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Überführung der behandlungsfreien Remission in die etablierte klinische Praxis

Timothy P. Hughes, David M. Ross

Der dramatische Erfolg der Tyrosinkinasehemmer (TKI) hat zu der weitverbreiteten Ansicht geführt, dass die CML zu einer weiteren chronischen Erkrankung geworden ist, bei der eine lebenslange Verpflichtung zur pharmakologischen Kontrolle bindend ist. Neue Untersuchungen zeigen, dass einige Patienten, die ein stabiles molekulares Ansprechen erreicht haben, ihre Behandlung sicher absetzen können, ohne einen Rückfall zu erleiden (Behandlungsfreie Remission, TFR [treatment free remission]). Darüber hinaus können diejenigen, die das Absetzen erfolglos versucht haben, ihre Remission sicher durch Wiederaufnahme der Behandlung mit TKI wieder erreichen. Basierend auf den gesammelten Daten über die behandlungsfreie Remission schlagen die Autoren vor, die Herangehensweise für die vielen CML-Patienten zu ändern, die eine stabile tiefe molekulare Remission erreicht haben. Vielleicht die Hälfte dieser Patienten könnte erfolgreich eine behandlungsfreie Remission erreichen, wenn sie die Gelegenheit dazu erhielten. Für viele dieser Patienten beeinträchtigt die fortgesetzte Behandlung ihre Lebensqualität und stellt eine schwere finanzielle Bürde dar, ohne dabei irgendetwas zu erreichen. Diese Empfehlung basiert auf der evidenten Sicherheit der Absetzversuche und behandlungsfreier Remission innerhalb klinischer Studien. Zugegebenermaßen existieren potentielle Risiken beim Versuch, die Behandlung in der breiteren klinischen Praxis abzusetzen, was aber nicht davon abhalten sollte. Stattdessen müssen Kriterien für ein sicheres und angemessenes Absetzen der TKI entwickelt werden. Klinische Studien werden es ermöglichen, die besten klinischen Strategien zur Erreichung der behandlungsfreien Remission zu definieren, aber die Ärzte brauchen heute Anleitungen, wie sie an diese Sache mit Ihren Patienten herangehen sollten. Es werden Umstände beschrieben, unter denen es im Interesse des Patienten liegt, die Behandlung mit TKI fortzusetzen, aber auch Kriterien für einen sicheren Versuch zur Erreichung der behandlungsfreien Remission.

Als die Ära der Stammzelltransplantation als erste Behandlung der CML in chronischer Phase zu Ende ging, wurde vermutet, dass die lebenslange Behandlung mit Imatinib eine „operative“ Heilung, dauerhafte Freiheit von Progression der Erkrankung und krankheitsbedingten Symptomen ermöglichen könnte. Eine Dekade später ist das ambitioniertere Ziel eine operative Heilung ohne die Notwendigkeit, die Behandlung mit TKI fortsetzen zu müssen. Dabei muss immer bedacht werden, dass Patienten mit gutem Ansprechen auf TKI keinen unnötigen Risiken ausgesetzt werden sollten. Das Absetzen der wirksamen Behandlung war bis jetzt weitgehend auf klinische Studien begrenzt. In diesem Artikel erkennen wir an, dass viele Patienten mit einer anhaltenden tiefen molekularen Remission ihre Behandlung mit TKI absetzen könnten, wenn es sicher wäre, und es werden sowohl Auswahlkriterien für die Patienten als auch institutionelle Anforderungen an die sichere Überwachung und Wiederaufnahme der Behandlung ausserhalb klinischer Studien diskutiert.

Der Erfolg der Behandlung mit TKI

Die Einführung von Imatinib und den nachfolgenden BCR-ABL-TKI zur Behandlung der CML in früher chronischer Phase war eine der grossen Erfolgsgeschichten der modernen Medizin. Der natürliche Verlauf der CML wurde dramatisch verändert, so dass Patienten, die einst innerhalb von 5-7 Jahren nach der Diagnose an der fortschreitenden Erkrankung gestorben wären, nun wahrscheinlicher an anderen Ursachen als an CML sterben werden. Die Ergebnisse der US SEER-Datenbank für den Zeitraum zwischen 2000 und 2005 zeigte, dass der Anteil der CML-Patienten, die anderen Krebsarten als CML zum Opfer fielen, den auf CML zurückzuführenden Anteil leicht überstieg (36.1% vs. 34.9%), mit weiteren 29% von nicht auf Krebserkrankungen zurückzuführenden Todesfällen.

Es gab einen korrespondierenden Anstieg im Gesamtüberleben der CML-Patienten. Am MD Anderson Cancer Center mit TKI innerhalb klinischer Studien behandelte Patienten mit CML in chronischer Phase wiesen ein 5-Jahresgesamtüberleben von 94.7% im Vergleich zur normalen Bevölkerung der USA auf. Ergebnisse aus klinischen Studien an Spitzenforschungszentren sind oft besser als solche aus der „realen Welt“, aber auch die bevölkerungsbasierten Register bestätigen die Verbesserung des Überlebens seit der Einführung der TKI. Basierend auf Daten aus der ersten Hälfte der Dekade, in der die TKI eingeführt wurden, betrug das relative 5-Jahresüberleben etwa 70%, im Vergleich mit dem relativen Überleben eine Dekade früher von nur 10%-20%, als noch Interferon alpha (IFN) oder die allogene Stammzelltransplantation die Standardbehandlung waren. Neuere Daten sind wahrscheinlich noch besser: in der gleichen bevölkerungsbasierten Studie war das relative 5-Jahresüberleben für 2002 diagnostizierte CML-Patienten 63% und stieg auf 80% für 2006 diagnostizierte Patienten an.

