Das Leukämie-Medikament Ponatinib (Handelsname Iclusig) bleibt in Europa im Verkehr, obwohl es unter der Therapie mit dem Tyrosinkinase-Hemmer offenbar häufiger zu Herzinfarkten und Schlaganfällen kommt als bislang angenommen. Der Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Arzneimittelsicherheit der Europäischen Arzneimittel-Agentur EMA sprach sich, anders als zuvor die US-Arzneibehörde FDA, dafür aus, den Vertrieb in Europa nicht ruhen zu lassen.
Der Hersteller Ariad hatte Anfang Oktober die Ponatinib-Erstlinienstudie EPIC abgebrochen und alle anderen Ponatinib-Studien vorläufig unterbrochen, nachdem es zu vermehrten Zwischenfällen mit Thrombosen und Herzinfarkten gekommen war. Am 31.10.2013 hatte die amerikanische Arzneimittelbehörde FDA den Hersteller gebeten, die Vermarktung des Medikaments in den USA vorläufig auszusetzen. Ein Direktbezug beim Hersteller ist in den USA über spezifische Programme allerdings weiter möglich.
Der Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Arzneimittelsicherheit (Pharmacovigilance Risk Assessment Committee, PRAC) der Europäischen Behörde EMA hob allerdings hervor, dass der Tyrosinkinase-Hemmer, der seit Juli 2013 in Europa zur Behandlung der chronischen myeloischen Leukämie (CML) und der BCR-ABL-positiven akuten lymphatischen Leukämie (Ph+ALL) zugelassen ist, nur angewendet werden, wenn andere TKIs der ersten Generation (Imatinib) oder der zweiten Generation (Dasatinib, Nilotinib) nicht wirksam sind oder nicht vertragen wurden, oder die T315I-Mutation nachgewiesen wird.
Die Bildung von Blutgerinnseln, die einen Herzinfarkt oder Schlaganfall auslösen können, ist eine bekannte mögliche Nebenwirkung des Arzneimittels. Bei fast der Hälfte der Patienten der Phase-II-Studie PACE, in die stark vorbehandelte CML-Patienten aufgenommen wurden, zeigten irendeine Art von gefäßbezogenen Nebenwirkungen, worunter sowohl schwerwiegende wie Herzinfarkte, Schlaganfälle und Thrombosen als auch leichte wie Kälteempfinden an den Extremitäten, Raynaud-Syndrom oder Brustschmerzen zusammengefasst wurden. Sehr schwerwiegende Gefäßnebenwirkungen zeigten in dene neuesten Daten der PACE-Studie 11% bzw. inklusive Thrombosen 15% der Patienten. Von 530 Patienten der Studie verstarben 14 an Gefäßerkrankungen. Andererseits zeigte die Phase-II-Studie sehr gute Ansprechraten bei stark vorbehandelten, teilweise multiresistenten Patienten ohne Behandlungsalternative.
Das PRAC der EMA sieht vorerst keinen Grund, die Zulassung von Ponatinib einzuschränken. Die Fachinformationen sollen allerdings mit stärkeren Warnhinweisen versehen werden und Ärzte sollen Patienten eine vorbestehende Therapie möglicher Herz- oder Gefäßerkrankungen optimieren. Darüber hinaus soll das Nutzen-Risiko-Profil des Wirkstoffs in einem gesonderten Verfahren neu bewertet werden. Eine Entscheidung hierzu wird Mitte November der Ausschuss für Humanmedizinprodukte (Committee for Medicinal Products for Human Use, CHMP) treffen.
Die Marktrücknahme von Ponatinib in den USA nach einer entsprechenden Entscheidung der US-Zulassungsbehörde war auf Kritik von Ärzten und Patientenvertretern gestoßen, da die Behandlung für manche Patienten mit bestimmten Resistenzen alternativlos ist.
Die Fachwelt diskutiert währenddessen über die Entstehungsgründe dieser Nebenwirkungen, beispielsweise ob vermehrt Patienten mit bestimmten Gefäß- oder Herzvorerkrankungen betroffen sind, oder ob niedrigere Dosen des Medikaments die Nebenwirkungen vermeiden könnten, ohne dabei die Wirkung deutlich zu beeinträchtigen. Aktuell werden rückwirkend die Umstände der Patienten mit schwerwiegenden Nebenwirkungen überprüft, um daraus abzuleiten, bei welchen Patienten Ponatinib ein angemessenes Risiko-Nutzen-Profil haben könnte.
