Beitrag
von Schneekaninchen » 27.12.2015, 13:21
Gruß an alle, die mit CML ihren Kinderwunsch verwirklichen wollen. Wie ich schon mal sagte, es kann funktionieren, muss aber nicht und es ist in jedem Fall ein risikoreiches Unterfangen, dass eng ärztlich betreut werden muss. Es ist auch wichtig, sich Alternativen für ein Leben ohne Kinder zu überlegen. Unten einige allgemeine Gedanken, in meinem Fall bezogen auf junge Frauen mit CML.
Friederike
]Kinderlos?
Die Welt der Dreißig- bis Vierzigjährigen ist schwanger. Gehört ja auch einfach dazu. Denkt man. Die Studentenzeiten vorbei, im Job etabliert, Haus gekauft. Logischerweise folgt dann der Nachwuchs. Fragen an das junge Glück: Wann ist es denn bei Euch soweit? Scheinbar so einfach dahingesagt. Abweichungen werden nicht für möglich gehalten. Und man hat keine Vorstellung davon, welchen Schmerz man mit diesen Worten beim Gegenüber auslösen kann. Obwohl es gar nicht so wenige sind, die nicht diesen scheinbar vorgezeichneten Weg gehen. Menschen, die keine Eltern sind oder werden. Die sich bewusst für die Kinderlosigkeit entscheiden. Oder aber die, die es sich so sehnlichst wünschen. Und denen dieses wunderbare Geschenk verwehrt bleibt. Vielleicht aus medizinischen Gründen. Aus finanziellen Gründen. Aus beruflichen Gründen. Oder aus unerklärbaren Gründen.
Über sie spricht man kaum. Weil sie gängigen Vorstellungen nicht entsprechen. Weil sie Tabus berühren. Und dabei sind sie so mutig sind, so tapfer, so stark. Denn sie kämpfen. Denn sie müssen Tatsachen akzeptieren, an welche die Mehrheit nicht einmal zu denken braucht. Denn sie machen die Erfahrung, dass nichts selbstverständlich ist. Dass es kein Recht auf irgendetwas gibt. Denn die Natur hat ihre eigenen Gesetze. Und wenn diese wenigen Mutigen sich offenbaren, Fakten auf den Tisch legen, die harte Realität in Worte fassen, dann treffen sie auf Schweigen, peinliche Berührtheit, Vertröstung.
Ein dickes Fell brauchen sie. Denn sie müssen sich neu orientieren. Ob sie wollen oder nicht. So haben sie die Wahl, sich zu den Begegnungen mit Verwandten und alten Freunden zu zwingen, deren Familien sich stetig vergrößern. Oder Kontakte einzustellen, da der Schmerz zu groß ist und es der Selbstschutz gebietet, sich zurückzuziehen. Die Wahl zwischen zwei Arten von Schmerzen. Dem Schmerz, der nach den Begegnungen kommt, zu denen sie sich gezwungen haben, um das soziale Netzwerk zu wahren und niemanden vor den Kopf zu stoßen. Außer sich selbst. Denn dieser Schmerz sitzt tief. Und er ist schwerer zu ertragen als der Schmerz des wohltuenden Rückzugs, der Stille, der heilsamen Tränen. Der den Weg zur Neuorientierung bahnt.
Sie wollen keinen Gesprächen über Schwangerschaften und Geburten, Kinderzimmer und Kindergärten, Kinderkrankheiten und Erziehungsfragen lauschen. Obwohl sie nicht neidisch sind. Niemandem etwas verwehren oder absprechen wollen, keinen Hass hegen. Sie stellen sich selber so viele Fragen nach Sinn und Gerechtigkeit, obwohl sie wissen, dass sie niemals eine Antwort erhalten werden. Besonders die Frage nach der Zugehörigkeit.
Denn sie sind ausgeschlossen. Niemand will sie ausschließen, niemand will sie bewusst brüskieren oder ausgrenzen. Aber die Natur gibt vor, dass sie ausgeschlossen sind. Sie wollen nicht mit auf den errechneten Termin hin fiebern, sie wollen keine Babygeschäfte besuchen, keine Glückwunschkarten zur Geburt schreiben oder zu Taufen eingeladen werden oder Babybilder auf dem Handy anschauen. Keine Babyschalen tragen, keine Kinderwägen schieben.
Und vor allem sie wollen nicht bedauert werden. Sie wollen nicht mehr in die entsetzten Gesichter blicken, wenn sie mit der Realität konfrontieren. Wenn sie Fakten auf den Tisch legen. Wenn sie Selbstverständliches hinterfragen. Sie wünschen sich Akzeptanz für ihren Rückzug. Akzeptanz dafür, dass sie ihre eigenen Erfahrungen machen, über die Außenstehende allzu leicht meinen, urteilen zu dürfen. Akzeptanz dafür, dass Selbstschutz für einige Zeit nötig ist, obwohl er Freundschaften strapaziert. Und Akzeptanz dafür, dass manchmal machen beide Seiten, die Fragenden und die Mutigen, die Erfahrungen des Auseinanderlebens machen. Weil die Natur zwei Welten vorgibt. Die manchmal nicht mehr zusammen kommen können.
Und irgendwann haben die Mutigen es geschafft. Gegenüber den Fragenden können sie ihr Terrain abstecken, ohne verletzend zu sein. Und im besten Fall haben sie sogar einen Anlass zum Nachdenken geschaffen. Über das Aussprechen von vermeintlich harmlosen Worten, die aber folgenschwer sind. Das lässt ihre Wunden vernarben, obwohl der Schmerz nie ganz aufhören wird. Aber dann können sie sich neu orientieren. Akzeptieren, ohne Kinder zu sein, ob nur eine Zeit lang oder für immer. Und sie können ihr Leben neu füllen und ausrichten.