In der Annahme, dass die Häufigkeit der CML relativ konstant ist, hängt die Verbreitung der Erkrankung vom Überleben der Patienten ab. Tatsächlich nimmt die Häufigkeit der Erkrankung in den meisten entwickelten Ländern, in denen der Altersmedian der Bevölkerung ansteigt, zu. Unter Berücksichtigung des nahezu normalen relativen Überlebens der CML-Patienten steigt die Zahl der mit CML lebenden Patienten dramatisch an. Eine Studie projizierte, dass der Peak der Verbreitung der CML um das Jahr 2050 herum erreicht wird, mit ca. 180'000 CML-Patienten in den USA (ein etwa 9-facher Anstieg im Vergleich zum Jahr 2000). In diesem Zusammenhang ist die Versorgung mit lebenslanger TKI-Behandlung eine substantielle und wachsende finanzielle Belastung für CML-Patienten und Krankenversicherungen. Generisches Imatinib ist mittlerweile in einigen Ländern verfügbar, aber TKI bleiben für viele Patienten unerreichbar, insbesondere für diejenigen, für die Imatinib nicht die bevorzugte Wahl ist.

Tiefes molekulares Ansprechen

Die Phase 3-IRIS-Studie verglich Imatinib mit IFN plus Cytarabin und zeigte eine signifikante Verbesserung des progressionsfreien Überlebens für auf den TKI randomisierte Patienten, obwohl die Mehrheit der Patienten aus dem IFN-Arm auf Imatinib wechselten. Das wurde von beispiellosen Raten zytogenetischen Ansprechens begleitet: ein vollständiges zytogenetisches Ansprechen wurde bei 8.5% der mit IFN behandelten Patienten gegenüber 73.8% der mit Imatinib behandelten Patienten beobachtet. Das bei Patienten mit CML in chronischer Phase erreichte Niveau der minimalen Resterkrankung (MRD) ist unter TKI-Behandlung so viel besser, dass bei der grossen Mehrheit der Patienten die zytogenetische Analyse nach 6 Monaten der TKI-Behandlung nicht mehr länger informativ ist. Dieser Behandlungserfolg hat schliesslich zur weitverbreiteten Anwendung der molekularen Überwachung durch die empfindliche Real Time Reverse Transkriptase Q-PCR für BCR-ABL (RQ-PCR). Im Gegenzug basieren die Ziele der Behandlung zunehmend auf molekulare Definitionen, wie sie in den entsprechenden Leitlinien des European Leukemia Net und des National Comprehensive Cancer Network (unter www.nccn.org verfügbar) umrissen sind.

In den ersten zwei Jahren der Behandlung mit TKI ist das Erreichen eines guten molekularen Ansprechens (MMR, „major molecular response“, BCR-ABL ≤0.1%) das vorrangige Ziel, weil damit sehr hohe Raten progressionsfreien Überlebens verbunden sind. Viele Patienten erreichen MMR in den ersten 6-12 Monaten der Behandlung, aber ein grosser Anteil wird mit der Fortsetzung der TKI-Behandlung eine weitere Reduktion der minimalen Resterkrankung (MRD) erreichen, was zu fortschreitend tieferem molekularen Ansprechen führt, und sogar zu nicht mehr nachweisbarer MRD (UMRD, undetectable minimal residual disease). Die Nachweisgrenze der MRD wird durch die untere Nachweisgrenze des benutzen Assays bestimmt. Die verwendeten PCR-basierten Methoden können in ihrer Effizienz von Messung zu Messung variieren, wie es auch bei der RNA-Extraktion der Fall sein kann. Auch die Probenqualität kann besonders bei Verzögerungen zwischen Probennahme und RNA-Stabilisierung unterschiedlich sein. Diese für das Verfahren typischen Schwankungen machen die Standardisierung der UMRD schwierig. In der Folge bewegten sich die Berichte weg von UMRD auf ein fixes Level molekularen Ansprechens. Die untere Nachweisgrenze der RQ-PCR bewegt sich durchschnittlich um MR4.5 herum (BCR-ABL ≤0.0032%), sodass UMRD und MR4.5 in vielen Labors ungefähr gleichwertig sind. MR 4.5 schliesst sowohl Patienten mit detektierbarem BCR-ABL ≤0.0032% als auch solche mit nicht detektierbarem BCR-ABL in eine Probe mit berechneter Nachweisgrenze≥4.5-log unter der standardisierten Grundlinie ein.

MR4.5 tritt bei ungefähr 20% der mit Imatinib behandelten Patienten während der ersten 2-3 Jahre auf, dieser Anteil steigt auf etwa 40% nach 5-7 Jahren an. Diese progressive langsame Vermehrung der MR4.5- Patienten erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass mit sehr langer Behandlungsdauer die MRD immer weiter abnimmt, solange eine wirksame Behandlung fortgesetzt wird. Bei Verwendung wirksamerer TKI wie Nilotinib und Dasatinib sind die Anteile von MR4.5 während der ersten 2 Jahre höher, und es besteht die Hoffnung, dass sich der Anteil der MR4.5-Patienten schliesslich weiter erhöht. In der Phase 3 ENESTnd-Studie ist der Anteil von MR4.5 nach 4 Jahren mit Nilotinib 300mg 2x täglich bei 40% gegenüber 23% mit Imatinib 400mg täglich. In der DASISION-Studie, die Dasatinib 100mg mit Imatinib 400mg verglich, wurde nach 3 Jahren 4.5 in 22% bzw. 12% der Patienten erreicht.

Die Probleme fortgesetzter Behandlung mit TKI

Eine wirklich erfolgreiche Chemotherapie ist eine, die für eine endliche Zeit gegeben wird, und danach nicht länger benötigt wird.Mit diesem Paradigma sind die meisten Menschen vertraut, wie beispielsweise bei der zytotoxischen Chemotherapie bei akuter Leukämie oder Hodgkin-Lymphomen bekannt. Für viele CML-Patienten stammt das Bewusstsein für eine chronischer Erkrankung nicht von der CML, sondern ist ein Syndrom der Nebenwirkungen der TKI. In unserer Erfahrung fragen die meisten Patienten, die ein tiefes molekulares Ansprechen erreicht haben, irgendwann, ob sie ihren TKI absetzen können.

