Re: Umgang mit Fatigue
Verfasst: 17.12.2015, 10:30
Hallo Annelise,
danke dir für den Beitrag. Es tut gut zu wissen, dass man mit solchen -für Außenstehende völlig unverstehbaren- Problemen nicht alleine ist.
Bei mir gestaltet es sich ähnlich. Ich bin, oder war es zumindest bis zur CLL-Diagnose, ein lebensbejahender Mensch mit viel Humor und noch vielen Plänen für die "zweite Lebenshälfte". Aber diese bleiernde Müdigkeit kann einem an den Rand des Wahnsinns bringen. Ich kämpfe damit, von Laien wie Experten gleichermaßen mit Schulterzocken begleitet, mit zunehmender Tendenz seit etwa 6 Jahren. Bei Autofahrten länger als 2 Stunden muss ich jeweils Schlafpausen einlegen, nach dem Aufstehen setzt - unabhängig von der Schlafdauer- auch schon bald wieder die Müdigkeit ein. Das belastet auch die Partnerschaft.
Obwohl ich meine Arbeit gerne mache (und das Geld natürlich auch brauche), wird das Durchhalten von Vollzeit zunehmend zur Tortur. Zumal man innerhalb des Unternehmens nicht mit Verständnis rechnen kann und schon doof angeguckt wird, wenn man einmal 1 Minute später vom Mittag(sschlaf im Auto) zurückkommt. Was Unternehmen von ihren Mitarbeitern halten, habe ich erst kürzlich wieder gesehen, als man bei uns (nachdem es jahrelang weder Prämien noch Weihnachts- noch Urlaubsgeld gab) ein Prämiensystem nach Kranktagen eingeführt hat: Wer länger als 3 Tage im Jahr krank ist, bekommt ... nix. Darüber hinaus landet man früher oder später, implizit oder explizit, auf der "Faul" oder "Psycho"-Schiene.
Sowas, verbunden mit dem Wissen, dass dagegen selbst beim renommiertesten Experten kein Kraut gewachsen ist, verbunden mit der Ignoranz von Ärzten, Arbeitgebern, Kollegen und sogar Freunden, erzeugt wechselseitig Gefühle, die mir vorher eigentlich fremd waren: Resignation und Wut. Was die von dir erwähnte Behandlung durch den Hämatologen betrifft, so bin ich (nach Sichtung der Betroffenenerfahrung) realistisch: Sowohl Antikörpertherapie wie auch Chemotherapie mag die klonalen Lymphozyten beseitigen, aber von einer Besserung der Fatigue hat bislang kein einziger unserer Leidgenosse berichtet. Dafür umso mehr, dass es danach in Sachen Müdigkeit eher noch schlechter lief. Insofern hat dein Hämatologe wohl (leider) Recht.
Dass ein Zusammenhang zwischen der CLL und der Fatigue besteht (und die Müdigkeit nicht, wie von vielen Ärzten behauptet, eine eigenständige Entität ist), bin ich mir auch sicher. Allerdings würde ich es nicht wie du formulieren, dass die Fatigue VON der CLL kommt. Ich mutmaße eher, dass Faktoren im Körper zusammenkommen, die das Immunsystem "ausleiern", um am Ende in einer CLL zu münden. Dafür spricht, dass bei vielen Betroffenen Jahre oder Jahrzehnte vorher zuerst das Immunsystem zickt (z.B. bei mir Gelenkentzündungen, Allergien, Asthma, Magen- / Darm- / Speisröhrenentzündungen, Augenentzündungen usw.), dann die Fatigue einsetzt und erst später, sozusagen als "Höhepunkt", die CLL auftritt. Ich neige also eher zur Annahme, dass die Fatigue VON (noch unerforschten) Immunfehlregulierungen kommt, die schließlich zur CLL führen können. Das würde dann auch die erhebliche Verzögerung, die zwischen dem Auftreten der Fatigue und der labortechnischen Erfassbarkeit der CLL liegt, erklären. Als einer, der im Studium erschöpfend mit Statistik gequält wurde, ist mir allerdings bewusst, dass man diese Mutmaßung empirisch erst belegen müsste.
