Spiegel-Artikel zur Pharmaforschung

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Thomas55
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Re: Spiegel-Artikel zur Pharmaforschung

Beitrag von Thomas55 » 10.03.2015, 22:06

Hallo Jan,

meine Frage war ja : ob es notwendig ist um die wertvolle Plattform Leukämie-Online zu erhalten, die Spenden nicht ausreichen, wenn ja, wäre ich zu der Zeit die ich hier oft für neue Patienten investiere, durchaus auch noch bereit zu spenden.
Die Spenden der Industrie für eine Tagung oder Institution sind ja nie absichtslos, deshalb ist ja auch die DLH ausgestiegen. Lies mal :"Die letzte Flucht: Denglers sechster Fall", ich denke ein bisschen was wird da schon reelle Hintergründe haben, da wird beschrieben, dass nachdem die Ärzte zunehmend kritisch auf Pharmavertreter reagieren, siehe die Aktion MEZIS (Mein Essen zahle ich selbst) zunehmend auf Selbsthilfegruppe eingewirkt werden soll. Über das Erlebnis mit der Rückgabe von Alemtuzumab (übrigens als Campath von der Uni Cambright entwickelt) hat ja auch hier für Diskussionen gesorgt, auch von Dir. Wenn ich an die Preise für das ehemalige Contergan denke, oder an die 10.000 Euro die 6 Wochen Ibrutinib kosten, oder dass inzwischen wirklich sehr häufig eingesetzte Rituximab immer teuerer statt billiger wird, oder dass die Gewinnerwartungen so hoch sind, dass sie über viel gescholtenen 25 % der Deutschen Bank in der Pharmabranche nur ein Lächeln hervorrufen können.

Vielleicht denkt ihr doch nochmals drüber nach.

Gruß
Thomas

PS : Ich habe aktuell eine etwa 800 mal höhere Kortisondosis im Blut, das ist so wie wenn mich 800 Säbelzahntiger verfolgen würde, vielleicht ist mein Beitrag deshalb zu aggressiv.
Trotzdem noch was, fast hätte ich es vergessen. Mich hat als Leiter der Selbsthilfegruppe Leukämie- und Lymphomhilfe im Ortenaukreis vor etwa zwei Monaten eine Pharmavertreterin angerufen und eine Zusammenarbeit angeboten. Ich hab spontan und rasch abgelehnt.

jan
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Re: Spiegel-Artikel zur Pharmaforschung

Beitrag von jan » 10.03.2015, 18:38

Hallo Nelly,

dass wir die Webplattform Leukämie-Online mit den Betriebs- und Weiterentwicklungskosten ausschließlich durch Privatspenden betreiben, für zusätzliche Projekte wie das Treffen, den SMS-Erinnerungsdienst oder das Buch aber zusätzliche Unterstützung benötigen und erhalten, war immer offen und transparent auf der Webseite deklariert. Teilnehmer des Treffens werden sich auch erinnern, dass wir zusätzlich zur Nennung auf dem Programm des Treffens auch mündlich während der Veranstaltung darauf verwiesen haben. Im Buch-Impressum ist dies auch klar offengelegt. Wir haben die Unterstützung aktiv thematisiert und auch offen kommuniziert, aber auch klar dargelegt, dass es keinerlei inhaltliche Einflussnahme gibt.

Über das Leukämie-Online-Treffen und unsere Wahl, wie wir unser Treffen nicht nur zum faktischen Vermitteln von Erkrankungs- und Erfahrungswissen, sondern zum gegenseitigen Kennenlernen "außerhalb der Krebserkrankung" und zum Thematisieren des "Kunststücks" gestalten, hatten wir uns letztes Jahr ja schon per EMail mit unterschiedlichen Standpunkten ausgetauscht. Es ist natürlich legitim, unterschiedlicher Auffassung zu sein, wie man solche Treffen gestalten sollte. Einige Teilnehmer der letzten 6 Treffen können sicherlich berichten, ob sie den Rahmen angemessen fanden und ob die Unterstützung offen kommuniziert wurde.