Eine Untersuchung von mit mehreren TKI behandelten Patienten fand heraus, dass ungefähr ein Drittel der Patienten moderate bis schwere, mit dem TKI in Verbindung stehende Nebenwirkungen erfuhren. Entscheidend ist, dass die Schwere der Nebenwirkungen über die Zeit relativ konstant blieben. Eine Studie an mit Imatinib behandelten Patienten unter 60 Jahren zeigte beeinträchtigte körperliche und mentale Verfassung, während ältere CML-Patienten im Durchschnitt einen mit der entsprechenden Normalbevölkerung vergleichbare Verfassung aufwiesen. Zusätzlich zu diesen chronischen TKI-Nebenwirkungen entsteht eine wachsende Aufmerksamkeit auf andere, seltene, aber potentiell ernste Risiken von Langzeit-Nebenwirkungen der Behandlung mit TKI, die sich nach Monaten oder Jahren herausbilden können. Diese Risiken schliessen Pleuraergüsse und pulmonale Hypertension bei Dasatinib ein, und Gefässerkrakungen mit Nilotinib ein. Imatinib scheint relativ frei von solchen späten Toxizitäten zu sein, es wurde aber über eine beschleunigte Abnahme der glomerulären Filtrationsrate berichtet. Keiner der TKI wird Patientinnen während der Empfängnis, der Schwangerschaft oder während des Stillens empfohlen.

Behandlungsfreie Remission – aktueller Status

Vor mehr als 20 Jahren wurde über einige der mit IFN behandelte CML-Patienten berichtet, dass sie nach dem Absetzen der Behandlung mit IFN in stabiler zytogenetischer Remission blieben, obwohl BCR-ABL mit RT-PCR nachweisbar war. Im Jahr 2002 berichteten Mahon und Kollegen über eine kleine Anzahl von Patienten mit UMRD während der Behandlung mit IFN, die IFN absetzten und in molekularer Remission verblieben. Patienten in dieser Untersuchung, die MMR erreicht hatten, aber nicht UMRD, zeigten alle einen Rückfall. Die Erhaltung der UMRD oder von MRD auf einem stabilen niedrigen Level ohne die Notwendigkeit einer weiteren Behandlung wird gemeinhin als behandlungsfreie Remission (TFR, treatment free remission) bezeichnet. Die französische CML-Intergroup berichtete weiter über TFR in der STIM-Studie an etwa 40% von 100 mit Imatinib behandelten Patienten, die UMRD für während mindestens 2 Jahren aufrecht erhalten hatten. In dieser Studie war die Hälfte der Patienten vorher mit IFN behandelt worden, der übrige Teil war nach Diagnose nur mit Imatinib behandelt worden. Die TWISTER-Studie der australischen Leukaemia & Lymphoma Group berichtete über beinahe identische Ergebnisse an 40 Patienten mit ähnlicher klinischer Charakteristik. Beide Studien berichteten über höhere TFR-Raten bei Patienten mit vorausgegangener IFN-Behandlung, wenngleich diese Beobachtung möglicherweise durch einseitige Auswahl der Patienten beeinflusst sein könnte, weil Hochrisikopatienten eher unwahrscheinlich lange genug mit IFN behandelt wurden, um vom Wechsel auf Imatinib profitieren zu können. Beide Studien berichteten über höhere TFR-Raten bei Patienten mit geringem Sokal-Risiko, obwohl diese Differenz in der kleineren australischen Studie statistisch nicht relevant war. Beide Studien berichteten auch, dass die meisten Patienten wieder UMRD innerhalb von 3-6 Monaten nach Wiederaufnahme der Behandlung mit Imatinib nach Erreichen eines RQ-PCR-Schwellenwertes erreichten. Bei TWISTER war die Schwelle ein Verlust der UMRD zusammen mit zwei Anstiegen der positiven PCR-Ergebnisse in Folge. In der STIM-Studie schloss der Schwellenwert zur Wiederaufnahme der Behandlung ein signifikantes (10-faches) Ansteigen des BCR-ABL zwischen dem ersten und den folgenden RQ-PCR-Messungen ein.

Eine Folgestudie (A-STIM, According to STIM) der französischen Gruppe schrieb 80 Patienten ein, wieder eine ähnliche Mischung neu diagnostizierter Patienten und solche mit vorausgegangener IFN-Behandlung. In A-STIM wurde die Verwendung einer weniger stringenten Definition des molekularen Rückfalls als Schwelle für die Wiederaufnahme der TKI-Behandlung geprüft. Patienten, die UMRD verloren, verblieben unter engmaschiger Überwachung, und die Behandlung mit Imatinib wurde nur nach Verlust der MMR wiederaufgenommen. Damit konnten die die Forscher sowohl die TFR-Rate nach originaler STIM-Definition als auch nach der neueren, auf MMR basierenden Definition bestimmen. Die TFR-Rate nach alter STIM-Definition lag dicht an derjenigen der Früheren Studien, aber ein höherer Anteil der Patienten (64% nach 2 Jahren) verblieb in MMR ohne Behandlung. Im Gegensatz zur originalen STIM-Studie war kein Einfluss des Sokal-Scores erkennbar. Ob dieser Unterschied mit der relativ kleinen Zahl von Hochrisikopatienten zusammenhängt, oder ob der Effekt des Sokal-Scores sich zwischen den beiden Definitionen der TFR unterscheidet (UMRD vs. MMR), ist unklar. Bemerkenswerterweise erhielten sich einige Patienten mit MMR und nachweisbarer BCR-ABL-mRNA ein stabiles Ansprechen über Zeiträume von mehr als zwei Jahren, während die Verdoppelungszeit von BCR-ABL ohne Behandlung (< 14 Tage) normalerweise so ist, dass zytogenetische oder Hämatologische Rückfälle zu erwarten gewesen wären. Die dieser Beobachtung zu Grunde liegende Biologie ist eine aktives Forschungsfeld.

