Zweites Absetzen der TKI-Behandlung an CML-Patienten, bei denen ein erster Absetzversuch fehlgeschlagen ist, und die in der Folge nach Wiederaufnahme der Behandlung ein erneutes tiefes molekulares Ansprechen erreichten. Übersetzung des ASH 2016-Abstracts #788
Autoren: Thomas Pagliardini, Franck E. Nicolini, Stephane Giraudier, Philippe Rousselot, Gabriel Etienne, Françoise Huguet, Agnes Guerci-Bresler, Bruno R. Varet, Martine Escoffre, Stephane Morisset, Francois-Xavier Mahon and Laurence Legros
Hintergrund: Tyrosinkinaseinhibitoren (TKI) können bei einigen Patienten mit chronisch-myeloischer Leukämie (CML) eine langfristig molekular nicht mehr nachweisbare Resterkrankung induzieren. Verschiedene Studien haben gezeigt, dassdie Behandlung mit TKI wie Imatinib (STIM, TWISTER, EUROSKI) und neuerdings auch mit Nilotinib und Dasatinib (STOP 2G-TKI) sicher abgesetzt werden kann. Alle diese Studien erreichen einen Anteil der behandlungsfreien Remission von ca. 50%. Ein wesentliches Problem muss noch für die ca. 50% der Patienten gelöst werden, bei denen diese Strategien zum Erreichen einer behandlungsfreien Remission versagen.
Methoden: Wir haben früher über die Möglichkeit eines zweiten Imatinib-Absetzversuchs an 16 Patienten berichtet, die ein zweites Mal in den Zustand der molekular nicht nachweisbaren Erkrankung entsprechend der STIM-Kriterien gelangten (RE-STIM observational study, Legros et al, Blood 2012). Hier wird über eine grössere Kohorte von Patienten berichtet, die das Absetzen der TKI-Behandlung zweimal versuchten, mit erweiterten Einschlusskriterien: Erwachsene CML-Patienten ohne vorausgehende allogene Stammzelltransplantation oder Progression in eine CML in fortgeschrittener Phase, die einen zweiten Versuch, die TKI abzusetzen für eine anhaltende behandlungsfreie molekulare Remission nach einem ersten Fehlschlag angehen. Alle Patienten wurden in CML-Referenzzentren entsprechend der EUTOS-ELN-Akkreditierung für BCR-ABL- Messungen mit dem Minimum von 32'000 ABL-Kopien pro Probe überwacht.
Ergebnisse: Zum Zeitpunkt der Analyse (1. Juli 2016) waren 67 Patienten (Altersmedian 51 Jahre, Bereich 25-80 Jahre) eingeschlossen. Zum Zeitpunkt der CML-Diagnose befanden sich 64 Patienten in der chronischen Phase (CP) und 3 Patienten in akzelerierter Phase (AP). Die SOKAL-Risiken und der EUTOS long term survival score (ELTS) waren relativ gering bei 47% und 68%, mittel bei 36% und 16%, hoch bei 11% und 2% und unbekannt bei 6% und 14% der Patienten. Alle Patienten wurden initial mit Imatinib behandelt, 16% der Patienten wechselten vor dem ersten Absetzen wegen Intoleranz oder Resistenz auf Nilotinib (6/11) oder auf Dasatinib (5/11). Die mittlere Dauer der TKI-Behandlung vor dem ersten Absetzen betrug 63 Monate (Bereich: 30-146) und die mittlere Dauer der ersten CMR betrug 35 Monate (Bereich 20-85). Der erste molekulare Rückfall trat im Median nach 2.5 Monaten auf (Bereich 0-22)., das zweite Auftreten molekular nicht nachweisbarer Erkrankung nach Wiederaufnahme der TKI-Behandlung wurde im Mittel nach 4.4 Monaten (0-40) erreicht. Der Grund für die Wiederaufnahme der Behandlung war der Verlust der molekular nicht nachweisbaren Erkrankung bei 43%, Verlust der MMR bei 53% und unbekannt bei 1%. Die Behandlung (Imatinib 73%, Nilotinib 16%, Dasatinib 11%) wurde zum zweiten Mal im Mittel während 31 Monaten vor dem zweiten Absetzversuch gegeben (9-72 Monate).Zum Zeitpunkt des zweiten Absetzens zeigten 85% der Patienten molekular nicht nachweisbare Erkrankung, 3% MR4.5, 6% MR4, 3% MMR und 3% unbekanntes Ansprechen. 30 von 86 Patienten blieben nach einer mittleren Beobachtungsdauer von 21.5 Monaten (1-106) Behandlungsfrei. Ähnlich wie bei den erstmaligen Versuchen trat die Mehrzahl der Rückfälle während der ersten 6-12 Monate nach dem zweiten Absetzen auf. Es konnte mit einer multivariaten Analyse keinerlei Einfluss von Geschlecht, Alter, Phase der Erkrankung, Prognosescore, vorausgegangener Interferonexposition, Art des ersten TKI und Dauer der molekular nicht nachweisbaren Erkrankung auf das Ergebnis festgestellt werden. Im Gegensatz dazu zeigte sich, dass eine längere Behandlungsdauer bis zum Erreichen molekular nicht nachweisbarer Erkrankung vor dem ersten Absetzversuch mit signifikant geringerer Erfolgsrate nach dem zweiten Absetzen in Verbindung gebracht werden kann (p= 0.048). Alle bis auf einen Patienten, der an einer Herzattacke unter Imatinib-Behandlung starb, sind noch am Leben.
