Pfizer hat in einer Pressemitteilung am 15. November 2013 das Scheitern der Erstattungsverhandlungen mit dem Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen zum Medikament Bosutinib (Handelsname Bosulif) bekannt gegeben. Damit stellt das Unternehmen auch den Vertrieb des Medikaments zur Behandlung von CML-Patienten in Deutschland ein. Das Medikament bleibt unverändert von der EU-Zulassungsbehörde EMA zugelassen und in anderen EU-Ländern verfügbar, da der Marktrückzug ausschließlich in Deutschland erfolgt. Damit führt das Verfahren des deutschen Arzneimittelmarktneuordnungsgesetzes (AMNOG) dazu, dass ein Medikament trotz angenommenem Zusatznutzen vom deutschen Markt genommen wird.

Der Gemeinsame Bundesausschuss G-BA war in seiner Beschlussfassung vom 17.10.2013 zum Schluss gekommen, dass dem Medikament zwar als "Orphan Drug" ein Zusatznutzen bescheinigt wurde, dieser aber maßgeblich aufgrund der lediglich einarmigen Zulassungsstudie ohne Vergleichstherapie "nicht quantifizierbar" sei. Im März 2013 hatte das Medikament von der EMA eine bedingte Zulassung für CML-Patienten erhalten, die mit mindestens einem Tyrosinkinaseinhibitor vorbehandelt wurden und bei denen ImatinibNilotinib und Dasatinib vom behandelnden Arzt nicht als geeignete Behandlungsoption angesehen werden.

Grundlage der gescheiterten Verhandlungen zu den Erstattungspreisen war laut der einer Pfizer-Pressemitteilung, dass die Jahrestherapiekosten von Arzneimitteln verglichen worden seien, die nicht den aktuellen medizinischen Standards entsprechen. Der GKV-Spitzenverband gab in einer ebenfalls heute veröffentlichten Pressemitteilung keine Details zu den Gründen des Verhandlungsendes.

Aufgrund der eng gefassten Zulassung als Drittlinienmedikament in der CML betrifft das Medikament zwar nur eine relativ kleine Patientengruppe, aber gerade bei Patienten, die unverträglich auf die anderen zugelassenen Medikamente reagieren, war Bosutinib aufgrund des anderen Nebenwirkungsprofils eine möglicherweise hilfreiche Option. Aus diesem Grund hatte die EMA auch die EU-Zulassung für Bosutinib erteilt, da es in der EU keine adäquaten Arzneimittel zur Therapie der zahlenmäßig sehr kleinen Patientengruppe, für die Imatinib, Dasatinib und Nilotinib von Fachärzten im Einzelfall nicht als geeignete Therapien angesehen werden, ausgesprochen.

Vor dem 22.08.2013 hatte Leukämie-Online auch im Rahmen des regulären Stellungnahmeverfahrens des G-BA zur Nutzenbewertung von Bosutinib hierzu Position bezogen und dem G-BA die Erforderlichkeit dieser Therapieoption für diese kleine Patientengruppe schriftlich mitgeteilt. Die Stellungnahmen wurden vom G-BA bisher nicht veröffentlicht.

Ebenfalls werden die Erstattungsverhandlungen zwischen Herstellern und GKV-Spitzenverband unter gesetzlich verankerter strenger Geheimhaltung geführt, so dass die Gründe für die Nichteinigung im Falle von Bosutinib für die Öffentlichkeit nicht nachvollziehbar und transparent sind. Die aktuelle Ankündigung der Marktrücknahme von Bosutinib durch Pfizer Deutschland hängt mit der Preisbildung nach dem 2011 in Kraft getretenen Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) zusammen. Für jedes Medikament wird eine Vergleichstherapie festgesetzt. Entsprechende Diskussionen finden aber unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Bei neuen Medikamenten für kleine Patientengruppen kann als Vergleichstherapie eine "alte", wenig wirksame, aber preisgünstige Chemotherapie zum Vergleich herangezogen werden. Prof. Mathias Freund, Geschäftsführender Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie (DGHO), äußerte sich in einer heutigen Pressemitteilung hierzu: "Das ist formal nach dem Gesetz vielleicht richtig, entspricht aber nicht der Behandlungssituation. Für CML-Patienten, die die anderen zugelassenen Medikamente nicht vertragen, ist eine allogene Stammzelltransplantation die Alternative. Wir brauchen eine Transparenz aller Prozesse der Nutzenbewertung, auch der Rabattverhandlungen. Es ist unerträglich für Patienten und Fachexperten, dass das Medikament jetzt zurückgezogen wird und in keiner Weise beurteilt werden kann, wie das zustande kommt. Solche Dinge dürfen nicht hinter verschlossenen Türen bleiben."

Pfizer hat gemäß ihrer Pressemitteilung binnen der gesetzlich vorgesehenen vier Wochen nach Veröffentlichung des Beschlusses des G-BA entschieden, die Verhandlungen mit dem GKV- Spitzenverband zu Bosutinib abzubrechen. Das Unternehmen hat nun das Verfahren eingeleitet, das Arzneimittel auf regulärem Weg in Deutschland aus dem Verkehr zu ziehen. Ein Erstattungsbetrag wird in diesem Fall für das betreffende Arzneimittel in Deutschland nicht bestimmt. Der Schritt, sich aus dem deutschen Markt zurückzuziehen, ist auch darin begründet, dass die deutsche Preisfindung als "Leitmarkt" Einfluss auf die Erstattungspreise in anderen EU-Ländern haben würde.

Für Patienten, die Bosutinib bisher erhielten oder zukünftig innerhalb der zugelassenen Indikation benötigen, bleibt das Medikament aufgrund der EU-Zulassung jedoch in Deutschland weiter zugelassen und verordnungsfähig. Nach ärztlicher Verschreibung und Kostenübernahmeerklärung durch die jeweilige Krankenkasse kann das Medikament über jede deutsche Apotheke aus dem EU-Ausland zu den dortigen Abgabepreisen bezogen werden.

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