Die grosse, multinationale EuroSKI-Studie nimmt verschiedenen TKI behandelte Patienten auf und nutzt ein weniger strenges Eintrittskriterium von MR4.0 während mindestens 12 Monaten und den weniger strengen Schwellenwert Verlust der MMR für die Wiederaufnahme der Behandlung. Zum Zeitpunkt des letzten Berichts waren etwa 480 Patienten eingeschrieben, aber Ergebnisse sind erst für die ersten 100 Patienten mit mindestens 6 Monaten Beobachtungsdauer publiziert. Zu diesem frühen Zeitpunkt war die TFR (MMR) Rate ähnlich der bei A-STIM beobachteten, aber diese Ergebnisse müssen erst noch nach längerer Beobachtungsdauer betätigt werden.

Aktualisierte Daten einer Kohorte von 82 mit Imatinib behandelten Patienten (und 8 Patienten mit vorausgehender IFN-Behandlung) der koreanischen Imatinib Discontinuation Study (KIDS) sind kürzlich publiziert worden. 59% der 90 Patienten verblieb während zwei Jahren in MMR. Die französische Gruppe hat über Zwischenergebnisse der STIM2-Studie berichtet. In dieser Studie wurden nur Patienten aufgenommen, die ab der Diagnose mit Imatinib behandelt wurden. Die vorläufige Untersuchung zeigt eine TFR-Rate ähnlich der KIDS- und STIM-Studie von ungefähr 60%. Die TKI-Behandlung in erster Linie repräsentiert die Masse der heutigen Patienten, und die Studien an Erstlinien-Patienten ergibt die Möglichkeit, die Auswirkungen des Sokal-Scores und der Kinetik des Ansprechens auf Imatinib ohne die verzerrende Wirkung der vorgängigen Behandlung mit IFN zu untersuchen. Die wichtigsten, heute für TFR-Studien verwendeten Einschlusskriterien sind in Tabelle 1 zusammengefasst.

Daten zur TFR nach Behandlung mit wirksameren TKI sind zur Zeit sehr begrenzt verfügbar, grössere Studien mit Nilotinib oder Dasatinib sind im Entstehen begriffen. Die erste prospektive Studie mit Dasatinib wurde kürzlich in Japan publiziert. Die DADI-Studie nahm 63 Patienten auf, die in zweiter Linie mit Dasatinib nach Imatinib behandelt wworden waren. Die meisten Patienten wechselten wegen Unverträglichkeit oder wegen des Patientenwunsches, nur 21% hatten ein nach ELN suboptimales Ansprechen oder Versagen von Imatinib. Mit MR4.0 als Schwellenwert für die Wiederaufnahme der Behandlung berichteten Imagawa und Kollegen über eine TFR-Rate von 58% unter den Patienten, die auf Dasatinib wegen Unverträglichkeit oder Patientenwunsch wechselten. Die TFR-Rate für diejenigen mit suboptimalen Ansprechen betrug nur 8%. Eine geringere TFR-Rate nach einem Zweitlinien-TKI nach suboptimalem Ansprechen auf Imatinib wurde auch aus den vorläufigen Ergebnissen der Stop 2GTKI-Studie ersichtlich. Der negative Einfluss vorausgehenden suboptimalen Ansprechens war in dieser Studie weniger auffällig mit TFR (MMR) -Erhaltung nach 12 Monaten bei 42% der Patienten, die wegen suboptimalen Ansprechens wechselten, gegenüber 67% der übrigen Patienten.

Die für den Einschluss in verschiedene klinische TFR-Studien erforderliche Mindestdauer der TKI-Behandlung betrug nur 3 Jahre. Es ist aber wichtig, sich darüber bewusst zu werden, dass sehr wenige Patienten die Behandlung nach so kurzer Zeit erfolgreich absetzen konnten. Der Median der Dauer der Gesamtbehandlungsdauer mit TKI betrug in den oben erwähnten Studien typischerweise 5-8 Jahre. In der grossen Euro-SKI-Studie waren nur 16% der Patienten weniger als 5 Jahre mit TKI behandelt worden. Eine längere Dauer der TKI-Behandlung wurde mit einer grösseren Wahrscheinlichkeit zur Erhaltung der TFR in Verbindung gebracht: dieser Unterschied war in einigen Studien statistisch signifikant, aber nicht in allen. Andere Studien haben keinen Effekt der Behandlungsdauer mit TKI gezeigt. Es waren alles retrospektive Untersuchungen, mit unterschiedlichen Behandlungsgeschichten und/oder molekularen Ansprechens- und Rückfallkriterien, und oft mit nur kleinen Patientenzahlen.Es ist nicht möglich, Schlussfolgerungen aus diesen Daten zu ziehen, aber es bleibt die Andeutung, dass kürzere Behandlungsdauern mit TKI die Wahrscheinlichkeit des Erfolgs reduzieren. Diese Beobachtung führt zu verschiedenen klinisch bedeutenden Fragen. Gibt es eine optimale Dauer für die Behandlung mit TKI, nach der nur noch eine geringe oder keine weitere Verbesserung der Wahrscheinlichkeit für die Erhaltung einer TFR zu erwarten ist? Wenn das so sein sollte, ist es wahrscheinlich, dass diese Behandlungsdauer sich von Patient zu Patient unterscheidet, und dass es einen Bedarf für klinische oder Laborbiomarker gibt, mit deren Hilfe die Vorhersage einer TFR verbessert werden kann. Zweitens, wenn ein Patient die Behandlung zu früh absetzt (wenn er oder sie TFR nach mehreren Jahren zusätzlicher TKI-Behandlung erreicht hat), sind die Chancen dieser Person durch den ersten fehlgeschlagenen TFR- Versuch beeinträchtigt?

