Berufswahl nach Leukämieerkrankung

Wie gehe ich mit Leukämie im Alltag um? Wie unterstütze ich als Freund oder Angehöriger? Welche Erfahrungen gibt es bezüglich Rente, Behindertenausweis, Psychotherapie, Kur?

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Frank
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Beitrag von Frank » 16.10.2005, 16:36

Hallo Pascal,

habe einen Behindertenausweis mit 50 %. Das verschafft mir 5 Tage mehr Urlaub. Dann denke ich, kann ich auch in den 4 Jahresuntersuchungen (oder so) auch diesen Urlaub nehmen. Das finde ich fair ggü. dem Arbeitgeber.

Wir haben ohnehin Gleitzeit und Arztbesuche können nicht auf Krankenschein genommen werden. Für die Punktionen ist es halt etwas lästig zu arbeiten, deswegen Urlaub. Aber mir kann wenigstens keiner sagen ich würde Fehltage haben (NULL). Somit kann das Argument "sie können das nicht, sie fehlen ja so oft" eigentlich bei mir nicht angewendet werden.

Gruß
Frank
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unknown

Beitrag von unknown » 15.10.2005, 03:40

Hallo Frank,

das bestätigt mich vollauf, daß man in der Regel die Krankheit verschweigen soll.
Mein Arbeitgeber kennt die Diagnose auch nicht.

Juristisch heikel dürfte es freilich werden, fall eine direkte Frage gestellt wird und man auf diese dann mit einer Lüge antworten möchte ...

So rücksichtsvoll wie Du, für Untersuchungen Urlaub zu verbraten, bin ich freilich nicht. Erholsam sind die Kliniktage sicher nicht. Aber das ist das weite Feld eines Teufelskreises.

Pascal.

Frank
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Beitrag von Frank » 14.10.2005, 00:25

Hallo Leute,

das war jetzt mal interessant zu lesen.

Ich habe mich bei der großen Firma DaimlerChrysler beworben. In einem sehr qualifizierten Job. Die Diagnose CML war zum Zeitpunkt des Bewerbungsgesprächs 4 Monate her. Ich habe es gesagt und die beiden Herren waren schockiert.

Einige Tage später bekomme ich den Anruf mit folgendem O-Ton:
Sie sind von unseren 50 Bewerbern auf dem ersten Platz gelandet. Aber mit dieser Leukämie können wir Sie nicht nehmen! Tut uns leider .... wir hatten schon einmal einen Leukämiefall in der Abteilung und der ist "plötzlich" gestorben.

Mittelschwer schockiert habe ich das zu Kenntnis genommen. Traurig aber wahr.

Seit meiner Diagnose habe ich bei meinem jetzigen Arbeitgeber wegen der Erkranung genau 0 (NULL) Tage gefehlt.

Wenn Untersuchungen anstehen lege ich die auf einen Freitag und nehme einen Tag Urlaub oder Gleitzeit. Mein AG weiß das und akzeptiert es.

Aber bei jeder Neueinstellung ist es natürlich eine schwere Entscheidung.

Aber: CML ist sehr gut behandelbar und nicht mehr so lebensbedrohlich wie vor einigen Jahren. Aber das kann man in einem Bewerbungsgespräch nicht all zu überzeugend erklären.

Ich bin traurig gewesen aber dennoch froh, dass mein jetziger Arbeitgeber dies akzeptiert.

Und ich betreue SAP-Systeme. Das ist auch sehr anstrengend und belastend. Es ist halt so ... und so ... wie alles

In diesem Sinne ... das nächste mal sag ich die CML nicht. Merkt eh keiner, wenn die Untersuchungen nur einmal im Quartal sind!

Gruß
Frank

unknown

Beitrag von unknown » 13.10.2005, 08:07

Hallo zusammen,

vielleicht äussert sich in diesem Verhalten des nun doch "Nicht-Azubis" die nicht psychisch verarbeitete Krankheit. Ich hab schon einige Patienten kennengelernt, die z.B. nach einer Transplantation zurück in ihr altes Leben wollten.

