Auf der in den USA momentan stattfindenden Krebskonferenz ASCO wurden die Ergebnisse der Erstlinienstudien DASISION mit Dasatinib und ENESTnd mit Nilotinib vorgestellt, in der Patienten mit neu diagnostizierter CML nach Diagnosestellung das jeweilige Medikament erhielten. Beide Studien verglichen diese experimentelle Ersttherapie mit der Imatinib-Standardtherapie.

DASISION-Studie mit Dasatinib


In der Studie wurde nach 12 Monaten Therapie unter Dasatinib gegenüber Imatinib-Erstlinie öfter eine komplette zytogenetische Remission sowie eine weitgehende molekulare Remission festgestellt. 

"Innerhalb einer kurzen Beobachtungszeit von 12 Monaten fanden wir heraus, dass es eine überlegene Wirksamkeit von Dasatinib gibt, gemessen an schnellerem Ansprechen und mehr kompletten zytogenetischen Antworten", so Dr. Hagop Kantarjian vom MD Anderson Krebszentrum in Houston, Texas. "Wir glauben, dass es langfristig bessere Ergebnisse bringen wird, und anhand unserer Ergebnisse glauben wir, dass Dasatinib die Erstlinientherapie für CML werden sollte". Kantarjian stellte ide Ergebnisse am Samstag auf dem "ASCO-Jahrestreffen 2010" in Chicago vor. Die Studienergebnisse wurden gleichzeitig im "New England Journal of Medicine" veröffentlicht.

Die die Studie wurden 519 Patienten mit Ph-positiver, neu diagnostizierter CML in chronischer Phase eingeschlossen. Per Zufallsverfahren wurden 259 Patienten in den Dasatinib-Arm (1x100mg/Tag) und 260 Patienten in den Imatinib-Arm (400mg/Tag) aufgenommen. Das primäre Studienziel war die Messung der Anzahl kompletten zytogenetischen Ansprechens nach 12 Monaten.

"Ein weitgehendes molekulares Ansprechen war zu jedem Zeitpunkt bei Dasatinib besser", so Kantarjian. "Zum 12-Monats-Zeitpunkt war das Auftreten eines weitgehenden molekularen ANsprechens beinahme doppelt so häufig wie bei Imatinib". Komplettes zytogenetisches Ansprechen erreichten 83% der Patienten mit Dasatinib und 72% mit Imatinib. Weitgehendes molekulares Ansprechen erreichten 46% der Patienten mit Dasatinib und 28% mit Imatinib.

Kantarjian fügte hinzu, dass Dasatinib im Durchschnitt gut vertragen werde. Grad 3/4-Anämie und Neutropenie waren in beiden Therapiearmen ähnlich, Thrombozytopenie war häufiger bei Dasatinib (19% gegenüber 10%).

Nilotinib


In einer separaten Studie mit 846 Patienten wurden 282 Patienten mit Nilotinib 2x300mg/Tag, 281 Patienten mit Nilotinib 2x400mg/Tag und 283 Patienten mit Imatinib 400mg/Tag behandelt. 80% der Patienten erreichten mit Nilotinib ein komplettes zytogenetisches Ansprechen, aber nur 65% der Imatinib-Patienten. 44% der Nilotinib-Patienten erreichten nach 12 Monaten ein weitgehendes molekulares Ansprechen, aber nur 22% der Imatinib-Patienten. Suboptimales Ansprechen und Therapieversagen war in den Nilotinib-Armen deutlich seltener und das Vorkommen von Progressionen deutlich seltener. Kein Patient, der ein weitgehendes molekulares Ansprechen erreichte, erlitt ein Fortschreiten der CML. Es gab keine unerwarteten Sicherheitsereignisse. Therapieabbrüche waren im 2x300mg-Nilotinib-Arm am Seltensten. Lungenödeme gab es bei weniger als 1% der Nilotinib-Patienten.

Diskussion


Da beide Studien unterschiedlich aufgesetzt wurden, sind die Daten beider Studien nicht direkt vergleichbar. Da Dr. Hagop Kantarjian in beide Erstlinienstudien involviert ist, schlussfolgerte er auf ASCO, dass sowohl Nilotinib als auch Dasatinib der Standardtherapie Imatinib überlegen seien. Es gab verschiedene Nebenwirkungen aller in den Studien verwendeten Medikamente, wie z.B. Hautprobleme und Kopfschmerzen bei Nilotinib, oder Ödeme im Brustraum bei Dasatinib

Dr Charles Sawyers, Spezialist vom "Memorial Sloan-Kettering-Krebszentrum" in New York, schrieb im New England Journal of Medicine, dass alle drei Medikamente "ein außergewöhnliches Sicherheitsprofil hätten". Er warf die Frage auf, ob die neuen Erkenntnisse Imatinib "für immer einen Ehrenplatz in der Geschichte der Onkologie bekommen würde, aber nicht weiter benötigt würde". Gleichzeitig fügte er hinzu, dass Imatinib eine Wiedergeburt erhalten könne, wenn die Patentfrist abliefe: "Mit steigendem Druck, Kosten und Wirkung gegenüberzustellen, könnten Patienten und Steuerzahler gezwungen sein, die günstigste der drei exzellenten Behandlungsoptionen zu wählen". In den USA läuft das Imatinib-Patent im Jahr 2015 aus, in Europa 2016. Dr. Kantarjian sagte, dass Dasatinib und Nilotinib eine signifikante Verbesserung in Überlebensraten beweisen müßten, um ihre Preise gegenüber einem generischen Imatinib in Erstlinien-CML zu rechtfertigen.

Die Beobachtungszeit beider Studien ist bisher nur kurz (12 Monate bei Dasatinib, 18 Monate bei Nilotinib). Ob das schnellere Ansprechen und der höhere Anteil Remissionen einen langfristigen Vorteil im Überleben ergibt und wie die Zweitgenerations-Medikamente im direkten Vergleich mit Imatinib als Ersttherapie abschneiden, ist noch unklar. Manche Ärzte würden laut Dr Kantarjian eventuell eine drei- bis fünfjährige Studiendauer abwarten wollen, bevor sie von der existierenden Therapieempfehlung in der Primärtherapie (Imatinib) abrücken. 

Trotz allem sind die Studienergebnisse sehr ermutigend, weil CML-Patienten weitere Therapieoptionen zur Verfügung stehen werden.

Quellen:
Freie Übersetzung und Zusammenfassung aus dem Englischen durch Jan, ohne Gewähr auf Richtigkeit und Vollständigkeit.

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