Risiken eines TFR-Versuchs

Für einen Patienten in tiefer molekularer Remission unter fortgesetzter TKI-Behandlung ist das Risiko einer Progression der Erkrankung und das Risiko, an der CML zu versterben, vernachlässigbar. In diesem Zusammenhang ist jedes zusätzliche Risiko einer CML-Progression für Patienten ohne signifikante TKI-Nebenwirkungen inakzeptabel. Aus allen bis heute publizierten Berichten zur TFR an mehr als 1000 Patienten kennen wir nur einen derartigen Fall. Diese Patientin war nicht typisch für die heutige CML-Population, und hatte die Behandlung mit Imatinib 10 Jahre nach der ersten Diagnose einer CML aufgenommen. Sie hatte MMR nach dem Absetzen von Imatinib verloren, sprach auf die Behandlung an, aber entwickelte 8.5 Monate später eine Blastenkrise.

Ein Imatinib-Entzugssyndrom in Form diffuser Knochen- und Gelenksschmerzen kann auftreten In den meisten Fällen kann dieses Syndrom mit einfachen Schmerzmitteln oder nicht steroidalen entzündungshemmenden Medikamenten behandelt werden. Es kann über Monate anhalten, ist aber normalerweise selbst limitierend. Gelegentlich sind die Fälle aber schwer genug, um eine Behandlung mit Prednisolon zu rechtfertigen. Es gibt zahlreiche Berichte über die Verbesserung von entzündlicher Arthritis unter der Behandlung mit TKI, und wir hatten einen Patienten, bei dem ein TKI-Entzugsyndrom sich als Schub einer rheumatoiden Arthritis entpuppte, die vermutlich durch die Behandlung mit TKI maskiert worden war. Die KIDS-Forscher berichteten, dass Patienten mit Imatinib-Entzugssyndrom eine höhere Erfolgswahrscheinlichkeit für eine TFR hatten.

Ein bisher noch nicht formal untersuchtes Problem ist der psychische Einfluss des Absetzens der TKI-Behandlung. Einige Patienten könnten bedeutende Ängste wegen eines möglichen Rückfalls erleben, und fast 50% der Patienten einer italienischen Untersuchung sagten, dass sie Angst vor dem Verlust ihres Ansprechens ihrer Erkrankung hätten. Es ist auch möglich, dass Patienten, denen ein Versuch einer TFR angeboten wird, dies als Erlaubnis zur Reduktion oder zum Weglassen der Dosis missverstehen könnten.

Welche Patienten sollten nicht für einen TFR-Versuch in Betracht gezogen werden?

Es gibt wenige Patienten, etwa 2-3% aller neu diagnostizierten Fälle, mit atypischen BCR-ABL-Transkripten, die nicht gemäss BCR-ABL der Internationalen Skala überwacht werden können. Für diese Patienten können klinisch bedeutsame RQ-PCR- Endpunkte wie MMR oder MR4.5 nicht mit Sicherheit gemessen werden. Deshalb sind diese Patienten nicht für einen TFR-Versuch geeignet. Ähnlich gibt es gelegentlich Patienten, deren BCR-ABL-Transkript-Art bei Diagnose nicht bekannt ist (z.B. Ph-Positive Patienten, die keine RQ-PCR zu Beginn der Behandlung hatten). Es gibt ein kleines Risiko, dass ein solcher Patient atypische Transkripte hat, bei denen ein scheinbar tiefes MRD-Level irreführend sein könnte. Auch diese Patienten könnten nicht geeignet für einen TFR-Versuch sein.

Bei Patienten mit einer Geschichte von TKI-Resistenz ist es klar, dass die Wahrscheinlichkeit einer anhaltenden TFR geringer ist, und diesen Patienten sollte dies zur Kenntnis gebracht werden, wenn die Option einer TFR besprochen wird. Ein TFR-Versuch kann immer noch für Patienten angemessenn sein, deren Lebensqualität wegen signifikanter TKI-Nebenwirkungenbeeinträchtigtg wird.

Fast alle Stellungnahmen über TFR beziehen sich auf erwachsene Patienten mit CML in chronischer Phase ohne eine Geschichte mit akzelerierter Phase oder Blastenkrise. Bei Patienten, die eine zweite chronische Phase erreicht haben, wären wir sehr zurückhaltend, jemals die Behandlung mit TKI ausserhalb einer klinischen Studie abzusetzen.

Angesichts der Seltenheit der CML in der Kindheit gibt es nur sehr begrenzte Berichte über TFR bei Kindern. Die verfügbaren Informationen stimmt mit der Erfahrung bei Erwachsenen überein, und wir würden Kinder nicht von Versuchen einer TFR ausschliessen. Allerdings ist das ein Gebiet, auf dem klinische Studien besonders bedeutend wären und immer mit erster Priorität bei TKI-Absetzversuchen betrachtet werden sollten. Kinder und Heranwachsende stehen besonderen Problemen bezüglich Wachstum, Selbstverständnis und Fortpflanzungsfähigkeit gegenüber; und weil die Dauer einer lebenslangen Behandlung bei ihnen so viel länger ist, muss auch ihr Potential für TKI-Nebenwirkungen grösser sein. Fortgeschrittenes Alter ist keine Kontraindikation für TFR, und Alter scheint kein Risikofaktor für einen molekularen Rückfall zu sein. Es gibt Berichte, dass die Beeinträchtigung der Lebensqualität durch TKI bei älteren Patienten geringer als bei jüngeren Patienten ist. Umgekehrt könnten ältere Patienten wiederum ein höheres Risiko spezifischerr TKI-Nebenwirkungen ausgesetzt sein, wiebeispielsweisee Pleuraergüsse und arterielle Thrombosen; diese Risiken müssen in Betracht gezogen werden.

Wie sollten TKI-Absetzversuche Durchgeführt werden?

