Biopsie - Wie wichtig ist die Biopsie während der Therapie?

Moderatoren: jan, NL, Marc

italope
Beiträge: 6
Registriert: 12.09.2019, 14:55
Kontaktdaten:

Biopsie - Wie wichtig ist die Biopsie während der Therapie?

Beitrag von italope » 20.05.2021, 21:11

Diese Frage beschäftigt mich schon einige Zeit. Deshalb habe ich mich an das Online Team gewandt, zwecks Beantwortung beim letzten Online Seminar "Therapietreue". Ich erhielt dann auch schnell eine Antwort, nicht innerhalb des Seminares, aber genauso ausführlich per Email. Damit verbunden der Denkanstoß, dass es auch andere Erkrankte interessieren könnte und deshalb stelle ich jetzt meine konkrete Frage und der ausführlichen Antwort hier ins Forum ein.
Ein freundliches Hallo an das Team…,
leider kann ich aus technischen Gründen nicht an den Onlineseminare teilnehmen. ich verfolge die Seminare aber sofort, nach dem sie online gestellt werden. Wie ich schon im letzten Jahr nach dem ersten Seminar mitgeteilt habe, finde ich diese Art der Kommunikation und Aufklärung absolut toll. Viele meiner offenen Fragen sind mir zu meiner Krankheit CML beantwortet worden. Ich lebe in Italien und da hier ein anderes Arzt-Patientenverhälnis besteht, helfen mir die Seminare sehr, meine Krankheit besser zu verstehen.
Zum folgenden Thema „Therapietreue“ möchte ich auf diesem Wege eine Frage stellen, die mich seit längerem beschäftigt und die ich unter den gegebenen Umständen nicht abklären kann.
In allen mir vorliegenden Broschüren zur Diagnostik bei CML wird immer darauf hingewiesen, wie wichtig die Kontrolluntersuchungen in den entsprechenden Zeitabständen sind. Unter anderem ist immer wieder aufgeführt, dass molekulare Tests, Bestimmung des BCR Wertes, alle 3 Monate stattfinden sollten und das bis zur Erreichung einer Guten Remission MR3. Danach können die Kontrollabstände auf 6 Monate ausgeweitet werden. Die zytogenetische Kontrollmaßnahmen (Knochenmark Biopsie) ist nach den ersten 3 Monaten und danach in 6monatigen Abständen durchzuführen. Soweit die Theorie
Jetzt meine Frage: Wie wichtig ist die Durchführung der Kontrolle durch eine Biopsie und kann man während des Krankheitsverlaufes darauf verzichten?
CML ist bei mir im Februar 2019 festgestellt worden und hier wurde auch eine, und zwar bis lang die EINZIGSTE Biopsie durchgeführt. Therapiebeginn mit Tasigna begann am 18.04.2019 und musste nach nur 2 Monaten abgebrochen werden. Es wurde noch ein weiterer Versuch mit Tasigna unternommen (vom 30.07.2019 bis 24.09.2019). Ab dem 14.10.2019 entschieden sich die Ärzte eine Therapie mit Imatinib zu beginnen.
Auf Nachfrage die Unverträglichkeit der Tasigna mit einer Biopsie zu ergründen, wurde abgelehnt. Auch Nachfragen bezüglich der empfohlenen 3 bzw 6 Monatsabstände wurden nicht beantwortet.
Im Oktober 2020 habe ich mich auf Grund der mangelnden Patienteninformation zum Arztwechsel entschlossen und werde nun im Krebszentrum Bari/Italien behandelt. Aber auch hier wurde bis jetzt keine Biopsie durchgeführt und auf Nachfrage heißt es wenigstens, eine molekulare (LABNet) Bestimmung sei völlig ausreichend.
Seit der letzten BCR-Bestimmung vom 28.4.2021 heißt es, dass die MR3-Phase gerade erreicht sei.
Ich hoffe nun sehr, beim Onlineseminar eine Antwort auf meine Frage zu bekommen.

Mit freundlichen Grüßen
und hier die Antwort
Liebe Petra
Danke für Deine EMail. Üblicherweise bitten wir, solche Fragen unbedingt im Forum zu stellen, denn wenn wir Dir direkt antworten, liest nur Du die Antwort und nicht diejenigen, die dieselbe Frage gehabt hätten... und zusätzlich haben wir auch kaum die Möglichkeit, individuelle EMails zu beantworten.
Daher wäre es super, wenn Du solche Fragen, solange es nicht super vertraulich ist, eher im Leukämie-Online-Forum stellen würdest.

Wie auch immer, kurz zu Deiner Frage:

Zu Toxizitäten/Nebenwirkungen könnte man durch eine Biopsie nichts herausfinden.