Wir vermischen hier aber mit EUPATI und Leukämie-Online zwei unterschiedliche Dinge. IMI und EUPATI sind, so denke ich, differenzierter zu betrachten, als es die sehr einseitige Berichterstattung des Spiegel nahelegt. Die Spiegel-Berichte zur Patientenfinanzierung sind ja nicht neu, sondern wurden - samt dem frühzeitigen Rückzug des IQWiG - ja auch schon 2014 von EUPATI beantwortet:
http://www.patientsacademy.eu/index.php ... piegel2014

Die IMI-Sache auszudiskutieren führt hier mit Sicherheit auch etwas weit und hat eigentlich mit Leukämie auch nichts mehr zu tun. Vielleicht aber sollte noch zu bedenken geben, warum in den EUPATI-Beiräten auch die Arzneimittelbehörden wie das Bundesamt für Arzneimittel (BfArM) und die entsprechenden Behörden aus der Schweiz, Italien, England und Europa (EMA) beteiligt sind und aktiv mitwirken, aber auch z.B. Vertreter von des Cochrane-Verbunds und anderen unabhängigen Institutionen. Sie haben gute Gründe, warum sie das Projekt zur unabhängigen Qualifizierung von Patientenvertretern zur Arzneimittelforschung unterstützen, und haben auch die Methoden, Governanceregeln und Transparenzmechanismen des Projekts begutachtet und befürwortet.

Wen englischsprachige Quellen interessieren, den wird vielleicht auch der in der letzten Woche im renommierten "Nature Medicine" Journal erschienenen Artikel interessieren:
http://www.nature.com/nm/journal/v21/n3 ... 5-209.html

Viele Grüße
Jan

Nelly_CML
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Re: Spiegel-Artikel zur Pharmaforschung

Beitrag von Nelly_CML » 10.03.2015, 15:47

Dass Leukämie-Online Gelder von Novartis bekommt, war wohl vielen Usern schon länger klar. Man musste ja nur 1 + 1 zusammenzählen. Genauso klar war es, dass dies besser nicht thematisiert werden sollte. Nun ist die Katze aus dem Sack, sogar die Beträge kann man auf Spiegel online nachlesen.

Ich kann mich Thomas55 nur anschliessen: Dieses Forum ist besonders für CML-Betroffene sehr wertvoll, Jan hat viel Zeit und Engagement aufgewendet, um diese höchst informative Plattform auf die Beine zu stellen. Auf Zuwendungen von Novartis sollte aber verzichtet werden. Ich persönlich habe es abgelehnt, an Treffen teilzunehmen, die derartig großzügig gesponsert wurden. Ich brauche keinen bezahlten Hotelaufenthalt mit tollem Essen und Unterhaltungsprogramm, um mich über meine Krankheit auszutauschen.

Ich als CML-Patientin bin ja auch irgendwie Zielgruppe von Eupati, der „Europäischen Patientenakademie zu Therapeutischen Innovationen“ . Wie kann es sein, dass das „Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ die Zusammenarbeit mit Eupati aufgekündigt hat?

Begründung:
EUPATI: Ausstieg aus einer intransparenten Initiative

Im Februar 2012 ging ein europäisches Projekt an den Start: die „Europäische Patientenakademie zu Therapeutischen Innovationen“ (EUPATI). Finanziert wird die Initiative zur Hälfte aus EU- und zur Hälfte aus Industriemitteln über die Innovative Medicines Initiative. Selbstgesetztes Ziel ist es, „Patienten wissenschaftlich belastbare, objektive, verständliche Informationen zum Thema medizinische Forschung und Entwicklung“ von Arzneimitteln bereitzustellen.

Für das IQWiG ist EUPATI der Intention nach ein sinnvolles Projekt: Objektive, evidenzbasierte Aufklärung für Patientenvertreter über den Wert guter klinischer Studien ist an sich wünschenswert – ebenso eine Klärung, was medizinische Innovationen kennzeichnet. Allerdings besteht aufgrund der Konstruktion mit der engen Einbindung der Industrie das Risiko, dass das Projekt ohne kritische Begleitung seine Ziele verfehlt. Das IQWiG war deshalb bereit, dem wissenschaftlichen Beirat von EUPATI beizutreten.

