- Published on 28.07.2010, 15:59
- Von Jan Geissler
Am 13. März wurden im New England Journal of Medicine die 18-Monats-Daten der
IRIS-Studie veröffentlicht. In der
IRIS-Studie (Internationale
Randomisierte Studie mit
Interferon im Vergleich zu STI571) wird
Glivec und eine konventionelle
Interferon-Alpha-Therapie (in Kombination mit AraC) bei 1106 CML-Patienten in 16 Ländern direkt verglichen. Kriterien der Bewertung waren hierbei hämatologisches und zytogenetisches Ansprechen, Nebenwirkungen und Progressionsraten. Mit den nun veröffentlichten Daten liegen nun neuere Erkenntnisse der Studie vor, deren 12-Monats-Ergebnisse Ende des vergangenen Jahres zur Entscheidung über die Zulassung von
Glivec als First-Line-Therapie geführt hatten.
Die vorliegenden Daten belegen, dass die 553 mit
Glivec behandelten Patienten im bisherigen Beobachtungszeitraum ein signifikant besseres zytogenetisches Ansprechen und eine erheblich bessere
Prognose als die 553 zunächst mit einer konventionellen
Interferon-Kombination (
IFN/AraC) behandelten Patienten haben.
Teilnahmevoraussetzungen für die Studie war ein Alter zwischen 18 und 70 Jahren bei Vorhandensein einer
Philadelphia-Chromosom-positiven CML in
chronischer Phase. Die Diagnose durfte maximal 6 Monate zurückliegen und es durfte keine Vorbehandlung außer mit Hydroxyurea (Litalir/Syrea) oder Anagrelide stattgefunden haben. Die Zuteilung zu den jeweiligen
Armen erfolgte zwischen Juni 2000 und Januar 2001 nach dem Zufallsprinzip (
Randomisierung). Ein Wechsel (Cross-Over) in die jeweils andere Gruppe ist bei Therapieversagen oder Unverträglichkeit möglich. Der geplante durchschnittliche Beobachtungszeitraum der
IRIS-Studie soll 5,25 Jahre betragen.
Bei 73,8% der initial mit
Glivec behandelten Patienten wurde nach 18 Monaten eine
vollständige zytogenetische Remission dokumentiert, während dies unter
Interferon 8,5% der Patienten erreichten. Ein größeres zytogenetisches Ansprechen (bis zu 35%
Philadelphia-Chromosom-positive Zellen) wurde unter
Glivec in 85,2% der Fälle dokumentiert, in der
Interferon-Gruppe bei 22,1%. Nach 18 Monaten waren 92,1% der Patienten unter
Glivec und 73,5% der Patienten unter
IFN/AraC progressionsfrei, d.h. ohne Übergang in fortgeschrittene CML-Stadien, Tod, Verlust von größerem zytogenetischen Ansprechen oder komplettem hämatologischen Ansprechen. In allen Risikogruppen nach dem
Sokal-Score war damit
Glivec der
Interferon-Kombinationstherapie überlegen.
Durchschnittlich wurden den
Glivec-Patienten 400mg täglich verabreicht. Die
IFN/AraC-Patienten erhielten durchschnittlich täglich 4,8 Mio Einheiten
Interferon (0,6 ME bis 11,3 ME); 28,8% der Patienten in der
Interferon-Kombinationsgruppe erhielten niemals AraC. Patienten, die unter
Glivec nicht innerhalb der ersten 3 Monaten ein komplettes hämatologisches Ansprechen oder innerhalb von 12 Monaten zumindest ein kleineres zytogenetisches Ansprechen (36% bis 65% Ph-positive Zellen) erreichten, konnte die Dosis bei Abwesenheit entsprechender Nebenwirkungen auf zweimal 400mg täglich erhöht werden. Für
IFN+AraC-Patienten, die diese Ziele nicht erreichten, wurde bei bei Gabe der maximal tolerierbaren Dosis
Interferon eine Erhöhung der AraC-Dosis durchgeführt.