Du musst es Dir so vorstellen: ein molekularer Test wie die PCR testet auf eine ganz bestimmte genetische Sequenz und beantwortet, ob bzw in welcher Menge diese vorliegt. Die Methode kann sehr genau messen, also im Zweifelsfall eine einzige anormales Gensequenz unter einer Million ähnlicher, normaler Gene an der gleichen Stelle. Im Falle der CML kann die PCR nachweisen, ob das Fusionsgen BCR-ABL, das der CML zugrunde liegt, vorliegt, und wenn ja, welcher Anteil der getesteten Gene dieses Fusionsgens aufweist. Bei der CML kann man mit dieser molekularen Diagnostik auch bei guter Remission noch nachweisen, ob noch eine kleine Menge Resterkrankung vorliegt.

Dazu reicht Blut aus der Vene.

Andere Testmethoden die FISH und Zytogenetik brauchen lebende Knochenmarkzellen, und dazu braucht man eine schmerzhafte Punktion. Der Vorteil dessen ist, dass man bei diesen lebenden Knochenmarkzellen auch andere Veränderungen der Chromosomen finden kann, die z.B. für die Entstehung von Resistenzen außerhalb von BCR-ABL-Fusionsgens verantwortlich sind. Der Nachteil dieser Methode ist, dass man nur etwa 25 Zellen (bei Zytogenetik) oder bis zu 500 Zellen (bei FISH) untersuchen kann, also diese Methoden nur bei hohem Erkrankungsniveau etwas findet, wo bestimmte chromosomale Veränderungen in einem großen Teil aller Zellen vorliegen. Zusätzlich kann man bei einer Knochemarkbiopsie noch herausfinden, wie die Zellstruktur des Knochenmarks ist, d.h ob die CML das Knochenmark irreparabel geschädigt hat, wie es oft im sehr fortgeschrittenen Krankheitsstadium wie der Blastenkrise ist. Zudem ist die Punktion halt eine Plagerei, daher macht man sie nur, wenn es Fragen gibt, die man nur mit ihr beantworten kann.

Weder die PCR noch FISH noch Zytogenetik können Rückschlüsse auf Unverträglichkeit des Medikaments geben (abgesehen von zu niedrigen Blutwerten, die durch geschädigte Knochenmarkbildung ausgelöst werden - das sieht man bspw. in der Zellstruktur des Knochenmarks).

Wenn Du also die Therapie nicht wegen zu niedrigen Leuko- oder Thrombozytenwerte abbrechen musstest, sondern wegen Nebenwirkungen, wird Dir keine der Methoden eine Antwort liefern, warum das so ist. Nebenwirkungen entstehen an völlig anderer Stelle als der, wo die CML sitzt, sondern weil das Medikament an anderen, unerwünschten Stellen des Organismus "andockt" und dort die normalen Körperfunktionen stört, z.B. Haut, Verdauung, Haare.

Wenn Du mit der PCR eine MMR, oder MR3, d.h. ein BCR-ABL Wert unter 0.1% erreicht hast, ist das gut. Das bedeutet, dass die Medikation gut funktioniert und Deine CML zurückdrängt - daher würde eine Knochenmarkpunktion auch keine bessere Erkenntnis liefern, weil das Blutbild ja weitgehend normal ist unter nur unter etwa 1000 Zellen eine CML-Zellen zu finden wäre. Dafür reicht aber in der Tat eine PCR aus Venenblut aus - eine Punktion würde nur helfen, wenn man sie durchführt, um rauszufinden, warum die Resterkrankung trotz Therapie nicht weiter zurückgeht (= Resistenz).

Unerfreulich ist natürlich, dass Du die Medikamente offensichtlich nicht verträgst - da hilft aber kein Test, sondern nur ausprobieren, welches der CML-Medikamente Dein Körper am Besten verträgt.

Daher - solange keine Resistenz vorliegt und Deine Resterkrankung auf sehr niedrigem Niveau ist, reicht die PCR aus Venenblut. Die Frage der Unverträglichkeit kann kein Blut- und Knochenmarktest beantworten.

Hilft das?

Viele Grüße
Jan
Ergänzend möchte ich noch hinzufügen, Grund des Therapieabbruches waren die zu geringen Leuko- und Thrombozytenwerte. Ich hatte nur noch einen Leukozytenwert von 1.05 10³/µl und die Thrombozyten bei 60 10³/µl.

Mir hat die Antwort von Jan SEHR geholfen. Und wieder ist ein geklärter Baustein dazu gekommen, damit ich besser mit CML leben kann.

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 9 Gäste