Schlussfolgerung: TKI könnten trotz eines ersten Fehlschlags sicher und erfolgreich zum zweiten Mal bei CML-Patienten abgesetzt werden.
Inoffizielle Übersetzung von NL, ohne Gewähr für die Richtigkeit
allogene Stammzelltransplantation
Bei der allogenen Transplantation handelt es sich um eine Form der Stammzelltransplantation, die bei malignen hämatologischen Erkrankungen zum Einsatz kommt. Dabei werden Blutstammzellen von einem Spender zu einem Empfänger übertragen (Spender und Empfänger sind hierbei nicht dieselbe Person).
Einschlusskriterien
Einschlusskriterien bestimmen, wer an einer klinischen Studie teilnehmen darf. Teilnehmer müssen diese Kriterien erfüllen (z.B. Geschlecht, Alter, Vorerkrankungen), damit das Risiko verfälschender Einflüsse auf das Studienergebnis gering gehalten wird.
Transplantation
Übertragung von Gewebe. Für die Transplantation können eigene Zellen autologe T. oder fremde Zellen allogene T. verwandt werden.
Tyrosinkinase
Enzym, das das Wachstum von Leukämiezellen anregt und therapeutisch durch Tyrosinkinase-Hemmer (Tyrosinkinase-Inhibitoren) gehemmt werden kann.
Progression
Das Fortschreiten einer Krebserkrankung
Interferon
Im Zusammenhang mit Leukämien üblicherweise Interferon-Alpha gemeint. Interferon (von engl. to interfere eingreifen, sich einmischen) ist ein Protein, das eine immunstimulierende und Tumorzellen angreifende Wirkung entfaltet. Es wird als körpereigenes Gewebshormon gebildet, v.a. von Leukozyten, Monozyten und Fibroblasten, kann aber auch als Medikament in körperunüblich hohen Dosen gegen Leukämien eingesetzt werden.
Remission
Vorübergehende oder dauerhafte Rückbildung von Krankheitszeichen. Bei Krebs: Partielle Remission = teilweises Verschwinden oder Verkleinerung von Krebszellen, komplette Remission = keine Krebszellen nachweisbar
chronisch
langanhaltend, sich langsam entwickelnd
myeloisch
das Knochenmark betreffend. Im engeren Sinne die Bildung von bestimmten weißen Blutzellen, den Granulozyten, im Knochenmark betreffend
Resistenz
Unempfindlichkeit gegenüber einer Behandlung, z.B. von Krebszellen gegen eine Therapie
Dasatinib
Handelsname Sprycel, Laborname BMS-354825, hemmt u.a. die BCR-ABL- und SRC-Tyrosinkinasen. Zugelassen in der EU seit 2006 für die Behandlung von CML und Ph+ALL.
Nilotinib
Nilotinib, Handelsname Tasigna, Laborname AMN107, hemmt u.a. die BCR-ABL-Tyrosinkinase. Zugelassen in der EU seit 2007 für die Behandlung der CML und Ph+ALL.
Prognose
Wahrscheinliche zukünftige Entwicklung einer Erkrankung auf Basis der bestehenden Befunde
Imatinib
Imatinib, Handelsname Glivec/Gleevec, Laborname STI-571, ein BCR-ABL-Tyrosinkinasehemmer der ersten Generation. Zugelassen seit Jahr 2002 für die Behandlung der CML und Ph-positiven ALL.
allogen
von einem anderen Menschen stammend, z.B. Fremdspende.
BCR-ABL
BCR-ABL ist ein Fusionsgen auf Chromosom 22. Das Chromosom mit diesem Gen wird als Philadelphia-Chromosom bezeichnet. Es kommt bei fast 95 Prozent der Patienten mit CML (Chronisch Myeloischer Leukämie) vor. Das Gen ABLim Fusionsgen enthält den Bauplan für ein Enzym, eine Tyrosinkinase. Dieses Enzym ist wesentlich an der Übertragung von Signalen beteiligt, die für die Regulation des Zellwachstums und der Zelldifferenzierung erforderlich sind. Durch die Fusion der beiden Gene wird das Tyrosinkinase-Gen aktiviert. Die Folge: Zellen mit diesem Gen vermehren sich unkontrolliert. Das molekulare Ereignis wird als Hauptursache für die Entstehung der CML angesehen.
