Akute Promyelozytenleukämie: Akute Leukämie erstmals ohne Chemotherapie heilbar

Die meisten Patienten mit akuter Promyelozytenleukämie (APL) und Standardrisiko (circa drei Viertel) können mit all-trans-Retinsäure (ATRA) in Kombination mit Anthrazyklinen oder hochdosiertem Cytarabin geheilt werden. Diese Therapien erzielen 90–95 %Komplettremissionen bei weniger als 10 % Rezidiven, aber häufiger Myelosuppression und 5–10 % Todesfällen in kompletter Remission. Arsentrioxid (ATO) ist bisher nur zur Rezidivtherapie zugelassen, hat sich aber auch zur Konsolidierung nach Erstlinientherapie mit ATRA bewährt. Die APL mit Standardrisiko bereits initial nur mit ATRA und ATO, also ohne Chemotherapie zu behandeln, war nach einer Phase-I-Studie mit einer 5-Jahres-Überlebensrate von 86 % erfolgversprechend.

Die italienische GIMEMA-Studiengruppe überprüfte daraufhin zusammen mit zwei deutschen AMLStudiengruppen
dieses Konzept in einer randomisierten Phase-III-Studie bei 154 Patienten: Die Kombination aus ATRA und ATO als Induktions- und
Konsolidierungstherapie wurde mit der klassischen italienischen AIDA-Therapie (ATRA + Idarubicin) verglichen.

Nach der Induktionstherapie waren alle Patienten in der ATRA/ATO-Gruppe in kompletter Remission, im AIDA-Arm 95 %; hier waren außerdem vier Patienten während der Induktion gestorben. Hämatologische Grad-3/4-Toxizitäten in Form von Thrombozytopenien und Neutropenien waren unter ATRA/ATO vor allem in der Konsolidierungsphase wesentlich seltener, hepatische Toxizitäten und QTc-Streckenverlängerungen hingegen häufiger, aber durch vorübergehendes Absetzen der Therapie beherrschbar. Signifikant überlegen war ATRA/ATO nach zwei Jahren nicht nur
beim primären Endpunkt ereignisfreies Überleben (97,1 % vs. 85,6 %; p = 0,02), sondern auch beim Gesamtüberleben (98,7 % vs. 91,1 %; p = 0,02); Rezidive hatten 1,5 % der Patienten in der ATRA/ATO- und 5,6 % in der Kontrollgruppe erlitten.


Fazit: ATRA-ATO ist damit dem AIDA-Regime zumindest gleichwertig, bei deutlich reduzierter Hämatotoxizität. Würden die Ergebnisse bestätigt, sagte Prof. Dr. med. Wolfgang Hiddemann, München, so könne dieses Regime ein neuer Standard in der Erstlinientherapie der APL mit niedrigem oder intermediärem Risiko werden. ATO sei aber zur Primärtherapie nicht zugelassen. Es bedürfe daher im Einzelfall einer
Rückfrage beim jeweiligen Kostenträger, ob Kosten für diese Therapie in der Erstbehandlung erstattet werden.

Deutsches Ärzteblatt vom 03.09.2013