Ich wünsche dir auch viel Kraft, und liebe Grüße,
Watson
danke dir für den Beitrag. Es tut gut zu wissen, dass man mit solchen -für Außenstehende völlig unverstehbaren- Problemen nicht alleine ist.
Bei mir gestaltet es sich ähnlich. Ich bin, oder war es zumindest bis zur CLL-Diagnose, ein lebensbejahender Mensch mit viel Humor und noch vielen Plänen für die "zweite Lebenshälfte". Aber diese bleiernde Müdigkeit kann einem an den Rand des Wahnsinns bringen. Ich kämpfe damit, von Laien wie Experten gleichermaßen mit Schulterzocken begleitet, mit zunehmender Tendenz seit etwa 6 Jahren. Bei Autofahrten länger als 2 Stunden muss ich jeweils Schlafpausen einlegen, nach dem Aufstehen setzt - unabhängig von der Schlafdauer- auch schon bald wieder die Müdigkeit ein. Das belastet auch die Partnerschaft.
Obwohl ich meine Arbeit gerne mache (und das Geld natürlich auch brauche), wird das Durchhalten von Vollzeit zunehmend zur Tortur. Zumal man innerhalb des Unternehmens nicht mit Verständnis rechnen kann und schon doof angeguckt wird, wenn man einmal 1 Minute später vom Mittag(sschlaf im Auto) zurückkommt. Was Unternehmen von ihren Mitarbeitern halten, habe ich erst kürzlich wieder gesehen, als man bei uns (nachdem es jahrelang weder Prämien noch Weihnachts- noch Urlaubsgeld gab) ein Prämiensystem nach Kranktagen eingeführt hat: Wer länger als 3 Tage im Jahr krank ist, bekommt ... nix. Darüber hinaus landet man früher oder später, implizit oder explizit, auf der "Faul" oder "Psycho"-Schiene.
Sowas, verbunden mit dem Wissen, dass dagegen selbst beim renommiertesten Experten kein Kraut gewachsen ist, verbunden mit der Ignoranz von Ärzten, Arbeitgebern, Kollegen und sogar Freunden, erzeugt wechselseitig Gefühle, die mir vorher eigentlich fremd waren: Resignation und Wut. Was die von dir erwähnte Behandlung durch den Hämatologen betrifft, so bin ich (nach Sichtung der Betroffenenerfahrung) realistisch: Sowohl Antikörpertherapie wie auch Chemotherapie mag die klonalen Lymphozyten beseitigen, aber von einer Besserung der Fatigue hat bislang kein einziger unserer Leidgenosse berichtet. Dafür umso mehr, dass es danach in Sachen Müdigkeit eher noch schlechter lief. Insofern hat dein Hämatologe wohl (leider) Recht.
Dass ein Zusammenhang zwischen der CLL und der Fatigue besteht (und die Müdigkeit nicht, wie von vielen Ärzten behauptet, eine eigenständige Entität ist), bin ich mir auch sicher. Allerdings würde ich es nicht wie du formulieren, dass die Fatigue VON der CLL kommt. Ich mutmaße eher, dass Faktoren im Körper zusammenkommen, die das Immunsystem "ausleiern", um am Ende in einer CLL zu münden. Dafür spricht, dass bei vielen Betroffenen Jahre oder Jahrzehnte vorher zuerst das Immunsystem zickt (z.B. bei mir Gelenkentzündungen, Allergien, Asthma, Magen- / Darm- / Speisröhrenentzündungen, Augenentzündungen usw.), dann die Fatigue einsetzt und erst später, sozusagen als "Höhepunkt", die CLL auftritt. Ich neige also eher zur Annahme, dass die Fatigue VON (noch unerforschten) Immunfehlregulierungen kommt, die schließlich zur CLL führen können. Das würde dann auch die erhebliche Verzögerung, die zwischen dem Auftreten der Fatigue und der labortechnischen Erfassbarkeit der CLL liegt, erklären. Als einer, der im Studium erschöpfend mit Statistik gequält wurde, ist mir allerdings bewusst, dass man diese Mutmaßung empirisch erst belegen müsste.
Ich wünsche dir auch viel Kraft, und liebe Grüße,
Watson