Therapietreue

Wie gehe ich mit Leukämie im Alltag um? Wie unterstütze ich als Freund oder Angehöriger? Welche Erfahrungen gibt es bezüglich Rente, Behindertenausweis, Psychotherapie, Kur?

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Marvin
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Re: Therapietreue

Beitrag von Marvin » 23.07.2014, 20:19

Hi kahuna,
mir sind ein paar Sachen durch den Kopf gegangen als ich deinen Beitrag gelesen habe:
Meines Wissens nach gibt es diese Korrelation durchaus, allerdings sind die Ergebnisse relativ heterogen und aus Korrelation kann man auch nicht Kausalität schließen. Es handelt sich häufig um reine Beobachtungsstudien (meistens Querschnitt, also "Momentaufnahmen") und "Risikoverhalten" ist in solchen Studien doch relativ schwer zu messen (idealerweise wäre eine Art Experiment, allerdings ist es in dem Fall dann schwierig die Therapietreue zu erfassen...ginge ja auch nur retrospektiv usw.).
Zur Betrachtung unterschiedlicher Gruppen: ein Vergleich zwischen bspw. Frauen, die die Pille nehmen und CML-Patienten würde sich aufgrund unterschiedlicher Baseline-Faktoren und Risiken nicht anbieten. Die Ergebnisse aus einer solchen Studien wären verzerrt, da beide Populationen nicht/ nur sehr eingeschränkt vergleichbar sind. Wie du schon schreibst, handelt es sich bei der Pille um freiwillige Selbstmedikation, während "für uns" die Einnahme Motivation ein Andere ist.
Falls es dich weiter interessiert, hier ein Link so einer (wie ich finde) ganz guten Übersichtsarbeit aus dem Bereich (Artikel ist frei zugänglich):
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3464769/
Und hier noch eine weitere Studie aus Italien:
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/22871884

Falls du noch mehr Material haben willst, schreib mir einfach!

Grüße
Marvin

PS: Ich wurde Ende Mai diagnostiziert. Ich weiß nicht aus welcher Region du kommst und wie die "Hämatologen/Onkologen-Dichte" da ist, aber vllt kannst du dich, wenn du dich bei deinem aktuellen Arzt nicht wohl/gut beraten/betreut fühlst, nach einem anderen Facharzt umschauen. Ich finde, dass gerade bei so schweren Erkrankungen wie eben CML das Patienten-Arzt Verhältnis extrem wichtig ist. Ich muss meiner Ärztin vertrauen können und merken, dass Sie meine Fragen/Ängste und sonstiges ernst nimmt und auch beantwortet bzw. auf mich eingeht. Das wollte ich nur noch loswerden.

Gummibrot
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Re: Therapietreue

Beitrag von Gummibrot » 23.07.2014, 15:43

Hallo,

da hast du aber eine Menge aufgezählt. Mich beschäftigt das ich einerseitz zu Hören bekomme das es ja eigentlich nur noch eine chronische Erkrankung ist, aber wehe ich komme nicht sofort wenn was im Busch ist. Dann heißt es oft das ich doch weiß das ich eine bedrohliche Erkrankung habe. Aber ehrlich, das Leben läuft weiter und die Docs haben manchmal gar keine Ahnung davon wie sehr einem dieser Drahtseilakt zusetzt.

Wenn ich Einladungen bekomme berechne ich schon im Vorfeld ob ich mit der Zeit hinkomme? Ehrlich essen und Leben nach der Uhr, echt anstrengend.

Ich habe nur die nötigsten über meine Erkrankung eingeweiht, da Krebs echt "ansteckend" ist. Also bei Meetings um die Kekse oder den Kaffee in der Pause umzuschiffen. Manchmal gelingt es mir nicht punktgenau die Medikamente einzunehmen, d.h. ich nehme sie entweder nach 11 Std. oder nach 13. So wie es geht.