Gleichzeitig bewerteten die von
IFN/AraC auf
Glivec gewechselten Patienten wie auch die
Interferon-Patienten ihre Lebensqualität erheblich besser als unter der
Interferon-Therapie. Die Nebenwirkungen unter
Glivec-Therapie waren meist mild (
Grad 1) oder moderat (
Grad 2), darunter häufigst Ödeme, Übelkeit, Muskelkrämpfe und Hautausschläge. Nur selten traten in dieser Gruppe schwere Nebenwirkungen (
Grad 3/4) auf. Bei der
IFN/AraC-Kombination waren diese häufiger: Ermüdung, Depressionen, Muskelschmerzen, Gelenkschmerzen,
Neutropenie und
Thrombozytopenie. Insgesamt 14,3% der
Glivec-Patienten und 89,2% der
IFN/AraC-Patienten brachen die Behandlung ab oder wechselten in den jeweils anderen Therapiearm (Cross-Over), d.h. nach 18 Monaten wurden nur noch 10,8% der Patienten mit der
IFN/AraC-Kombinationstherapie behandelt. 4,7% der Patienten in der Studie führten nach anfänglicher Studienteilnahme eine
Transplantation durch; die geringe Zahl von Patienten läßt aber keine Rückschlüsse auf die Erfolgchancen einer
Transplantation nach
Glivec zu.
Die Studie soll für mindestens fünf Jahre fortgeführt werden und wird folglich ermöglichen, langfristig die Verträglichkeit und Dauerhaftigkeit der
Glivec-Therapie festzustellen. Aufgrund der hohen Rate kompletten zytogenetischen Ansprechens und dem frühem Nachweis einer Verzögerung des Fortschreitens der Krankheit in die
akzelerierte Phase oder
Blastenkrise glauben die Autoren der Studie bereits heute, dass die Therapie mit
Glivec das langfristige Überleben erheblich verbessern könnte. Zudem vergleichen laufende und kommende Studien verschiedene Dosierungen einer
Glivec-
Monotherapie mit einer Kombination von
Glivec mit anderen Wirkstoffen.
Übersetzung & Zusammenfassung aus dem Englischen von
Jan,
Quelle: New England Journal of Medicine 348;11 vom 13.3.2003, S. 994ff: 'Imatinib Compared with Interferon and Low-Dose Cytarabine for Newly Diagnosed Chronic-Phase Chronic Myeloid Leukemia', Autoren: Stephen G.O'Brien, M.D.,Ph.D., François Guilhot, M.D.,Richard A.Larson,M.D., Insa Gathmann, M.Sc., Michele Baccarani, M.D., Francisco Cervantes,M.D., Jan J.Cornelissen,M.D., Thomas Fischer,M.D., Andreas Hochhaus,M.D., Timothy Hughes,M.D., Klaus Lechner,M.D., Johan L.Nielsen,M.D., Philippe Rousselot,M.D., Josy Reiffers,M.D., Giuseppe Saglio,M.D., John Shepherd,M.D., Bengt Simonsson,M.D., Alois Gratwohl,M.D., John M.Goldman,D.M., Hagop Kantarjian,M.D., Kerry Taylor,M.D., Gregor Verhoef,M.D., Ann E.Bolton,B.Sc.N., Renaud Capdeville,M.D. und Brian J.Druker,M.D.
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Vollständige zytogenetische Remission
Vollständige Normalisierung des Blutbilds. Unreife weiße Blutkörperchen sind nicht mehr nachweisbar. Eine möglicherweise zuvor vergrößerte Milz hat ihre Normalgröße wieder erreicht.
Philadelphia-Chromosom
Charakteristisches Merkmal der chronisch myeloischen Leukämie. Die Chromosomenmutation entsteht durch Transfer des Hauptteils des langen Arms von Chromosom 9 nach Chromosom 22 (= Translokation).
