- Published on 20.07.2010, 15:37
- Von Heide
Die neue Standardtherapie bei
Philadelphia-Chromosom-positiver (Ph+)
akuter lymphatischer Leukämie (ALL) besteht aus dem
Tyrosinkinase-Hemmer
Imatinib plus
Chemotherapie. Da es häufig zu Rezidiven kommt, ist eine Rettungstherapie erforderlich. Dafür steht seit Kurzem der
Tyrosinkinase-Hemmer
Dasatinib zur Verfügung.
Obwohl 65 bis 70 Prozent der Ph+-ALL-Patienten (
akute lymphatische Leukämie) unter heutiger Standardtherapie zunächst Leukämie-frei werden, kommt es oft rasch zu Rezidiven. Grund dafür sind meistens
Mutationen des Krebs auslösenden Fusionsgens
BCR-ABL.
Das
Gen enthält den Bauplan für eine abnorme
Tyrosinkinase, die von
Tyrosinkinase-Hemmern unter Umständen nicht mehr oder nur unvollständig blockiert wird. So betrage die Zeit bis zur
Progression der Krankheit derzeit durchschnittlich 2,3 Monate, sagte Professor Oliver G. Ottmann aus Frankfurt am Main.
Behandle man in dieser Situation mit
Dasatinib (Sprycel), sei bei 50 Prozent der Patienten mit einem Ansprechen zu rechnen, so Ottmann bei einer Pressekonferenz des Unternehmens Bristol-Myers Squibb in Frankfurt am Main. Dies gehe aus einer Studie mit 35 Patienten hervor, die meist
resistent gegen
Imatinib waren oder die dieses Medikament nicht vertrugen.
Bei 40 Prozent der Studienteilnehmer war bei einer Therapie mit insgesamt 140 mg
Dasatinib täglich eine komplette
Remission erzielt worden. Das heißt, die Leukämie-Zellen waren nicht mehr nachweisbar. Die Remissionsdauer betrug im Durchschnitt knapp 200 Tage, das Gesamtüberleben ein Dreivierteljahr.
Ottmann kündigte darüber hinaus auf der Veranstaltung an, dass ein europäisches Therapieprotokoll mit
Dasatinib plus
Chemotherapie in der Erstlinien-Behandlung geplant ist. Teilnehmen sollen ältere Patienten mit Ph+-ALL oder solche ALL-Patienten mit ausgeprägter
Komorbidität, bei denen eine
Knochenmarktransplantation nicht möglich ist.
Studiendesign
Die Studie mit
Dasatinib ist eine offene Phase-II-Studie (2 Teilstudien) mit 35 Ph+-ALL-Patienten, die zum Teil mehrere Rezidive im Verlauf der Erkrankung sowie vor Studienbeginn erneut ein ALL-
Rezidiv haben.
Dosierung: Die Patienten erhielten entweder zweimal 70 mg
Dasatinib täglich oder
randomisiert zweimal 70 mg
Dasatinib versus einmal 140 mg
Dasatinib täglich.
Ergebnis: Bei 40 Prozent der Patienten wurde mit insgesamt 140 mg
Dasatinib pro Tag eine komplette
Remission erzielt.
Quelle: Ärzte Zeitung vom 05.03.2007 Knochenmarktransplantation
Bei der Knochenmarktransplantation werden einem Empfänger CD34-positive hämatopoetische Stammzellen, entweder eines Spenders (allogen) oder seine eigenen, zuvor entnommenen (autolog), transplantiert.
Philadelphia-Chromosom
Charakteristisches Merkmal der chronisch myeloischen Leukämie. Die Chromosomenmutation entsteht durch Transfer des Hauptteils des langen Arms von Chromosom 9 nach Chromosom 22 (= Translokation).
Transplantation
Übertragung von Gewebe. Für die Transplantation können eigene Zellen autologe T. oder fremde Zellen allogene T. verwandt werden.
Chemotherapie
Wird häufig mit Zytostatikabehandlung gleichgesetzt. Unter Chemotherapie versteht man aber auch die Behandlung mit Antibiotika. Zytostatika sind Medikamente, die die Zellvermehrung oder das Zellwachstum hemmen.
Komorbidität
Das Vorkommen von zwei oder mehr diagnostisch zu unterscheidenden Krankheiten bei einem Patienten, wobei die eine Krankheit ursächlich nichts mit den anderen zu tun haben muss.
Tyrosinkinase
Enzym, das das Wachstum von Leukämiezellen anregt und therapeutisch durch Tyrosinkinase-Hemmer (Tyrosinkinase-Inhibitoren) gehemmt werden kann.
Knochenmark
Das Innere der großen Knochen - vor allem des Hüftknochens und des Oberschenkels. Dort werden die Blut- und Immunzellen gebildet. Das Knochenmark bildet sich ständig neu.
Progression
Das Fortschreiten einer Krebserkrankung
Morbidität
Krankheitshäufigkeit
Remission
Vorübergehende oder dauerhafte Rückbildung von Krankheitszeichen. Bei Krebs: Partielle Remission = teilweises Verschwinden oder Verkleinerung von Krebszellen, komplette Remission = keine Krebszellen nachweisbar
Dasatinib
Handelsname Sprycel, Laborname BMS-354825, hemmt u.a. die BCR-ABL- und SRC-Tyrosinkinasen. Zugelassen in der EU seit 2006 für die Behandlung von CML und Ph+ALL.