Ich denke, man muss der Erkrankung die Beachtung schenken, die sie fordert. Man kann nicht so tun, als wäre "nichts" passiert. Vielleicht hat sich der Azubi zuviel zugetraut und war noch gar nicht so weit in ein "normales" Leben zurück zu kehren?

Das Fernbleiben von der Arbeit ohne ärztliches Attest könnte ein Zeichen von "psychischer Lähmung" und Überforderung sein. Eventuell braucht er noch viel Toleranz und Verständnis.
Im heutigen harten Arbeitsprozess sicher etwas viel verlangt.

Ich hoffe für ihn, dass er seinen Weg findet
Heide

unknown

Beitrag von unknown » 14.09.2005, 15:39

Lieber Arbeitgeber!

Es tut mir wirklich leid, dass Sie so eine schlechte Erfahrung machen mussten.
Sicherlich war es aber nur ein Einzelfall, dass sich Ihr Azubi so verhalten hat und die Probleme in seiner Person begründet.
Ich denke, jeder der mal krank war oder ist, weiß, was er an einem Arbeitsplatz hat und macht alles, um ihn behalten zu können (ich jedenfalls).
Bitte bleiben Sie trotz dieser Erfahrung aufgeschlossen, tolerant und sozial wie bisher!

Viele Grüße,
Hindemitter

unknown

Beitrag von unknown » 14.09.2005, 15:23

Hallo noch mal.

Tja, leider hatte unser Azubi anscheinend nicht viel Ernsthaftigkeit und Lebenserfahrung gesammelt. Sechs Wochen nach Beginn der Ausbildung mussten wir leider wieder kündigen.
In Sechs Wochen Berufsleben 3 Wochen krank - kann passieren - aber davon insgesamt 5 Tage ohne Ärztliches Attest - da mag ich nicht abwarten, was nach der Probezeit passiert...

Schade ist es schon, gerade dieses Problem hätte ich absolut nicht erwartet. Auch nach mehrmaliger Aufforderung hat er es nicht geschafft, für die Fehltage (die eigentlich mitten im Krankheitszeitraum lagen) ein Attest nachzureichen. Der Azubi konnte unser Problem mit der fehlenden Krankmeldung überhaupt nicht verstehen - Er war doch krank, kann er doch nichts dafür...

- sorry, aber so funktioniert das Arbeitsleben nicht.

Ich hätte nicht gedacht, das ich meinen "Abschlußbericht" so schnell schreiben muss.

jan
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Beitrag von jan » 12.07.2005, 20:20

Hallo Gast,

ich freue mich unheimlich über diese gute Nachricht und wünsche gegenseitig viel Glück und Erfolg!

Viele Grüße
Jan

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ph_bgm
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Beitrag von ph_bgm » 12.07.2005, 11:35

Lieber Arbeitgeber!

Ich finde es gut, dass Sie den Azubi eingestellt haben.

Was halten Sie davon in Ihrem Betrieb eine Firmentypisierung für Spendewillige mit der DKMS durchzuführen?

Schöne Grüße

Philipp
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unknown

Beitrag von unknown » 12.07.2005, 11:26

Also nochmals zum Anschluß:

Vielen Dank an alle, die mir geantwortet haben und unsere Entscheidung damit erleichtert haben.

Wir haben den Vertrag unterschrieben.

Der Azubi hat von seinem Arzt eine Bescheinigung mitgebracht, das aus ärztlicher Sicht nichts gegen diese Berufswahl spricht - eigentlich ist es ja nur zu unserer Absicherung. Wir wollten nicht irgendwann gesagt bekommen: "Das hättet ihr doch vorher klären können/müssen." Wenn der Arzt keine Bedenken hat, brauchen wir wohl auch keine zu haben.

Ob es klappt oder nicht wird wohl von vviiiiiiieeeelen anderen Faktoren abhängen - drei Jahre sind eine lange Zeit, in der einiges passieren kann.
Irgendwann werde ich mal einen Zwischenbericht geben...