Die Konstruktion erfordert, dass im Projekt Transparenz herrscht. Das betrifft zum einen Methoden und Prozesse zur Auswahl und Erstellung der Materialien. Zum anderen müssen Regeln zum Umgang mit Interessenkonflikten gelten; alle relevanten Personen und Organisationen müssen Interessenkonflikte offenlegen.
Quelle: https://www.iqwig.de/download/Jahresbericht_2012.pdf

Für mich war es absolut neu, dass die EU 2,5 Milliarden Euro Steuergelder aufgewendet hat, um die Pharmaforschung voranzutreiben. Nun war es ja immer Argument der Pharmaindustrie, die Preise müssten wegen des enormen Forschungsaufwands so hoch sein. Ich bin schier baff, dass die profitabelste Branche der Welt sich nicht scheut, auch noch Steuergelder abzugreifen bzw. für sich zu instrumentalisieren. Wow, ich naives, moralisierendes Dummchen und notorische Sozialromantikerin bin immer noch verwundert darüber, wie die Welt funktioniert.

Aber all dies ist nur ein harmloses Vorgeplänkel für das, was uns nach TTIP, Ceta und Konsorten erwartet..........

mit traurigen Grüßen
Nelly

Thomas55
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Re: Spiegel-Artikel zur Pharmaforschung

Beitrag von Thomas55 » 10.03.2015, 10:39

Hallo Jan,

Aus persönlichen Gründen war ich, obwohl seit Jahren als relativ engagierter Schreiber aktiv, bisher noch bei keinem der Treffen dabei. Dabei wäre ich aber nie auf die Idee gekommen, dass die Kosten nicht selbst von den Teilnehmern übernommen werden. Als ich das gelesen habe, dachte ich ich lese nicht richtig....
Ich dachte immer, Leukämie Online finanziert sich von Spenden.

Nicht ohne Grund hat die Deutsche Leukämiehilfe DLH vor einiger Zeit beschlossen keine Mittel mehr von der Industrie anzunehmen und sich der Initiative Transparente Zivilgesellschaft welche von Transparency International Deutschland e.V. initiiert wurde angeschlossen.

Und eigentlich ist wenn ich auf Leukämie Online lese : "Der Betrieb der Website http://www.leukaemie-online.de wird finanziell ausschließlich durch Privatspenden getragen. Dies garantiert die inhaltliche Unabhängigkeit des Betriebs der Webseite und seiner Inhalte."und danach zu lesen ist :"Für die Reisekosten zu medizinischen Fachkongressen, Unterstützung bei Übersetzungsarbeiten durch unabhängige Übersetzer, den Betrieb des SMS-Erinnerungsdiensts, sowie unsere alle zwei Jahre stattfindenden Patiententreffen nehmen wir die Unterstützung von Sponsoren in Anspruch " ein eigenartiger Widerspruch zu sehen.

Ich bin froh, dass es Leukämie-Online gibt, mache auch in der Selbsthilfegruppe die ich leite (und die völlig ohne Geld und Zuschüsse seit 8 Jahren lebt) immer wieder Reklame für die Seite und versuche hier - nicht mit Spenden - dafür mit Beiträgen mitzuarbeiten.

Ich würde es gut finden, wenn Du bezw. alle Verantwortlichen überlegen wie sie ohne Pharmagelder auskommen.

Gruß
Thomas

jan
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Re: Spiegel-Artikel zur Pharmaforschung

Beitrag von jan » 09.03.2015, 23:17

Hallo Nelly und Agronom,

Als direkt in EUPATI involvierter Patient und Patientenvertreter, der sich seit 2,5 Jahren in EUPATI als EU-Konsortialprojekt und seit 13 Jahren auf verschiedenster Ebene dafür aufreibt, dass Patienten in der Forschung beteiligt sind und akademische Forscher, Industrie, Behörden und andere im Sinne der Patientenbedürfnisse beeinflussen können (und nicht umgekehrt), bin ich, was das Thema angeht, natürlich nicht neutral, insbesondere nicht bei der sehr einseitigen Spiegel-Berichterstattung. Deren Richtung kenne ich seit meinem Gespräch mit der Journalistin im November 2014. Leider sind von den 2 Stunden Interview nur drei Sätze im Artikel gelandet.

Auch bin ich der Meinung, dass sich viele Probleme nur lösen lassen, wenn alle Akteure an einem Tisch sitzen und jeder dabei transparent über seine Interessen ist. Es ist eine Illusion zu glauben, dass nur die Industrie als Wirtschaftsunternehmen Interessen hat, sondern auch Universitäten, Behörden, Krankenkassen und Politiker.