Die rechtzeitige Bereitstellung der RQ-PCR-Ergebnisse ist wesentlich für die Sicherheit derjenigen Patienten, die einen TFR-Versuch unternehmen. Bei den meisten Patienten, bei denen ein TFR-Versuch fehlschlägt, tritt eine exponentielle Zunahme des BCR-ABL mit einem Anstieg um etwa 1-log pro Monat auf. Entsprechend müssen die Ergebnisse schnell verfügbar sein, damit angemessen darauf reagiert werden kann. Die Empfindlichkeit der RQ-PCR-Messung ist ebenso entscheidend, sowohl für die Bewertung der Eignung (Bestätigung der tiefen molekularen Remission), und um einen drohenden Rückfall so schnell wie möglich zu erkennen. Weil die meisten Rückfälle während der ersten 6 Monate nach dem Absetzen der TKI auftreten, empfehlen wir eine engmaschige Überwachung während dieser Zeit. Wenn eine qualitativ hochwertige RQ-PCR nicht verfügbar ist, oder nicht häufig und zügig bereitgestellt wird, kann ein TFR-Versuch nicht sicher durchgeführt werden. Es ist auch wichtig, dass das RQ-PCR-Assay standardisiert wurde und gemäss internationaler Skala angegeben wird, sodass die Werte von MR4.5 und MMR verlässlich bestimmt werden können. Institutionelle Anforderungen für eine TFR sind in Tabelle 2 zusammengefasst. Patienten, die nicht Willens oder unfähig zur Therapietreue sind, sollte kein TFR-Versuch angeboten werden.

Für Patienten, die nach den ersten 6 Monaten in TFR verbleiben, ist das Rückfallrisiko geringer, und weniger häufige Analysen, z.B. alle 2-3 Monate, könnten ausreichend sein. Die Frage, wie lange eine molekulare Überwachung fortgesetzt werden sollte, ist schwieriger zu beantworten. Der späteste bekannte Verlust einer TFR war 42 Monate nach Absetzen, also besteht die eindeutige Notwendigkeit der Überwachung über die ersten paar Jahre hinaus. Bei der allogenen Stammzelltransplantation wegen einer CML treten späte Rückfälle (nach mehr als 5 Jahren) auf, im Durchschnitt 0.5%-1% pro Jahr. Zur Zeit ist die Zahl der TFR-Patienten, über die Berichte über 5 Jahre hinaus vorliegen, so klein, dass das Risiko für späte Rückfälle nicht abschätzbar ist. Bis diese Informationen vorliegen, würden wir eine unbefristete RQ-PCR-Überwachung alle 3 Monate empfehlen.

Wenn die Kriterien für einen sicheren TFR-Versuch erfüllt sind, ist der erste Schritt in Richtung eines Absetzens der Behandlung mit TKI ein detailliertes Gespräch mit dem Patienten, um sicherzustellen, dass er oder sie voll über potentielle Risiken und Nutzen informiert ist, und sich der Notwendigkeit einer engmaschigen Überwachung bewusst ist. Um unnötige Ängste zu minimieren, ist es wichtig zu erklären, dass ein molekularer Rückfall etwas vollständig anderes als ein hämatologischer Rückfall ist, und dass klinische Konsequenzen eines molekularen Rückfalls rar sind. Einige Schablonen zur Illustration der Probleme des Entscheidungsprozesses werden in Tabelle 3 gezeigt.

Felder für zukünftige Forschung

Verschiedentliche Studien von IFN in Kombination mit TKI sind in den vergangenen Jahren abgeschlossen worden oder laufen noch. Die Raten tiefen molekularen Ansprechens in zwei unabhängigen Studien in Frankreich und Skandinavien waren im peg-IFN-Imatinib-Arm höher als im Standard-Imatinib-Arm, aber in der deutschen CML IV-Studie war kein solcher Unterschied in den äquivalenten Studienarmen erkennbar. Über die TFR-Raten für Patienten mit tiefem molekularen Ansprechen mittels Kombinationstherapie wurde noch nichts berichtet. Diese Daten könnten helfen, klarzustellen, ob eine begrenzte IFN-Behandlungsdauer einen dauerhaften Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit einer TFR hat.

Etwa 40%-60% der Patienten mit tiefem molekularem Ansprechen, die den TKI absetzen, werden eine Wiederaufnahme der Behandlung benötigen und ein tiefes molekulares Ansprechen zurückerlangen. Welche Hoffnungen gibt es für einen zweiten Versuch? Es gibt einen Bericht über eine kleine Zahl von Patienten der französischen TFR-Studien, die eine TFR zum zweiten Mal versuchten. Die Dauer der UMRD vor dem zweiten Versuch war nicht länger als diejenige der UMRD vor dem ersten Versuch, aber etwa 20% der Patienten verblieb in TFR zum Zeitpunkt des Berichts. Es gibt eine weitere überraschende Beobachtung: der TKI und die Tiefe des molekularen Ansprechens blieben unverändert, aber das Ergebnis war verschieden. Patienten einen zweiten TFR-Versuch zu ermöglichen wird wahrscheinlich ein aktives Forschungsfeld werden. Die vernünftige Auswahl alternativer (oder zusätzlicher) Behandlungen wird von einem verbesserten Verständnis der die TFR bestimmenden biologischen Faktoren abhängen.

Die verschiedenen Ergebnisse von Patienten in TFR-Studien mit ähnlichen Levels minimaler Resterkrankung legen dar, dass zusätzliche biologische Faktoren einen wesentlichen Einfluss haben. Einige der vielversprechensten Forschungen zu dieser Frage fanden auf dem Gebiet der Immunologie statt. In verschiedenen Studien zeigte sich die NK-Zellenzahl (bzw. funktioneller Untergruppen der NK-Zellen) höher in Patienten, die eine TFR erhielten als bei solchen, die einen molekularen Rückfall erlitten (Schreibfehler im Text : molecular response statt molecular relapse ???).

