen von 2.9 auf 1.6. Alle bis auf zwei durch Wassereinlagerungen beeinträchtigte Patienten (89%) und alle bis auf einen durch hämatologische Nebenwirkungen beeinträchtigte Patienten erreichten geringere Nebenwirkungsgrade durch das therapiefreie Wochenende.
Die Studienärzte folgern daraus, dass eine Wochenend-Unterbrechung der Therapie die generelle Fortsetzung der Behandlung mit
Dasatinib für Patienten, die unter Nebenwirkungen leiden, ermöglicht. Diese rückblickende Datenanalyse an
Imatinib-
resistenten oder
Imatinib-unverträglichen Patienten mit bis zu 5 verschiedenen vorausgegangenen Behandlungsvarianten legen gute und in vielen Fällen sogar verbesserte Wirksamkeit der Intervallbehandlung im Vergleich zur kontinuierlichen Behandlung nahe. Diese Daten legen die Anlage
klinischer Studien zur Untersuchung von alternativen Intervalldosierungen nahe.
Quelle: ASH-Abstract 1119: Weekend Drug Holiday of
Dasatinib in CML Patients Not Tolerating Standard Dosing Regimens. Paul La Rosee.
Übersetzung durch Niko, Zusammenfassung und Kommentierung von Jan, ohne Gewähr auf Richtigkeit und Vollständigkeit. Danke, Niko!Kommentar von Jan: Warnung und Vorsicht mit der Interpretation dieser Studie, die keinesfalls als Ermutigung für das eigenmächtige Ändern jeglicher CML-Therapie verstanden werden sollte. Es handelte sich hier um eine relativ kleine Anzahl von Patienten, die bei der Standarddosis von Dasatinib Nebenwirkungen in einem Maße zeigten, dass eine dauerhafte Weiterführung der Therapie generell in Frage stand. Es wurde dann unter engmaschiger Verlaufskontrolle im Rahmen einer Studie untersucht, ob regelmäßige Unterbrechungen der Therapie ("therapiefreies Wochenende") denkbar wären. Gegenüber Imatinib ist hierbei zu beachten, dass die Verstoffwechselung von Dasatinib im Körper völlig anders als bei Imatinib funktioniert und man bzgl Absetzen, Dosierung und erforderlichen Wirkspiegeln nicht von einem auf das andere schließen kann. Auch aus Laiensicht können wir nur dringend appellieren, dass ein solcher Therapieansatz ausschließlich von CML-Experten unter eng kontrollierten Bedingungen durchgeführt werden sollte. Die Studiendaten sind aber interessant für diejenigen, deren Therapie mit Dasatinib insgesamt aufgrund von schwerwiegenden Nebenwirkungen in Gefahr steht und alternativlos ist.
Weitere Berichte zu Ergebnissen von ASH2009:
- ASH 2009 CML-Nachlese - und warum ich wieder hingefahren bin, Leukämie-Online 17.12.2009
- ASH09: Resistenz, Wirkung und Mutationen unter Dasatinib bei CML in chron. Ph, Leukämie-Online 27.12.2009
- Patienten mit Phosphatmangel unter Imatinib oft mit besserem Ansprechen, Leukämie-Online 27.12.2009
- Dasatinib-Intervalltherapie denkbar, wenn Standarddosierung unverträglich ist, Leukämie-Online 27.12.2009
- BCR-ABL-spezifische Impfstoffe könnten Imatinib-Vollremission weiter verbessern, Leukämie-Online 27.12.2009
- Fünf-Jahres-Ergebnisse der deutschen CML-Studie IV, Leukämie-Online 08.01.2010
- Imatinib-Therapieunterbrechung in molekularer Remission: Rückfallrate bei 55%, Leukämie-Online 08.01.2010
- Nilotinib ENACT-Studie mit Nachtrag zu Nebenwirkungen, Leukämie-Online 09.01.2010
- IRIS-Studie: Verlängertes Überleben, geringes Progressionsrisiko nach 8 Jahren, Leukämie-Online 13.01.2010
- Interferon-Imatinib-Kombination: gutes Ansprechen, Therapietreue herausfordernd, Leukämie-Online 13.01.2010
- Nilotinib in Erstlinie: weniger Progression, besseres Ansprechen als Imatinib, Leukämie-Online 13.01.2010
- Langzeitnebenwirkungen von Imatinib: keine Überraschungen, Leukämie-Online 13.01.2010
- SPIRIT-Studie nun mit Fokus auf Imatinib+Peg-IFN vs. Imatinib, Leukämie-Online 13.01.2010
- IFN-Erhaltungstherapie in molekularer Imatinib-Remission könnte funktionieren, Leukämie-Online 13.01.2010
- Therapietreue bei Imatinib ist entscheidend für gutes molekulares Ansprechen, Leukämie-Online 13.01.2010
- Grippe- und Pneumokokken-Impfung bei CML-Therapie, Leukämie-Online 13.01.2010
- Fortsetzung der Erstlinientherapie mit Dasatinib mit nur einer Dosis täglich, Leukämie-Online 13.01.2010
- Imatinib-Studien bei Kindern: Transplantation als Zweitlinientherapie, Leukämie-Online 13.01.2010
Zweitlinientherapie
Erstlinientherapie ist die erste Therapie, die nach der Diagnosestellung bei einem Patienten eingeleitet wird. Wenn diese nicht anschlägt oder nicht vertragen wird, folgt die Zweitlinientherapie
Erhaltungstherapie
Über eine längere Zeitperiode fortgeführte Chemotherapie, die den Erfolg der Induktions- und Konsolidierungstherapie stabilisieren soll
Erstlinientherapie
Erstlinientherapie ist die erste Therapie, die nach der Diagnosestellung bei einem Patienten eingeleitet wird. Wenn diese nicht anschlägt oder nicht vertragen wird, folgt die Zweitlinientherapie
Transplantation
Übertragung von Gewebe. Für die Transplantation können eigene Zellen autologe T. oder fremde Zellen allogene T. verwandt werden.
