Wer meint, Heilkräuter seien erstens öko, zweitens nur schwach wirksam und drittens harmlos, irrt gewaltig. Ein schönes Beispiel hierfür geben amerikanische Pharmakologen, die dem "Psychoglätter" Johanniskraut und seinen Effekten auf
Imatinib (
Bcr-Abl- und c-kit-
Tyrosinkinase-Inhibitor, Handelsname
Glivec) auf den Zahn fühlten.
Da sowohl Johanniskraut als auch
Imatinib zu ihrer Verstoffwechslung den CYP3A4- Stoffwechselweg in der
Leber benutzen, durfte mit eindrucksvollen Interaktionen gerechnet werden. Und in der Tat, Johanniskraut veränderte die
Pharmakokinetik des bei
chronisch myeloischer Leukämie (CML) und Stromatumoren des oberen GI-Traktes eingesetzten Medikaments ganz erheblich.
Die Testung bei 12 gesunden Probanden ergab, dass Johanniskraut (3 x 300 mg
oral täglich) die Clearance von
Imatinib-Mesylat (400 mg
oral täglich) um 43% erhöht und die
Imatinib-AUC (area under the curve, Kurvenverlauf von Konzentration versus Zeit) um 30% reduziert. Darüber hinaus wurden unter paralleler Gabe von Johanniskraut auch die Halbwertszeit und die Maximalkonzentrationen von
Imatinib signifikant reduziert.
Fazit: Johanniskraut stimuliert als Enzyminduktor den Abbau und die Entsorgung von
Imatinib und kann dessen Wirksamkeit schmälern oder – zur Aufrechterhaltung einer gewünschten Wirkung – höhere Dosen des Medikaments notwendig machen. Bei der Frage nach laufenden Medikationen sollten deshalb immer auch Phytopharmaka eruiert werden.
Kommentar: Die potenziellen Interaktionen von Johanniskraut reichen über
Imatinib hinaus weit in das alltägliche pharmazeutische Arsenal hinein: auch der
Metabolismus von HIV-Proteaseinhibitoren, Irinotecan, Phenprocoumon, Progestogenen, Ethinylöstradiol, ja selbst von
Statinen, L-Thyroxin, Verapamil und Nifedipin kann via CYP3A4- oder P-Glykoprotein-Interaktion durch Johanniskraut erheblich und nicht immer prognostizierbar gestört werden.
Plötzliches Absetzen von Johanniskraut nach einer vermuteten Medikamenteninteraktion kann die Medikamenten-Plasmaspiegel der betroffenen Substanz ruckartig erhöhen und
akute Nebenwirkungen hervorrufen (eine detaillierte Übersicht zu diesem Thema liefert M. Mannel, Drug Safety 2004; 27: 773–797). Bleibt also als Erkenntnis, dass Johanniskraut als "Sologeige" die Behandlung leichterer depressiver Störungen bereichert, im Konzert mit anderen Wirkstoffen das Klangergebnis des Orchesters aber nachhaltig stören kann, worauf der Dirigent beizeiten achten sollte.
Autor: Armin E. Heufelder, München
Quelle: "Johanniskraut macht
Imatinib- Antikörpertherapie unwirksam oder teurer!", Gynäkologie + Geburtshilfe 2-2005, S. 8
Weitere Quellen: Frye RF et al. Effect of St John's wort on
imatinib mesylate pharmcokinetics. Clin Pharmacol Ther 2004; 76: 323–9.
Pharmakokinetik
Die Pharmakokinetik beschreibt, wie rasch und in welchem Ausmaß nach der Verabreichung eines Stoffes dieser anschließend im Blutplasma und in den verschiedenen Körpergeweben auftritt und wo und in welcher Weise er wieder ausgeschieden wird.
Tyrosinkinase
Enzym, das das Wachstum von Leukämiezellen anregt und therapeutisch durch Tyrosinkinase-Hemmer (Tyrosinkinase-Inhibitoren) gehemmt werden kann.
Nebenwirkung
Unerwünschte Begleiteffekte einer Therapie, besonders bei Chemotherapien begrenzen Nebenwirkungen die maximal verträgliche Dosis.
Antikörper
Von Immunzellen (B-Lymphozyten) gebildete Proteine, die gezielt Strukturen (Antigene) auf der Oberfläche von Krankheitserregern, Zellen oder Molekülen erkennen und sich an sie binden. Antikörper dienen dem Immunsystem zur Erkennung und Zerstörung von Erregern oder abnormen Zellen.
chronisch
langanhaltend, sich langsam entwickelnd
myeloisch
das Knochenmark betreffend. Im engeren Sinne die Bildung von bestimmten weißen Blutzellen, den Granulozyten, im Knochenmark betreffend
Imatinib
Imatinib, Handelsname Glivec/Gleevec, Laborname STI-571, ein BCR-ABL-Tyrosinkinasehemmer der ersten Generation. Zugelassen seit Jahr 2002 für die Behandlung der CML und Ph-positiven ALL.