- Bis dahin, der Gast :wink:

jan
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Beitrag von jan » 04.07.2005, 20:17

Hallo,

"Unbedenklichkeitsbescheinigungen" wird es vermutlich nicht geben, da natürlich kein Arzt (wie bei jeder anderen Erkrankung auch) verbindlich zusagen kann, dass die Erkrankung endgültig überwunden ist. Ich habe ähnliches zwar noch nie gehört, könnte mir aber vorstellen, dass der Arzt eventuell bescheinigen könnte, dass er seinen Patienten nach medizinischer Einschätzung für körperlich und beruflich belastbar hält. Aber ist der persönliche Eindruck und die praktische Bewährung in der Probezeit nicht viel entscheidender als ein Arztbrief?

Regelmäßige Routinekontrollen würde ich nicht als bedenklich einstufen, da diese nach einer Erkrankung dieser Art ganz normal sind.

Wenn ich mich in den Gedanken versetze, dass das eigene Kind Krebs hatte und diesen mit ungewöhnlich viel Energie und Kraft überwinden konnte - hätte es nicht gerade dann gleiche Chancen auf ein ganz normales Leben, eine gute Ausbildung und ein erfolgreiches Berufsleben verdient?

Wie gesagt, ich würde - bei gleicher Qualifikation - dem jungen Mann wirklich eine Chance geben. Ich stimme Thomas dabei völlig zu - der Bewerber hat seinen gleichaltrigen Mitbewerbern bestimmt eine Menge Lebenserfahrung und Ernsthaftigkeit voraus. Und eine Garantie, dass ein Arbeitnehmer auf Dauer gesund bleibt, hat man nie - ich kenne viele Leukämiekranke, die seit Jahren uneingeschränkt arbeiten, und ich kenne vermeintlich Gesunde, die ständig krank sind... letztlich ist eine Einstellung immer ein Wagnis für beide Seiten, und daran ändert auch eine überwundene frühere Erkrankung nichts.

Viele Grüße
Jan

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unknown

Beitrag von unknown » 04.07.2005, 17:39

Vielen Dank für die bisherigen Beiträge -

Entschieden haben wir uns noch nicht. Ich weiß nur, das er z.Zt. noch 1 mal die Woche zur Blutuntersuchung muss - gilt die Behandlung dann schon als abgeschlossen?
Eventuell würden wir vielleicht eine Art "Unbedenklichkeitsbescheinigung" vom behandelnden Arzt zur Bedingung machen. Gibt es das?

>> Ich denke, wer sich bewirbt und das Thema offen anspricht, wird selbst die Einschätzung haben, daß er dem Beruf gewachsen ist und dies auch anhand von Befundberichten und körperlicher Verfassung beurteilen können. <<

Leider möchte ich mich darauf nicht verlassen - letztes Jahr hatten z.B. wir eine Bewerbung von einem 15-Jährigen, dessen Eltern ihn nach der 8. Klasse aus der Schule nehmen wollten, damit der Junge eine Ausbildung macht - in keinem Fach schlechter als befriedigend - da verliert man langsam das Vertrauen auf "das beste für´s Kind wollen"...

Lise
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Beitrag von Lise » 01.07.2005, 11:20

Hallo Arbeitgeber,

es scheint ja so zu sein, daß die Leukämie-Behandlung abgeschlossen ist.

In meinem Bekanntenkreis kenne ich eine damals 17-jährige, die sich der Behandlung unterzogen hat und die mittlerweile mehrere Kinder hat und Mitte dreißig ist und keine Einschränkungen hat.

Ich denke, wer sich bewirbt und das Thema offen anspricht, wird selbst die Einschätzung haben, daß er dem Beruf gewachsen ist und dies auch anhand von Befundberichten und körperlicher Verfassung beurteilen können.

Wäre doch schön, wenn ihr es versuchen würdet.

Grüße von Lise.