hämatologisch
das Blut bzw. die Blutbildung betreffend
Dosisreduktion
Verringerung der Dosis des Medikaments
Tyrosinkinase
Enzym, das das Wachstum von Leukämiezellen anregt und therapeutisch durch Tyrosinkinase-Hemmer (Tyrosinkinase-Inhibitoren) gehemmt werden kann.
Nebenwirkung
Unerwünschte Begleiteffekte einer Therapie, besonders bei Chemotherapien begrenzen Nebenwirkungen die maximal verträgliche Dosis.
Pleuraerguss
Abnormale Flüssigkeitsansammlung in der Pleurahöhle, dem schmalen Spalt zwischen der Lunge und den Rippen, strenger genommen zwischen Lungenfell und dem Rippenfell.
Progression
Das Fortschreiten einer Krebserkrankung
IRIS-Studie
Phase-III, in der Imatinib mit Interferon+AraC verglichen wurde, und die zur Marktzulassung von Imatinib führte. Viele der 1106 Patienten werden bis heute weiter in der Studie betreut, wodurch Langzeit-Sicherheitsdaten gesammelt werden. IRIS steht für International Randomized trial of Interferon/Ara-C versus STI571.
Interferon
Im Zusammenhang mit Leukämien üblicherweise Interferon-Alpha gemeint. Interferon (von engl. to interfere eingreifen, sich einmischen) ist ein Protein, das eine immunstimulierende und Tumorzellen angreifende Wirkung entfaltet. Es wird als körpereigenes Gewebshormon gebildet, v.a. von Leukozyten, Monozyten und Fibroblasten, kann aber auch als Medikament in körperunüblich hohen Dosen gegen Leukämien eingesetzt werden.
Remission
Vorübergehende oder dauerhafte Rückbildung von Krankheitszeichen. Bei Krebs: Partielle Remission = teilweises Verschwinden oder Verkleinerung von Krebszellen, komplette Remission = keine Krebszellen nachweisbar
chronisch
langanhaltend, sich langsam entwickelnd
Resistenz
Unempfindlichkeit gegenüber einer Behandlung, z.B. von Krebszellen gegen eine Therapie
Dasatinib
Handelsname Sprycel, Laborname BMS-354825, hemmt u.a. die BCR-ABL- und SRC-Tyrosinkinasen. Zugelassen in der EU seit 2006 für die Behandlung von CML und Ph+ALL.
Nilotinib
Nilotinib, Handelsname Tasigna, Laborname AMN107, hemmt u.a. die BCR-ABL-Tyrosinkinase. Zugelassen in der EU seit 2007 für die Behandlung der CML und Ph+ALL.
Blutbild
Untersuchung der Zusammensetzung der Blutzellen nach Art und Anzahl, besonders genau im Differentialblutbild
Mutation
Veränderung der Abfolge von Bausteinen im Erbgut (DNS). Mutationen können zu Änderung oder Verlust der Funktion von Genen führen und damit das Verhalten von Zellen beeinflussen (lat. mutatio Veränderung, Wechsel)
Imatinib
Imatinib, Handelsname Glivec/Gleevec, Laborname STI-571, ein BCR-ABL-Tyrosinkinasehemmer der ersten Generation. Zugelassen seit Jahr 2002 für die Behandlung der CML und Ph-positiven ALL.