BCR-ABL
BCR-ABL ist ein Fusionsgen auf Chromosom 22. Das Chromosom mit diesem Gen wird als Philadelphia-Chromosom bezeichnet. Es kommt bei fast 95 Prozent der Patienten mit CML (Chronisch Myeloischer Leukämie) vor. Das Gen ABLim Fusionsgen enthält den Bauplan für ein Enzym, eine Tyrosinkinase. Dieses Enzym ist wesentlich an der Übertragung von Signalen beteiligt, die für die Regulation des Zellwachstums und der Zelldifferenzierung erforderlich sind. Durch die Fusion der beiden Gene wird das Tyrosinkinase-Gen aktiviert. Die Folge: Zellen mit diesem Gen vermehren sich unkontrolliert. Das molekulare Ereignis wird als Hauptursache für die Entstehung der CML angesehen.
Kinetik
Bewegung oder Geschwindigkeit biologischer Prozesse
Statine
Arzneistoffe, die als Cholesterinsenker bzw. Lipidsenker eingesetzt werden. Ein hoher Cholesterinspiegel im Blut steht im Zusammenhang mit Ereignissen einer Herz-Kreislauf-Erkrankung (HKE) und stellt einen Risikofaktor dar. Die Senkung eines hohen Cholesterinspiegels mit beispielweise Statinen ist also eine wichtige Maßnahme, um die Wahrscheinlichkeit eines HKE-Ereignisses zu vermindern.
Glivec
Imatinib wird unter dem Handelsnahmen Glivec (Hersteller Novartis) vertrieben.
Leber
Die Leber (griech. Hepar) ist das zentrale Organ des gesamten Stoffwechsels. Zu den wichtigsten Funktionen gehören die Produktion lebenswichtiger Eiweißstoffe wie z. B. Gerinnungsfaktoren, die Verwertung von Nahrungsbestandteilen, die Galleproduktion und damit einhergehend der Abbau und Ausscheidung von Stoffwechselprodukten, Medikamenten und Giftstoffen. Nährstoffe, die aus dem Darm ins Blut aufgenommen werden, gelangen zur Leber und werden dann von dieser je nach Bedarf ans Blut abgegeben oder aus dem Blut entfernt. Sie ist maßgeblich für die Umsetzung von Medikamenten verantwortlich.
oral
Den Mund betreffend, am Mund gelegen, durch den Mund
akut
plötzlich einsetzend, heftig, von kurzer Dauer
Gen
Informationseinheit des Erbgutes, enthält meist den Bauplan für ein Protein. Die Gene liegen im Zellkern in Form von DNS vor.
CHR
Komplette hämatologische Remission (complete haematologic response).
Arm
= Behandlungsgruppe. Eine klinische Studie ist einarmig, wenn es nur eine Behandlungsgruppe und keine Kontrollgruppe gibt. In den meisten Studien gibt es zwei oder mehr Arme.
myeloisch
das Knochenmark betreffend. Im engeren Sinne die Bildung von bestimmten weißen Blutzellen, den Granulozyten, im Knochenmark betreffend
myeloisch
das Knochenmark betreffend. Im engeren Sinne die Bildung von bestimmten weißen Blutzellen, den Granulozyten, im Knochenmark betreffend
Statine
Arzneistoffe, die als Cholesterinsenker bzw. Lipidsenker eingesetzt werden. Ein hoher Cholesterinspiegel im Blut steht im Zusammenhang mit Ereignissen einer Herz-Kreislauf-Erkrankung (HKE) und stellt einen Risikofaktor dar. Die Senkung eines hohen Cholesterinspiegels mit beispielweise Statinen ist also eine wichtige Maßnahme, um die Wahrscheinlichkeit eines HKE-Ereignisses zu vermindern.
Statine
Arzneistoffe, die als Cholesterinsenker bzw. Lipidsenker eingesetzt werden. Ein hoher Cholesterinspiegel im Blut steht im Zusammenhang mit Ereignissen einer Herz-Kreislauf-Erkrankung (HKE) und stellt einen Risikofaktor dar. Die Senkung eines hohen Cholesterinspiegels mit beispielweise Statinen ist also eine wichtige Maßnahme, um die Wahrscheinlichkeit eines HKE-Ereignisses zu vermindern.
akut
plötzlich einsetzend, heftig, von kurzer Dauer
Gen
Informationseinheit des Erbgutes, enthält meist den Bauplan für ein Protein. Die Gene liegen im Zellkern in Form von DNS vor.
Gen
Informationseinheit des Erbgutes, enthält meist den Bauplan für ein Protein. Die Gene liegen im Zellkern in Form von DNS vor.
TKI
Tyrosinkinaseinhibitor / Tyrosinkinasehemmer sind neuartige Medikamenten-Wirkstoffe, die bisher vor allem bei Tumorerkrankungen zum Einsatz kommen. Tyrosinkinasen spielen eine Schlüsselrolle bei der Entstehung von Tumorerkrankungen, da sie daueraktiviert zu einer ungebremsten Zellteilung und damit zu einem unkontrollierten Tumorwachstum führen. Die neuartigen Hemmstoffe blockieren diesen Mechanismus.
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