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Das Zytokin Interferon-alpha stimuliert Umsatz und Vermehrung von hämatopoetischen Stammzellen im menschlichen Körper. Neue Untersuchungen ergeben Hinweise auf eine neue Strategie zur Behandlungen von Krebserkrankungen des blutbildenden Systems, unter anderem auch bei CML im Zusammenhang mit von anderen Therapien nicht erreichten schlafenden Stammzellen. Dies berichtet ein aktueller Artikel in "Nature Magazine".

Im Gleichgewicht unterhalten komplexe Regelungsmechanismen die laufende Produktion aller Blutzellarten. Während dieses Prozesses teilen sich sehr wenige blutbildende Stammzellen aktiv, während die meisten schlafend im Knochenmark bleiben. Als Antwort auf eine Verletzung des blutbildenden Systems, z.B. durch Bestrahlung oder Chemotherapie, können Blutstammzellen zeitweilig aus ihrem ruhenden Zustand aufwachen und einen grösseren Vorrat von Vorläuferzellen erzeugen. Auf diese Weise wird die Produktion der benötigten reifen Blutzellen erhöht. Einige der Proteine, die die Auswahl zwischen Ruhen und Proliferation regulieren, sind bereits identifiziert worden.

Zwei kürzlich veröffentliche Studien, eine in "Nature" und die andere in dieser Ausgabe von "Nature Medicine", verlängern jetzt diese kurze Liste von aktive beteiligten Proteinen. Die Untersuchungen zeigen, dass das Zytokin Interferon alpha den Umsatz und die Vermehrung von Blutstammzellen im Körper stimuliert. IFN-alpha ist ein bedeutenden Immunmodulator, dessen Einfluss auf die Funktion von Blutstammzellen bisher nicht bekannt war. Dieser Rückkopplungsmechanismus zwischen Immunsystem und der Spitze der Hierarchie der Blutzellen könnte zu einer neuen Strategie für das Leukämiemanagement führen.

Typ-I-Interferone (IFN-alpha und IFN-beta) werden von einer Reihe von Immun- und Nicht-Immunzellen als Antwort auf mikrobielle Infektionen oder die Erkennung von Tumorzellen produziert. Durch Kopplung an ihre Rezeptoren induzieren Typ-I Interferone einen Satz von Genen, der die virale Vervielfältigung hemmt und von infizierten Zellen reinigt. Rekombinante Typ-I-Interferone wurden wegen ihrer Fähigkeit klinisch verwendet, um virale Infektionen, Tumoren, myeloproliferative Erkrankungen, hämatopoetische Neoplasien und Autoimmunerkrankungen wie Multiple Sklerose zu behandeln. Für die meisten dieser Erkrankungen sind die Wirkmechanismen und die genauen zellulären Ziele noch weitgehend unbekannt, aber die IFN-alpha-Behandlung von Tumorzellen ergibt üblicherweise einen Wachstumsstop durch die Aktivierung negativer Proliferationsregulatoren wie p53.

Jetzt berichten Essers et al. und Sato et al. über eine neue Rolle für IFN-Signale in den einfachsten Zellen des blutbildenden Systems. Beide Gruppen kommen ausgehen von sehr unterschiedlichen Beobachtungen zu ähnlichen Schlussfolgerungen. Im Verlauf der Benutzung eines für die Untersuchung von Blutstammzell-Funktionen üblichen Mausmodelles haben Essers et al. gefunden, dass hohe IFN-alpha-Spiegel die Blutstammzell-Proliferation auslösen. Sato et al. haben Immunmodulierende Effekte von IFN-alpha und anderer Zytokine auf Immunhelferzellen untersucht und dabei entdeckt, dass Mäuse, denen eine Komponente des IFN-Signalwegs fehlt, ein unerwartetes Ungleichgewicht in der Vermehrung innerhalb des Blutstammzellen-Vorrates zeigen. Beide Gruppen haben ihre Beobachtungen auf einen direkten Effekt von IFN-alpha auf den Vermehrungsstatus von Blutstammzellen zurückgeführt.

Sato et al. haben Mäuse untersucht, denen genetisch ein negativer Regulator für Typ1 Interferon-Signalwege fehlt, Interferon Response Factor 2 (IRF2). Die Forscher entdeckten, dass diese Mäuse höhere Anteile von Blutstammzellen aufwiesen, die proliferativ waren anstatt zu schlafen, wie das in normalen Mäusen gefunden würde. Chronische Proliferation (Vermehrung) kann bestimmte Funktionen der Stammzellen beeinträchtigen, wie z.B. die Fähigkeit, das Knochenmark nach Bestrahlung neu zu besiedeln. Sato et al. fanden, dass die Mäuse mit IRF2-Mangel ihr Knochenmark nach Bestrahlung nicht neu besiedeln konnten, was darau hinweist, dass diese Zellpopulation nicht vollständig funktional war. Wie auch immer, wenn der Typ-I-IFN-Signalweg in den Blutstammzellen unterbrochen wurde, konnte die Fähigkeit, das Knochenmark zu besiedeln, in Zellen mit IRF2-Mangel wieder hergestellt werden. Diese Beobachtung deutet darauf hin, dass IRF2 normalerweise den IFN-Signalweg in Wildtyp-Blutstammzellen unterdrückt und damit die Zellen überwiegend in einem schlafenden Zustand hält.