Thrombozytopenie
Mangel an Blutplättchen (Thrombozyten), kann eine Blutungsneigung mit kleinfleckigen Blutungen in Haut und Schleimhäuten oder in Organen hervorrufen
Transplantation
Übertragung von Gewebe. Für die Transplantation können eigene Zellen autologe T. oder fremde Zellen allogene T. verwandt werden.
hämatologisch
das Blut bzw. die Blutbildung betreffend
Randomisierung
Patienten mit einem oder mehreren gleichen Charakteristika (z.B. gleiche Erkrankung, Krankheitsstadium, Geschlecht, Alter) werden nach einem Zufallsverfahren in verschiedene Behandlungsgruppen (Arme der Studie) eingeteilt. Jede Gruppe erhält eine unterschiedliche Behandlung. Das Zufallsverfahren ist erforderlich, um die Ergebnisse bzw. Ansprechraten möglichst objektiv zwischen mehreren gleichartigen Gruppen vergleichen zu können.
Monotherapie
Behandlung mit nur einem Medikament
Nebenwirkung
Unerwünschte Begleiteffekte einer Therapie, besonders bei Chemotherapien begrenzen Nebenwirkungen die maximal verträgliche Dosis.
Blastenkrise
Die dritte Phase der Entwicklung von CML; sie entsteht nach der chronischen und akzelerierten Phase. Ihr Merkmal ist das Vorkommen einer zunehmenden Anzahl von unreifen Blutkörperchen („Blasten") im Blut oder Knochenmark.
Progression
Das Fortschreiten einer Krebserkrankung
Neutropenie
Verminderung der Anzahl neutrophiler Granulozyten im Blut - bestimmter weißer Blutzellen, die besonders für die Abwehr gegen Bakterien und Pilze wichtig sind
IRIS-Studie
Phase-III, in der Imatinib mit Interferon+AraC verglichen wurde, und die zur Marktzulassung von Imatinib führte. Viele der 1106 Patienten werden bis heute weiter in der Studie betreut, wodurch Langzeit-Sicherheitsdaten gesammelt werden. IRIS steht für International Randomized trial of Interferon/Ara-C versus STI571.
Sokal-Score
1984 eingeführtes System zur Schätzung der Prognose für Patienten mit CML. In den Score fließen Alter, Milzgröße, Thrombozyten und Blastenanteil ein. Der Score wurde für Patienten entwickelt, die mit Chemotherapie beziehungsweise mit Interferon α behandelt wurden. Seitdem ist mit der Einführung der Tyrosinkinaseinhibitoren ein großer Schritt nach vorn gelungen.
Interferon
Im Zusammenhang mit Leukämien üblicherweise Interferon-Alpha gemeint. Interferon (von engl. to interfere eingreifen, sich einmischen) ist ein Protein, das eine immunstimulierende und Tumorzellen angreifende Wirkung entfaltet. Es wird als körpereigenes Gewebshormon gebildet, v.a. von Leukozyten, Monozyten und Fibroblasten, kann aber auch als Medikament in körperunüblich hohen Dosen gegen Leukämien eingesetzt werden.
Remission
Vorübergehende oder dauerhafte Rückbildung von Krankheitszeichen. Bei Krebs: Partielle Remission = teilweises Verschwinden oder Verkleinerung von Krebszellen, komplette Remission = keine Krebszellen nachweisbar
chronisch
langanhaltend, sich langsam entwickelnd
Zytopenie
Zellzahlverminderung im Blut. Je nach dem, welcher Zelltyp verringert ist, spricht man auch von z.B. Leuko-, Granulo-, Lympho-, Mono-, Erythro- oder Thrombozytopenie.
Prognose
Wahrscheinliche zukünftige Entwicklung einer Erkrankung auf Basis der bestehenden Befunde
Imatinib
Imatinib, Handelsname Glivec/Gleevec, Laborname STI-571, ein BCR-ABL-Tyrosinkinasehemmer der ersten Generation. Zugelassen seit Jahr 2002 für die Behandlung der CML und Ph-positiven ALL.
Blasten
Unreife Zellen, z. B. Blutzellvorläufer im Blut oder Knochenmark
Ödeme
Wassersucht, Ansammlung von Wasser und zugehörigen Salzen im Gewebe.
Grad 1
geringe Nebenwirkungen.