Für Fragestellungen, derer sich keiner alleine annimmt, muss man eben in Zusammenarbeit versuchen, Lösungen zu erarbeiten. Das EU-Steuergeld, das die EU in IMI-Projekte einbringt, geht übrigens komplett an Universitäten, Kleinunternehmen und andere "NGOs", die ansonsten keine Gelder hätten, sich an solchen Forschungsprojekten zu beteiligen. Mein EUPATI-Gehalt kommt zu 81% aus EU-Steuermitteln, der Rest teil sich auf Zahlungen von 18 Unternehmen an die Brüsseler Patientenorganisation als Gesamtprojektkoordinator auf.

Leukämie-Online mache ich seit 13 Jahren ehrenamtlich. Die Privat- und Unternehmensspenden, die wir erhalten, finanzieren z.B. das "Manchmal ein Kunststück"-Buch, das uns ungefähr 50.000 EUR gekostet hat, dem aber wenig Einnahmen entgegenstehen, oder das Leukämie-Online-Treffen, das uns jährlich rund 25.000 EUR kostet, weil wir den Großteil der Kosten der Teilnehmer übernehmen. Wer diese Projekte finanziell (ohne inhaltliches Mitspracherecht) unterstützt, ist in diesen Projekten klar genannt. Für die inhaltliche Arbeit an der CML-Studiendatenbank zahlen wir eine zertifizierte Übersetzerin, für einzelne Projekte eine Freiberuflerin. Der Betrieb und die Weiterentwicklung der technischen Plattform von Leukämie-Online wird komplett aus den Privatspenden bezahlt. Öffentliche Förderung bekommen wir trotz mehrfachen Versuchen leider überhaupt keine.

Es ist in solchen Artikeln wie dem Spiegel-Artikel sehr einfach gesagt, dass eigentlich alle alles falsch machen. Konstruktiv etwas zu bewegen und Forschung in Bereichen voranzutreiben, an der keine Partei alleine ein Interesse hat, ist aber deutlich schwieriger.

Viele Grüße
Jan

Agronom
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Re: Spiegel-Artikel zur Pharmaforschung

Beitrag von Agronom » 09.03.2015, 21:09

Hallo Nelly,

warum sollte es nicht opportun sein über den von Dir gefunden Artikel hier zu diskutieren. Für mich gibt es dort Neuigkeiten, die ich ohne Deinen Hinweis nicht erfahren hätte. Also erst einmal herzlichen Dank.

Wer sich mit der Pharmaindustrie beschäftigt, zum Beispiel weil er von ihren Produkten persönlich profitiert und ihnen sein Leben verdankt, ist sich im klaren darüber, dass die Industrieunternehmen keine Wohltätigkeitsorganisationen sind sondern mit der Absicht Gewinne zu erzielen Medikamente erforschen, produzieren und verkaufen. Zur Förderung Ihrer Geschäfte betreiben sie allerlei Marketing. Dazu gehört die Unterstützung von Patientenorganisationen. Mir soll es recht sein, dass unser Gründer und Vorsitzender Jan als Geschäftsführer von EUPATI auch von der Industrie sein hoffentlich gutes Gehalt bekommt. Der Nutzen dieses Forums wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Firmen, die an uns Patienten verdienen, im vergangen Jahr knapp 100.000 € (steuerlich absetzbar) an Leukämie-Online gespendet haben. Allerdings hätte ich diese Informationen gern hier gelesen und nicht bei Spiegel-Online. Etwas mehr Transparenz würde Leukämie-Online gut tun. Warum kann nicht Mitglied im Trägerverein werden wer will? Warum werden die Spenden nicht hier öffentlich gemacht? Ich bin mir sicher, dass niemand etwas zu verbergen hat. Deshalb sollte dem unguten Anschein, der durch das Zurückhalten von Informationen entsteht, durch eine offensive Informationspolitik entgegengewirkt werden.

Beste Grüße

Agronom

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Spiegel-Artikel zur Pharmaforschung

Beitrag von Nelly_CML » 09.03.2015, 16:21

Ich bin mir durchaus bewußt, dass es hier nicht opportun ist. Aber ich stelle trotzdem den Link zu einem Spiegel-Artikel zur Pharmaforschung ein. Es sollte möglich sein, hier auch unbequeme Sichtweisen diskutieren zu können.

Hier der Artikel:
http://www.spiegel.de/wissenschaft/medi ... 021384.htm

Für mich unfassbar, dass 2,5 Milliarden Euro Steuergelder in die Pharmaforschung geflossen sind und die Medikamente trotzdem so extrem teuer sind.

Viele Grüße
Nelly

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