Verwendete Quellen (Deutsch)
Verwendete Quellen (Englisch)
Tyrosinkinase
Enzym, das das Wachstum von Leukämiezellen anregt und therapeutisch durch Tyrosinkinase-Hemmer (Tyrosinkinase-Inhibitoren) gehemmt werden kann.
Ansprechrate
Prozentualer Anteil der Patienten, bei denen die Erkrankung sich durch eine bestimmte Behandlung zurückbildet
Nebenwirkung
Unerwünschte Begleiteffekte einer Therapie, besonders bei Chemotherapien begrenzen Nebenwirkungen die maximal verträgliche Dosis.
chronisch
langanhaltend, sich langsam entwickelnd
myeloisch
das Knochenmark betreffend. Im engeren Sinne die Bildung von bestimmten weißen Blutzellen, den Granulozyten, im Knochenmark betreffend
Resistenz
Unempfindlichkeit gegenüber einer Behandlung, z.B. von Krebszellen gegen eine Therapie
Dasatinib
Handelsname Sprycel, Laborname BMS-354825, hemmt u.a. die BCR-ABL- und SRC-Tyrosinkinasen. Zugelassen in der EU seit 2006 für die Behandlung von CML und Ph+ALL.
Nilotinib
Nilotinib, Handelsname Tasigna, Laborname AMN107, hemmt u.a. die BCR-ABL-Tyrosinkinase. Zugelassen in der EU seit 2007 für die Behandlung der CML und Ph+ALL.
Ponatinib
Ponatinib (Entwicklungsname AP24534, Handelsname Iclusig), ein Tyrosinkinaseinhibitor der dritten Generation
Mutation
Veränderung der Abfolge von Bausteinen im Erbgut (DNS). Mutationen können zu Änderung oder Verlust der Funktion von Genen führen und damit das Verhalten von Zellen beeinflussen (lat. mutatio Veränderung, Wechsel)
Imatinib
Imatinib, Handelsname Glivec/Gleevec, Laborname STI-571, ein BCR-ABL-Tyrosinkinasehemmer der ersten Generation. Zugelassen seit Jahr 2002 für die Behandlung der CML und Ph-positiven ALL.
BCR-ABL
BCR-ABL ist ein Fusionsgen auf Chromosom 22. Das Chromosom mit diesem Gen wird als Philadelphia-Chromosom bezeichnet. Es kommt bei fast 95 Prozent der Patienten mit CML (Chronisch Myeloischer Leukämie) vor. Das Gen ABLim Fusionsgen enthält den Bauplan für ein Enzym, eine Tyrosinkinase. Dieses Enzym ist wesentlich an der Übertragung von Signalen beteiligt, die für die Regulation des Zellwachstums und der Zelldifferenzierung erforderlich sind. Durch die Fusion der beiden Gene wird das Tyrosinkinase-Gen aktiviert. Die Folge: Zellen mit diesem Gen vermehren sich unkontrolliert. Das molekulare Ereignis wird als Hauptursache für die Entstehung der CML angesehen.
T315I
Die T315I-Mutation ist eine Punktmutation, bei der an Position 944 des ABL-Gens Cytosin gegen Thymin ersetzt wird. Dadurch wird im kodierten Protein die Aminosäure Threonin gegen Isoleucin ausgetauscht.
akut
plötzlich einsetzend, heftig, von kurzer Dauer
Gen
Informationseinheit des Erbgutes, enthält meist den Bauplan für ein Protein. Die Gene liegen im Zellkern in Form von DNS vor.
RNA
Die Ribonukleinsäure (RNA) ist der kleine Bruder der DNA . Sie ist ein einzelsträngiges kettenförmiges Molekül, das aus DNA umgeschriebene Erbinformation eines einzigen Genes enthält, und im Plasma der Zellen in das Genprodukt (= Eiweißmolekül, Protein) umgeschrieben wird (Biosynthese).