Grad 2
Allgemeinbefinden verschlechtert, manchmal muss die Dosierung der Therapie verringert werden
Grad 3
starke Nebenwirkung, Unterbrechung der Therapie oftmals notwendig
Glivec
Imatinib wird unter dem Handelsnahmen Glivec (Hersteller Novartis) vertrieben.
Gen
Informationseinheit des Erbgutes, enthält meist den Bauplan für ein Protein. Die Gene liegen im Zellkern in Form von DNS vor.
RNA
Die Ribonukleinsäure (RNA) ist der kleine Bruder der DNA . Sie ist ein einzelsträngiges kettenförmiges Molekül, das aus DNA umgeschriebene Erbinformation eines einzigen Genes enthält, und im Plasma der Zellen in das Genprodukt (= Eiweißmolekül, Protein) umgeschrieben wird (Biosynthese).
CHR
Komplette hämatologische Remission (complete haematologic response).
Arm
= Behandlungsgruppe. Eine klinische Studie ist einarmig, wenn es nur eine Behandlungsgruppe und keine Kontrollgruppe gibt. In den meisten Studien gibt es zwei oder mehr Arme.
Vollständige zytogenetische Remission
Vollständige Normalisierung des Blutbilds. Unreife weiße Blutkörperchen sind nicht mehr nachweisbar. Eine möglicherweise zuvor vergrößerte Milz hat ihre Normalgröße wieder erreicht.
Chronische Phase
Die früheste Phase in der Entwicklung von CML
Chronische Phase
Die früheste Phase in der Entwicklung von CML
Randomisierung
Patienten mit einem oder mehreren gleichen Charakteristika (z.B. gleiche Erkrankung, Krankheitsstadium, Geschlecht, Alter) werden nach einem Zufallsverfahren in verschiedene Behandlungsgruppen (Arme der Studie) eingeteilt. Jede Gruppe erhält eine unterschiedliche Behandlung. Das Zufallsverfahren ist erforderlich, um die Ergebnisse bzw. Ansprechraten möglichst objektiv zwischen mehreren gleichartigen Gruppen vergleichen zu können.
Randomisierung
Patienten mit einem oder mehreren gleichen Charakteristika (z.B. gleiche Erkrankung, Krankheitsstadium, Geschlecht, Alter) werden nach einem Zufallsverfahren in verschiedene Behandlungsgruppen (Arme der Studie) eingeteilt. Jede Gruppe erhält eine unterschiedliche Behandlung. Das Zufallsverfahren ist erforderlich, um die Ergebnisse bzw. Ansprechraten möglichst objektiv zwischen mehreren gleichartigen Gruppen vergleichen zu können.
Chromosomen
Träger des Erbguts im Zellkern. Sie enthalten die riesigen Kettenmoleküle der DNA kompakt verdrillt und gefaltet als Aggregate mit speziellen Proteinen. Die Chromosomen dienen unter anderem bei der Zellteilung der gleichen Verteilung des Erbguts auf die Tochterzellen. Die normalen menschlichen Körperzellen haben 46 Chromosomen. Bei Krebszellen kann die Zahl und/oder Struktur der Chromosomen verändert sein.
chronisch
langanhaltend, sich langsam entwickelnd
chronisch
langanhaltend, sich langsam entwickelnd
Ödeme
Wassersucht, Ansammlung von Wasser und zugehörigen Salzen im Gewebe.
Gen
Informationseinheit des Erbgutes, enthält meist den Bauplan für ein Protein. Die Gene liegen im Zellkern in Form von DNS vor.
Gen
Informationseinheit des Erbgutes, enthält meist den Bauplan für ein Protein. Die Gene liegen im Zellkern in Form von DNS vor.
Arm
= Behandlungsgruppe. Eine klinische Studie ist einarmig, wenn es nur eine Behandlungsgruppe und keine Kontrollgruppe gibt. In den meisten Studien gibt es zwei oder mehr Arme.
Arm
= Behandlungsgruppe. Eine klinische Studie ist einarmig, wenn es nur eine Behandlungsgruppe und keine Kontrollgruppe gibt. In den meisten Studien gibt es zwei oder mehr Arme.