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unknown

Beitrag von unknown » 01.07.2005, 07:37

Hallo,
ich habe seit vier Jahren Leukämie (CML) und habe im September 05 eine Ausbildung angefangen. Von anfang an habe ich mit offenen Karten gespielt. Es wäre mir zu riskant gewesen, dass es mein Chef später von jmd Anderen heraus finden würde. Auch könnte ich länger mal krank sein. Bis jetzt war das aber noch nicht der Fall.
Da ich einen Schwerbehindertenausweis habe unterstützt die Agentur für Arbeit meine Arbeitgeber finanziel. D.h. das Arbeitsamt zahlt meinem Arbeitgeber 80% vom Gehalt des 3. Lehrjahres. Ich würde mich auf jeden Fall mal beim Arbeitsamt informieren. Außerdem müssen Betriebe ab einer bestimmten Größe Schwerbehinderte einstellen, ansonsten müssen sie was zahlen.
Meine Arbeit mache ich wie jeder andere Azubi auch. Die Krankheit schränkt mich absolut nicht ein. Von dem Herr hat mein Chef einen Glücksgriff gemacht! Ich natrülich auch :wink:))
Gruß

Thomas55
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Beitrag von Thomas55 » 30.06.2005, 12:45

Hallo,
wie Du ja schreibst, geht es um einen jungen Menschen der "Leukämie hatte" also ist er erfolgreich behandelt, d.h. geheilt worden. Wenn dies der Fall ist, gehe ich davon aus, dass er normal voll belastbar ist, einem bisher gesunden Menschen hat er vermutlich sogar einiges an Lebenserfahrung voraus - sicher keine schlechte Voraussetzung im Beruf.

Gruß
Thomas
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jan
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Beitrag von jan » 30.06.2005, 11:56

Hallo,

herzlichen Dank für Deine Anfrage und den offenen Umgang mit diesem Thema - das ist durchaus ungewöhnlich, und ich freue mich sehr darüber, dass Du Dich informierst, bevor Du eine auf Vermutungen basierte Entscheidung fällst.

Da es viele biologisch unterschiedliche Leukämiearten gibt, ist eine pauschale Aussage natürlich hier schwer zu treffen. Die Leukämietherapie hat sich aber in den letzten Jahren extrem stark weiterentwickelt, und die Chancen, nach einer Leukämieerkrankung ein "normal hohes" Lebensalter zu erreichen und uneingeschränkt zu leben und zu arbeiten, sind heute sehr hoch, insbesondere, wenn die Therapie in jungen, kräftigen Jahren durchgeführt wird.

Ich kenne sehr viele Leukämiepatienten, die ein völlig normales Leben führen und völlig normal arbeiten - und bei denen der Arbeitgeber von deren Erkrankung vielleicht sogar gar nichts weiss. Bei mir selbst ist dies der Fall - ich habe seit der Erkrankung vor vier Jahren ungefähr drei Arbeitstage wegen meiner Erkrankung gefehlt - der Rest waren Erkältungen wie bei jedem anderen Arbeitnehmer auch. Beziehungsweise - meine Fehltage waren viel geringer als bei den meisten meiner potentiell gesunden Kollegen.

Insofern ist Deinem Bewerber hoch anzurechnen, dass er mit offenen Karten spielt. Ich würde daher auch ganz offen mit ihm darüber reden, ihm Deine Sorgen mitteilen, seine Motivation verstehen, einen gemeinsamen Weg definieren. Schließlich gibt es auch eine Probezeit, in der Ihr Euch kennenlernen könnt und sehen könnt, ob es passt.

Grundsätzlich möchte ich noch anmerken: Leukämie kann heute eine chronische Erkrankung sein, die keinerlei Einschränkung auf das normale Leben hat - oder die geheilt wird. Eventuell ist es für einen Arbeitgeber sogar riskanter, einen Arbeitnehmer einzustellen, der in seiner Freizeit eine Sportart mit hohem Verletzungsrisiko (wie Fussball oder Snowboarden) verfolgt... aber darüber sieht man eher hinweg...

Herzliche Grüße
Jan




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