Immunologischer Aktivitätsmangel könnte eine Eigenschaft der CML sein, und diverse immunologische Antworten einschliesslich T-Zellzytotoxizität wie auch NK-Zell-Effekte könnten involviert sein. Welcher dieser Marker der Immunfunktion am bedeutendsten ist, ist noch nicht klar, und keine dieser Studien hat bis jetzt gezeigt, dass ein immunologischer Endpunkt einen Wert für positive Vorhersagen einer folgenden TFR hat, unabhängig von klinischen Parametern. Die Verfügbarkeit eines Biomarkers, der eine akkurate Vorhersage einer sehr hohen oder sehr geringen Wahrscheinlichkeit der TFR erlaubt, wäre ein bedeutender Schritt nach vorne.

Ein enormer Fortschritt wurde bei der Quantifizierung der BCR-ABL-Transkripte durch RQ-PCR gemacht, aber der Messfehler jedes PCR-Assays wird durch stochastische Effekte bei geringen Levels des Ziels vergrössert, und ein empfindlicheres Assay könnte diesen Effekt lindern. Zusätzlich haben wir und andere die Quantifizierung von BCR-ABL in der DNA des Genoms und RNA in seriellen Proben verglichen und gezeigt, dass individuelle Patienten konsistent höhere oder tiefere Expression der BCR-ABL-mRNA für eine gegebene Zahl von CML-Zellen haben können. Diese Unterschiede zwischen individuellen Patienten ergeben einen systematischen Messfehler, wodurch RQ-PCR das Level der Resterkrankung in einigen Patienten unterschätzen könnte. Während genomische Q-PCR nicht breit verfügbar ist, handelt es sich um ein vielversprechendes Forschungswerkzeug, um die Beziehung zwischen MRD und TFR-Ergebnis aufzuklären.

Nicht ob, aber wann und wie...

Unserer Meinung sind die bisher zur Sicherheit der TFR veröffentlichen Daten ausreichend beruhigend, sodass wir mit gutem Gewissen allen geeigneten Patienten einen überwachten Versuch des Absetzens des TKI anbieten. Die optimalen Auswahlkriterien stehen noch zur Debatte, aber die verfügbaren Daten legen nahe, dass die Patienten mindestens 12 Monate lang ein tiefes molekulares Ansprechen mit MR4.0 oder besser haben sollten. Eine Krankengeschichte mit vorausgegangener TKI-Resistenz sollten als Kontraindikation betrachtet werden, und solche Patienten sollten sich ihres höheren Rückfallrisikos vor einer Entscheidung bewusst sein. Es gibt einige Hinweise, dass eine länger anhaltende molekulare Remission mit eine höheren Wahrscheinlichkeit einer TFR in Verbindung steht, aber es muss eine praktische Balance zwischen der zusätzlichen Belastung durch die TKI-Behandlung und dem Potential zu Verbesserung der TFR-Raten gefunden werden. Es gibt noch viele unbeantwortete Fragen zur TFR, deshalb sollten geeignete Patienten ermuntert werden, wo immer möglich an klinischen Studien teilzunehmen. Das Fehlen einer geeigneten Studie sollte den Patienten nicht daran hindern, die Behandlung mit TKI abzusetzen, aber ausserhalb einer klinischen Studie wäre es nützlich, übereinstimmende Leitlinien für diejenigen Ärzte zu haben, für die TFR ein neues Behandlungsfeld darstellt.

Wir haben einige Kriterien für die Auswahl von Patienten und einige Kriterien für die Fähigkeiten der Institutionen zur Überwachung eines TFR-Versuchs vorgeschlagen, vor allem den Zugang zu rechtzeitigen und akkuraten RQ-PCR-Ergebnissen. Wenn alle diese Kriterien erfüllt werden, glauben wir, dass TFR ein Routineteil der klinischen Praxis werden sollte. Unglücklicherweise ist die Verfügbarkeit von RQ-PCR in vielen Regionen der Welt nicht ausreichend, weshalb TFR nicht sicher versucht werden kann. Das stellt ein Dilemma für viele Ärzte dar, die erkennen, dass einigen ihrer Patienten sonst ein angemessener TFR-Versuch angeboten werden könnte. Das stellt eine neue Herausforderung für die globale CML-Gemeinschaft dar.

Tabelle 1: Zusammenfassung der in klinischen Studien verwendeten Einschlusskriterien und Schwellenwerte zur Wiederaufnahme der Behandlung mit TKI

Studie

TKI

Patienten-zahl

MR-Mindest-anforderung

MR-Mindest-dauer

Schwellen-wert zur TKI-Wieder-aufnahme

STIM

ImatinibIFN)

100

UMRD (MR 5.0)

2 Jahre

Verlust UMRD

TWISTER

ImatinibIFN)

40

UMRD (MR 4.5)

2 Jahre

Verlust UMRD

A-STIM

ImatinibIFN)

80

UMRD*

2 Jahre

Verlust MMR

Euroski

Imatinib/

Nilotinib/

Dasatinib

200

MR4.0

1 Jahr

Verlust MMR

Stop 2GTKI

Nilotinib /

Dasatinib

erste und zweite Linie

52

UMRD (MR4.5)

2 Jahre

Verlust MMR

KIDS

ImatinibIFN)

90

UMRD (MR4.5)

2 Jahre

Verlust MMR

HOVON

Imatinib

18

UMRD (MR4.5)

2 Jahre

Verlust UMRD

DADI

Dasatinib in 2. Linie

63

MR4.0

1 Jahr

Verlust MR 4.0

STIM2

Imatinib

124

UMRD (MR4.5)

2 Jahre

Verlust UMRD

: Verlust von UMRD wurde in STIM1 und STIM2 als zwei oder mehrere aufeinanderfolgende Proben mit detektierbarem BCR-ABL und einem log-1-Anstieg; in der TWISTER und HOVON-Studie zwei aufeinanderfolgende Proben mit Nachweis von BCR-ABL wurde als Verlust der UMRD betrachtet. *A-STIM erlaubte gelegentliche auf niedrigem Niveau positive RQ-PCR-Ergebnisse während der zwei Jahre UMRD.