Aber am schlimmsten finde ich es treu zu sein wenn die Nebenwirkungen einen schaffen und sie nicht abzustellen sind. Ich schluck sie trozdem brav, aber jedesmal der Gedanke: Wäre es schön ohne die Tabletten". Ich weiß es ist im Moment noch ein Wunschtraum, aber mal sehen.

Ich wünsche euch viel Durchhaltevermögen und das es euch gut geht.

kahuna
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Therapietreue

Beitrag von kahuna » 20.07.2014, 15:51

Ich habe mir den Vortrag über Therapietreue angesehen.
Auch wenn dies bestimmt nur ein kurzer Auszug aus der sehr umfassenden Studie war, haben mich ein paar Punkte ins Nachdenken gebracht:

einen wäre es bestimmt interessant herauszufinden ob Therapietreue und Risikoverhalten miteinander korrelieren. Ist jemand, der bewusst wenig therapietreu ist auch sonst risikofreudiger in seinem Leben und trifft dementsprechend auch risikofreudigere Entscheidungen?
Das wäre eine Hypothese der man folgen könnte.

Und vielleicht auch die andere Seite der Medaille: dass gerade Patienten, die ein Medikament über sehr viele Jahre nehmen könnten das Risiko des Nicht-Einnehmens unterschätzen.

Interessant wäre es vielleicht auch unterschiedliche Gruppen zu betrachten, die langfristig tagtäglich ein Medikament einnehmen. Vergessen Frauen die die Pille nehmen (selbstgewählte Medikation) die Einnahme seltener als z.B. CML-Patienten? Vergesse ich meine Vitaminpille häufiger oder seltener als ein TKI? Macht es einen Unterschied ob ich mich aus freien Stücken für die Einnahme entscheide und diese wieder beenden kann wann immer ich es möchte oder ob diese essentiell für meine Lebenserwartung ist?

In der Studie kam ja zum Ausdruck, dass die Beratung durch den Arzt und das Vertrauen in seine Beratung eine große Rolle in der Therapietreue spielen. Hierzu ist mir - ein wenig um die Ecke gedacht - ein Artikel aus der NYT in Erinnerung gekommen. Ein Versuch Transparenz zwischen Arzt und Patienten zu schaffen. Dort haben Ärzte ihre gesamten Behandlungsnotizen für ihre jeweiligen Patienten zugänglich gemacht. Dies hatte einen sehr positiven Effekt, ganz entgegengesetzt zu den Vermutungen und Befürchtungen der Ärzte.
Hier der link zum Artikel:
http://well.blogs.nytimes.com/2014/07/0 ... =Body&_r=0
Hier haben Psychologen ihre Notizen zugänglich gemacht.
Das gibt es aber auch für die Arzt/Patient Beziehung:
http://well.blogs.nytimes.com/2012/10/0 ... ors-notes/

Doch wie entwickelt sich die Therapietreue über die Jahre. Wenn ich das TKI gut vertrage, in tiefer Remission bin und keine weiteren Nebenwirkungen auftreten...wie häufig sehe ich dann meinen Arzt? Wie viel Aufmerksamkeit widme ich dann meiner chronischen Krankheit und der tagtäglichen Erinnerung daran (symbolisiert durch die ein oder zwei Tabletten die ich schlucken muss)?

Wahrscheinlich waren dies auch Themen, die in den qualitativen Interviews diskutiert wurden. Mir ging dies nur durch den Kopf.

Und nur ganz am Rande: bisher hat kein Onkologe acht Minuten mit mir am Stück verbracht um mit mir über mein Befinden, die CML oder die Nebenwirkungen zu sprechen. Der längste Termin dauerte genau vier Minuten. Daher ist als CML Neuling schon eine Menge Selbstmotivation gefragt sich mit dem Krankheitsbild und den Rahmenbedingungen auseinander zu setzen.

Gruß von kahuna
CML Neuling seit Juni 2014

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