Beide Gruppen fanden, dass hohe IFN-alpha-Spiegel Wildtyp-Blutstammzellen direkt aus dem Ruhezustand herausführt und vorübergehend im Körper proliferieren lassen. Weil die meisten Zelltypen ihre Proliferation in Antwort auf IFN-alpha einstellen, muss dieser Signalweg sich in Blutstammzellen fundamental unterscheiden. Signalisierung durch Typ I IFNs aktiviert einen Komplex, den "Interferon Stimulierter GenFaktor 3" (ISGF3), der aus einem Signalgeber und Aktivator der Transskription-1 (STAT1), STAT2 und IRF9 besteht. IRF2 fehlt die Domäne, die für die Interaktion mit STAT-Proteinen nötig ist, und behindert so die IFN-Signale und die IRF9-vermittelte Transskription. Essers et al. fanden, dass STAT1 für den IFN-alpha vermittelten Ausstieg aus dem Schlaf erforderlich ist, was darauf hinweist, dass dieser ungewöhliche Effekt von einer kanonischen IFN-Signalkomponente vermittelt wird. Wie IFN-alpha-Signale in HSCs im Unterschied zu anderen Zelltypen interpretiert werden, muss noch ermittelt werden.

Ein verbleibendes Geheimnis ist, warum ein wichtiges antivirales Signal die Blutstammzell-Aktivität und die Blutbildung beeinflussen sollte. Die induzierte Proliferation der Blutstammzellen könnte ein Mittel sein, die Immunzellen, die bei der Beseitigung von Viren umgesetzt wurden, zu ersetzen. Allerdings zeigen beide Gruppen, dass ein Ergebnis der gesteigerten Blutstammzell-Proliferation die reduzierte Produktion reifer Zellen ist. Deshalb ist es unwahrscheinlich, dass dieser Rückkopplungsmechanismus nur die Zellen an der Spitze der hämatopoetischen Hierarchie verstärken soll. Ein von beiden Gruppen noch nicht untersuchter Aspekt ist, ob die proliferierenden Blutstammzellen mobilisiert sind oder anders als nichtinduzierte Blutstammzellen verkehren. Frühere Untersuchungen haben illustriert, dass bakterielle Produkte, die Infektionen vortäuschen, die Abwanderung von Blutstammzellen in periphere Gewebe verursachen, wo sie an der Immunregulierung durch Differenzierung in Immunhelferzellen teilnehmen. Deshalb kann die durch IFN ausgelöste Blutstammzell-Proliferation dazu dienen, Immunhelferzellen aus im Umlauf befindlichen Blutstammzellen zu generieren, um sie schnell gegen Infektionen oder Tumorzellen einzusetzen.

Im Gegensatz zur Bedeutung dieses Rückkopplungssystemes für das blutbildende System ist die potenzielle klinische Bedeutung recht klar. IFN-alpha wurde lange in der Therapie gegen Krebs, insbesondere bei CML, wegen seiner wachstumshemmenden und immunmodulierenden Wirkung, verwendet. Die Entdeckung des proliferativen Effektes von IFN-alpha auf schlafenden Stammzellen stellt eine aufregende neue Interpretation neuester humaner Daten dar. Auffälligerweise zeigten eine handvoll Patienten, die zunächst mit IFN-alpha und dann mit Imatinib (einer molekularen, direkt gegen BCR-ABL, dem für CML charakteristischen Fusionsprotein, gerichtete Therapie) behandelt wurden, andauernde Remissionen, und vielleicht sogar Heilung nach Absetzen der Medikamente. Im Gegensatz dazu hatten Patienten, die eine Remission unter Imatinib ohne IFN-alpha erreichten, oft Rückfälle nach Absetzen der Imatinib-Therapie. Resistente CML-auslösende Zellen oder CML-Stammzellen, die durch ihren Ruhestatus vor der Beseitigung durch Imatinib geschützt werden, sind vermutlich für das Wiederauftreten der Erkrankung verantwortlich.

Die sich herausstellende Erklärungsmöglichkeit, stabile Remissionen in Patienten, die vorher mit IFN-alpha behandelt wurden, könnte sein, dass die Einwirkung von IFN-alpha die Stammzellen aus dem Ruhezustand zur Teilung/Vermehrung bringt, und diese so durch Imatinib-Behandlung verwundbar werden, anstatt geschützt zu bleiben.

Quelle: IFN-alpha wakes up sleeping hematopoietic stem cells, Emmanuelle Passegue & Patricia Ernst, Volume 15, number 6, june 2009, nature medicine. Übersetzung durch Niko, ohne Anspruch auf Vollständigkeit und Richtigkeit.

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