Tabelle 2: Institutionelle Anforderungen für eine sichere Überwachung der TFR

Institutionelle Anforderungen für eine sichere Überwachung der TFR

  1. Verfügbarkeit eines qualitativ hochwertigen, international standardisierten, akkuraten sensitiven RQ-PCR-Labors

  1. Schneller Durchlauf der RQ-PCR-Ergebnisse - innerhalb von 4 Wochen

  1. Kapazität für RQ-PCR-Analysen alle 4-6 Wochen, wenn erforderlich

  1. Etablierung strukturierter Nachsorge, um ein schnelles Eingreifen bei einem BCR-ABL-Anstieg zu ermöglichen

Tabelle 3: Informierte Entscheidungsfällung für TFR-Kandidaten: Praktische Beispiele

Zusammenfassung des Falls

Empfehlung

Fall 1: Eine 58-jährige Dame hat Imatinib 400mg täglich während 10 Jahren eingenommen. Sie hat milde Myalgie und Arthralgie, aber insgesamt sagt sie, ihre Lebensqualität sei so gut wie diejenige vieler ihrer Freunde. Sie hat UMRD während 8 Jahren erhalten.

Für einen Absetzversuch. Informiert, dass es eine >50% Wahrscheinlichkeit gibt, dass TFR erreicht werden kann, aber dass die Risiken des Absetzens sorgfältig gegenüber den Risiken einer Fortsetzung der Behandlung, die in diesem Fall sehr gering waren, abgewogen werden müssen. Sie entschied, den TKI nicht zu diesem Zeitpunkt absetzen zu wollen und das Imatinib ein normaler Teil ihres Lebens während vieler Jahre geworden sei. Imatinib abzusetzen würde häufigere Blutuntersuchungen bedeuten, die sie als Unannehmlichkeit ohne bedeutenden Gewinn sah. Sie war beunruhigt, dass das hypothetische Risiko der der behandlungsfreien Zeit zu einem Verlust der Sensitivität gegenüber Imatinib führen könnte, mit der Argumentation, dass auch, wenn das Risiko klein sei, es sich um ein Risiko handele, das sie eingehen würde.

Fall 2: Ein 78-jähriger mit CML auf Imatinib 400mg für 6 Jahre. Er hat UMRD nie erreicht, aber MR 4.0 während zweier Jahre erhalten. Er zieht das Absetzen des TKI wegen Nebenwirkungen in Betracht (Durchfall und Anämie).

Für einen Absetzversuch. Die Chance für TFR mag geringer als 50% sein, weil er weniger als 8 Jahre TKI-Behandlung erhalten und nur MR 4.0 erreicht hat. Weil er aber substantielle Nebenwirkungen hat, die in diesem Fall eine ausreichende Rechtfertigung für einen Absetzversuch wären. Beratung ist hier wichtig, damit er die grosse Wahrscheinlichkeit versteht, dass das Absetzen de TKI nicht erfolgreich sein wird.

Fall 3: Eine 31-jährige Frau mit 4.5 Jahre vorher diagnostizierter CML. Sie erhielt 2 Jahre Imatinib 600mg und wechselte dann wegen nicht erreichter MMR auf Nilotinib. Sie erreichte mit Nilotinib zügig MR4.5, was sie jetzt seit zwei Jahren erhalten hat.

Gegen einen TFR-Versuch zum jetzigen Zeitpunkt. Weitere 2 Jahre Behandlung mit Nilotinib empfohlen, um danach einen Absetzversuch zu starten. Die Wahrscheinlichkeit für eine TFR ist angesichts des schlechten Ansprechens auf Imatinib und der insgesamt relativ kurzen Behandlungszeit mit TKI ist wahrscheinlich kleiner als 50%. Ein verfrühter Versuch kann den Zeitpunkt signifikant verzögern, zu dem sie erfolgreich TFR erreichen kann. Mit der Tatsache, dass die Fruchtbarkeit ab 30 zügig abnimmt, gibt es ein bedeutendes Risiko, dass die Patienten ohne Unterstützung des Arztes und angemessene Überwachung absetzen könnte. Einige Ärzte würden in dieser Situation den TKI absetzen und IFN als Erhaltungstherapie verwenden.

 

 

Abbildung 1:

Kriterium

Grün

Gelb

Rot

Erfüllung der Institutionellen Kriterien (Tabelle 1)

Ja

-

Nein

Sokal-Score bei Diagnose

Nicht Hoch

Hoch

-

BCR-ABL-Transkript bei Diagnose

Typisch- B2A2 oder B3A2 (e13a2 oder e14a2)

Atypisch, aber akkurat quantifizierbar

Nicht quantifizierbar

CML-Geschichte

Nur chronische Phase

Resistenz oder KD-Mutation

Vorausgehende akzelerierte Phase oder Blastenkrise

Ansprechen auf die TKI-Erstlinien-behandlung

Optimal

Suboptimal

Versagen

Tiefe des tiefen molekularen Ansprechens

MR 4.5

MR 4.0

Nicht in MR 4.0

Dauer des tiefen molekularen Ansprechens, überwacht in einem standardisierten Labor

>2 Jahre

1-2 Jahre

< 1 Jahr

Alles Grün: Klare Empfehlung, das Absetzen des TKI in Betracht zu ziehen.

Irgend ein gelbes Feld: Absetzen des TKI nur dann in Betracht ziehen, wenn besondere Umstände vorliegen, z.B. bedeutende Nebenwirkungen oder eine geplante Schwangerschaft.

Irgend ein rotes Feld: Absetzen des TKI nicht empfohlen, ausser innerhalb einer klinischen Studie.

 

Quelle: Timothy P. Hughes, David M. Ross: Moving treatment-free remission into mainstream clinical practice in CML

Blood First Edition Paper, prepublished online March 24, 2016; DOI 10.1182/blood-2016-01-694265

Übersetzung durch NL, ohne Gewähr für die Richtigkeit

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