TKI
Tyrosinkinaseinhibitor / Tyrosinkinasehemmer sind neuartige Medikamenten-Wirkstoffe, die bisher vor allem bei Tumorerkrankungen zum Einsatz kommen. Tyrosinkinasen spielen eine Schlüsselrolle bei der Entstehung von Tumorerkrankungen, da sie daueraktiviert zu einer ungebremsten Zellteilung und damit zu einem unkontrollierten Tumorwachstum führen. Die neuartigen Hemmstoffe blockieren diesen Mechanismus.
CHR
Komplette hämatologische Remission (complete haematologic response).
FDA
Amerikanische Arzneimittelzulassungsbehörde (Food and Drug Administration)
ELN
Das Europäische Leukämie Netz ist eine von der EU finanzierte Organisation bestehend aus Medizinern, Wissenschaftlern und Patienten aus dem Leukämie-Bereich, das zum Ziel hat, die Behandlung von Leukämie-Erkrankungen zu verbessern, Wissen zu generieren und dieses Wissen in Europa zu verbreiten.
Arm
= Behandlungsgruppe. Eine klinische Studie ist einarmig, wenn es nur eine Behandlungsgruppe und keine Kontrollgruppe gibt. In den meisten Studien gibt es zwei oder mehr Arme.
Philadelphia-Chromosom
Charakteristisches Merkmal der chronisch myeloischen Leukämie. Die Chromosomenmutation entsteht durch Transfer des Hauptteils des langen Arms von Chromosom 9 nach Chromosom 22 (= Translokation).
Ansprechrate
Prozentualer Anteil der Patienten, bei denen die Erkrankung sich durch eine bestimmte Behandlung zurückbildet
chronisch
langanhaltend, sich langsam entwickelnd
myeloisch
das Knochenmark betreffend. Im engeren Sinne die Bildung von bestimmten weißen Blutzellen, den Granulozyten, im Knochenmark betreffend
myeloisch
das Knochenmark betreffend. Im engeren Sinne die Bildung von bestimmten weißen Blutzellen, den Granulozyten, im Knochenmark betreffend
Resistenz
Unempfindlichkeit gegenüber einer Behandlung, z.B. von Krebszellen gegen eine Therapie
Resistenz
Unempfindlichkeit gegenüber einer Behandlung, z.B. von Krebszellen gegen eine Therapie
Resistenz
Unempfindlichkeit gegenüber einer Behandlung, z.B. von Krebszellen gegen eine Therapie
Resistenz
Unempfindlichkeit gegenüber einer Behandlung, z.B. von Krebszellen gegen eine Therapie
T315I
Die T315I-Mutation ist eine Punktmutation, bei der an Position 944 des ABL-Gens Cytosin gegen Thymin ersetzt wird. Dadurch wird im kodierten Protein die Aminosäure Threonin gegen Isoleucin ausgetauscht.
akut
plötzlich einsetzend, heftig, von kurzer Dauer
akut
plötzlich einsetzend, heftig, von kurzer Dauer
Gen
Informationseinheit des Erbgutes, enthält meist den Bauplan für ein Protein. Die Gene liegen im Zellkern in Form von DNS vor.
Gen
Informationseinheit des Erbgutes, enthält meist den Bauplan für ein Protein. Die Gene liegen im Zellkern in Form von DNS vor.
TKI
Tyrosinkinaseinhibitor / Tyrosinkinasehemmer sind neuartige Medikamenten-Wirkstoffe, die bisher vor allem bei Tumorerkrankungen zum Einsatz kommen. Tyrosinkinasen spielen eine Schlüsselrolle bei der Entstehung von Tumorerkrankungen, da sie daueraktiviert zu einer ungebremsten Zellteilung und damit zu einem unkontrollierten Tumorwachstum führen. Die neuartigen Hemmstoffe blockieren diesen Mechanismus.
TKI
Tyrosinkinaseinhibitor / Tyrosinkinasehemmer sind neuartige Medikamenten-Wirkstoffe, die bisher vor allem bei Tumorerkrankungen zum Einsatz kommen. Tyrosinkinasen spielen eine Schlüsselrolle bei der Entstehung von Tumorerkrankungen, da sie daueraktiviert zu einer ungebremsten Zellteilung und damit zu einem unkontrollierten Tumorwachstum führen. Die neuartigen Hemmstoffe blockieren diesen Mechanismus.
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