Protokoll
Gebräuchlicher Ausdruck für ein Behandlungsschema; bei klinischen Studien auch Prüfplan genannt
Mutation
Veränderung der Abfolge von Bausteinen im Erbgut (DNS). Mutationen können zu Änderung oder Verlust der Funktion von Genen führen und damit das Verhalten von Zellen beeinflussen (lat. mutatio Veränderung, Wechsel)
Imatinib
Imatinib, Handelsname Glivec/Gleevec, Laborname STI-571, ein BCR-ABL-Tyrosinkinasehemmer der ersten Generation. Zugelassen seit Jahr 2002 für die Behandlung der CML und Ph-positiven ALL.
Rezidiv
Neuauftreten akuter Krankheitszeichen, Rückfall nach einer Remission
BCR-ABL
BCR-ABL ist ein Fusionsgen auf Chromosom 22. Das Chromosom mit diesem Gen wird als Philadelphia-Chromosom bezeichnet. Es kommt bei fast 95 Prozent der Patienten mit CML (Chronisch Myeloischer Leukämie) vor. Das Gen ABLim Fusionsgen enthält den Bauplan für ein Enzym, eine Tyrosinkinase. Dieses Enzym ist wesentlich an der Übertragung von Signalen beteiligt, die für die Regulation des Zellwachstums und der Zelldifferenzierung erforderlich sind. Durch die Fusion der beiden Gene wird das Tyrosinkinase-Gen aktiviert. Die Folge: Zellen mit diesem Gen vermehren sich unkontrolliert. Das molekulare Ereignis wird als Hauptursache für die Entstehung der CML angesehen.
akut
plötzlich einsetzend, heftig, von kurzer Dauer
Gen
Informationseinheit des Erbgutes, enthält meist den Bauplan für ein Protein. Die Gene liegen im Zellkern in Form von DNS vor.
Ras
Ras ist ein G-Protein, das nach Aktivierung durch Wachstumsfaktoren mit Tyrosinaseaktivität GTP bindet und damit die Signaltransduktionskaskade weiterleitet.
CHR
Komplette hämatologische Remission (complete haematologic response).
BID
zweimal täglich (lat. BID = bis in die)
Philadelphia-Chromosom
Charakteristisches Merkmal der chronisch myeloischen Leukämie. Die Chromosomenmutation entsteht durch Transfer des Hauptteils des langen Arms von Chromosom 9 nach Chromosom 22 (= Translokation).
Randomisierung
Patienten mit einem oder mehreren gleichen Charakteristika (z.B. gleiche Erkrankung, Krankheitsstadium, Geschlecht, Alter) werden nach einem Zufallsverfahren in verschiedene Behandlungsgruppen (Arme der Studie) eingeteilt. Jede Gruppe erhält eine unterschiedliche Behandlung. Das Zufallsverfahren ist erforderlich, um die Ergebnisse bzw. Ansprechraten möglichst objektiv zwischen mehreren gleichartigen Gruppen vergleichen zu können.
Lymphatisches
Gesamtheit der lymphatischen Gewebe wie Lymphknoten, Milz, Thymus, Mandeln, anatomische Grundlage des Immunsystems
Lymphatisches
Gesamtheit der lymphatischen Gewebe wie Lymphknoten, Milz, Thymus, Mandeln, anatomische Grundlage des Immunsystems
Chromosomen
Träger des Erbguts im Zellkern. Sie enthalten die riesigen Kettenmoleküle der DNA kompakt verdrillt und gefaltet als Aggregate mit speziellen Proteinen. Die Chromosomen dienen unter anderem bei der Zellteilung der gleichen Verteilung des Erbguts auf die Tochterzellen. Die normalen menschlichen Körperzellen haben 46 Chromosomen. Bei Krebszellen kann die Zahl und/oder Struktur der Chromosomen verändert sein.
Resistenz
Unempfindlichkeit gegenüber einer Behandlung, z.B. von Krebszellen gegen eine Therapie
Protokoll
Gebräuchlicher Ausdruck für ein Behandlungsschema; bei klinischen Studien auch Prüfplan genannt
Mutation
Veränderung der Abfolge von Bausteinen im Erbgut (DNS). Mutationen können zu Änderung oder Verlust der Funktion von Genen führen und damit das Verhalten von Zellen beeinflussen (lat. mutatio Veränderung, Wechsel)
akut
plötzlich einsetzend, heftig, von kurzer Dauer
akut
plötzlich einsetzend, heftig, von kurzer Dauer
Gen
Informationseinheit des Erbgutes, enthält meist den Bauplan für ein Protein. Die Gene liegen im Zellkern in Form von DNS vor.
TKI
Tyrosinkinaseinhibitor / Tyrosinkinasehemmer sind neuartige Medikamenten-Wirkstoffe, die bisher vor allem bei Tumorerkrankungen zum Einsatz kommen. Tyrosinkinasen spielen eine Schlüsselrolle bei der Entstehung von Tumorerkrankungen, da sie daueraktiviert zu einer ungebremsten Zellteilung und damit zu einem unkontrollierten Tumorwachstum führen. Die neuartigen Hemmstoffe blockieren diesen Mechanismus.