Kohorte
Gruppe von Patienten mit vergleichbaren Symptomen oder anderen Gemeinsamkeiten, die über eine bestimmte Zeitspanne beobachtet werden.
MR4.5
Tiefe molekulare Remission, bei der die BCR-ABL-Transkripte weniger als 0,0032% (nach Internationaler Skala IS) der insgesamt untersuchten Gentranskripte ausmachen
Gen
Informationseinheit des Erbgutes, enthält meist den Bauplan für ein Protein. Die Gene liegen im Zellkern in Form von DNS vor.
ASH
Amerikanische Gesellschaft für Hämatologie (engl. American Society of Hematology). Oftmals wird ASH als Synonym für den jedes Jahr im Dezember stattfindenden Jahreskongress der Gesellschaft verwendet.
TKI
Tyrosinkinaseinhibitor / Tyrosinkinasehemmer sind neuartige Medikamenten-Wirkstoffe, die bisher vor allem bei Tumorerkrankungen zum Einsatz kommen. Tyrosinkinasen spielen eine Schlüsselrolle bei der Entstehung von Tumorerkrankungen, da sie daueraktiviert zu einer ungebremsten Zellteilung und damit zu einem unkontrollierten Tumorwachstum führen. Die neuartigen Hemmstoffe blockieren diesen Mechanismus.
CHR
Komplette hämatologische Remission (complete haematologic response).
MMR
Gutes molekulares Ansprechen, bei der die BCR-ABL-Transkripte weniger als 0,1% (nach Internationaler Skala IS) der insgesamt untersuchten Gentranskripte ausmachen
MR4
Tiefe molekulare Remission, bei der die BCR-ABL-Transkripte weniger als 0,01% (nach Internationaler Skala IS) der insgesamt untersuchten Gentranskripte ausmachen
CMR
Complete molecular response (engl.) = vollständiges molekulares Ansprechen bzw. nicht mehr nachweisbare Resterkrankung unterhalb einer technischen Erkennungsgrenze
ELN
Das Europäische Leukämie Netz ist eine von der EU finanzierte Organisation bestehend aus Medizinern, Wissenschaftlern und Patienten aus dem Leukämie-Bereich, das zum Ziel hat, die Behandlung von Leukämie-Erkrankungen zu verbessern, Wissen zu generieren und dieses Wissen in Europa zu verbreiten.
MR
Molekulares Ansprechen (= molecular response (engl.). Es wird ausgedrückt durch die Anzahl der CML-spezifischen Gene im Blut
Chronische Phase
Die früheste Phase in der Entwicklung von CML
chronisch
langanhaltend, sich langsam entwickelnd
myeloisch
das Knochenmark betreffend. Im engeren Sinne die Bildung von bestimmten weißen Blutzellen, den Granulozyten, im Knochenmark betreffend
myeloisch
das Knochenmark betreffend. Im engeren Sinne die Bildung von bestimmten weißen Blutzellen, den Granulozyten, im Knochenmark betreffend
allogen
von einem anderen Menschen stammend, z.B. Fremdspende.
2GTKI
Tyrosinkinasehemmer der zweiten Generation. Bei CML wird üblicherweise Imatinib als erste Generation dieser Wirkstoffklasse, Dasatinib, Nilotinib, Bosutinib und Radotinib als zweite Generation (2G TKI), und Ponatinib als dritte Generation (3G TKI) bezeichnet.
Gen
Informationseinheit des Erbgutes, enthält meist den Bauplan für ein Protein. Die Gene liegen im Zellkern in Form von DNS vor.
Gen
Informationseinheit des Erbgutes, enthält meist den Bauplan für ein Protein. Die Gene liegen im Zellkern in Form von DNS vor.
TKI
Tyrosinkinaseinhibitor / Tyrosinkinasehemmer sind neuartige Medikamenten-Wirkstoffe, die bisher vor allem bei Tumorerkrankungen zum Einsatz kommen. Tyrosinkinasen spielen eine Schlüsselrolle bei der Entstehung von Tumorerkrankungen, da sie daueraktiviert zu einer ungebremsten Zellteilung und damit zu einem unkontrollierten Tumorwachstum führen. Die neuartigen Hemmstoffe blockieren diesen Mechanismus.
TKI
Tyrosinkinaseinhibitor / Tyrosinkinasehemmer sind neuartige Medikamenten-Wirkstoffe, die bisher vor allem bei Tumorerkrankungen zum Einsatz kommen. Tyrosinkinasen spielen eine Schlüsselrolle bei der Entstehung von Tumorerkrankungen, da sie daueraktiviert zu einer ungebremsten Zellteilung und damit zu einem unkontrollierten Tumorwachstum führen. Die neuartigen Hemmstoffe blockieren diesen Mechanismus.
Terms & Conditions
Abonnieren
Report
My comments