BCR-ABL
BCR-ABL ist ein Fusionsgen auf Chromosom 22. Das Chromosom mit diesem Gen wird als Philadelphia-Chromosom bezeichnet. Es kommt bei fast 95 Prozent der Patienten mit CML (Chronisch Myeloischer Leukämie) vor. Das Gen ABLim Fusionsgen enthält den Bauplan für ein Enzym, eine Tyrosinkinase. Dieses Enzym ist wesentlich an der Übertragung von Signalen beteiligt, die für die Regulation des Zellwachstums und der Zelldifferenzierung erforderlich sind. Durch die Fusion der beiden Gene wird das Tyrosinkinase-Gen aktiviert. Die Folge: Zellen mit diesem Gen vermehren sich unkontrolliert. Das molekulare Ereignis wird als Hauptursache für die Entstehung der CML angesehen.
Gen
Informationseinheit des Erbgutes, enthält meist den Bauplan für ein Protein. Die Gene liegen im Zellkern in Form von DNS vor.
RNA
Die Ribonukleinsäure (RNA) ist der kleine Bruder der DNA . Sie ist ein einzelsträngiges kettenförmiges Molekül, das aus DNA umgeschriebene Erbinformation eines einzigen Genes enthält, und im Plasma der Zellen in das Genprodukt (= Eiweißmolekül, Protein) umgeschrieben wird (Biosynthese).
PCR
Polymerase-Kettenreaktion (polymerase chain reaction: Untersuchungsverfahren zur schnellen Vervielfältigung (Amplifikation) bestimmter Abschnitte der RNA oder DNA.
Ras
Ras ist ein G-Protein, das nach Aktivierung durch Wachstumsfaktoren mit Tyrosinaseaktivität GTP bindet und damit die Signaltransduktionskaskade weiterleitet.
ASH
Amerikanische Gesellschaft für Hämatologie (engl. American Society of Hematology). Oftmals wird ASH als Synonym für den jedes Jahr im Dezember stattfindenden Jahreskongress der Gesellschaft verwendet.
CHR
Komplette hämatologische Remission (complete haematologic response).
GUS
ß-Glucuronidase ist ein Enzym
ELN
Das Europäische Leukämie Netz ist eine von der EU finanzierte Organisation bestehend aus Medizinern, Wissenschaftlern und Patienten aus dem Leukämie-Bereich, das zum Ziel hat, die Behandlung von Leukämie-Erkrankungen zu verbessern, Wissen zu generieren und dieses Wissen in Europa zu verbreiten.
Klinische Studie
Wissenschaftliche Forschungsarbeit zur Behandlung von Krankheiten beim Menschen nach strengen medizinischen und ethischen Regeln
Chronische Phase
Die früheste Phase in der Entwicklung von CML
Chronische Phase
Die früheste Phase in der Entwicklung von CML
chronisch
langanhaltend, sich langsam entwickelnd
chronisch
langanhaltend, sich langsam entwickelnd
Resistenz
Unempfindlichkeit gegenüber einer Behandlung, z.B. von Krebszellen gegen eine Therapie
Resistenz
Unempfindlichkeit gegenüber einer Behandlung, z.B. von Krebszellen gegen eine Therapie
Resistenz
Unempfindlichkeit gegenüber einer Behandlung, z.B. von Krebszellen gegen eine Therapie
Resistenz
Unempfindlichkeit gegenüber einer Behandlung, z.B. von Krebszellen gegen eine Therapie
Blutbild
Untersuchung der Zusammensetzung der Blutzellen nach Art und Anzahl, besonders genau im Differentialblutbild
Mutation
Veränderung der Abfolge von Bausteinen im Erbgut (DNS). Mutationen können zu Änderung oder Verlust der Funktion von Genen führen und damit das Verhalten von Zellen beeinflussen (lat. mutatio Veränderung, Wechsel)
Gen
Informationseinheit des Erbgutes, enthält meist den Bauplan für ein Protein. Die Gene liegen im Zellkern in Form von DNS vor.
Gen
Informationseinheit des Erbgutes, enthält meist den Bauplan für ein Protein. Die Gene liegen im Zellkern in Form von DNS vor.
TKI
Tyrosinkinaseinhibitor / Tyrosinkinasehemmer sind neuartige Medikamenten-Wirkstoffe, die bisher vor allem bei Tumorerkrankungen zum Einsatz kommen. Tyrosinkinasen spielen eine Schlüsselrolle bei der Entstehung von Tumorerkrankungen, da sie daueraktiviert zu einer ungebremsten Zellteilung und damit zu einem unkontrollierten Tumorwachstum führen. Die neuartigen Hemmstoffe blockieren diesen Mechanismus.