Hallo Mandy,
okay, viele Fragen, aber das ist ja auch gut so, wenn es Klarheit und etwas mehr Verständnis erreicht.
Hab kein Problem damit hier darüber zu schreiben, gehe sehr offen damit um, glaube alles Andere bringt auch nix.
Ja, PML= APL/ AML-M3
Hmm, Negatives berichten,,, geht wohl nicht ohne, dazu ist das einfach zu stramm…
Wie fing das bei mir an?
Wenn ich so zurück denke, hatte ich die ersten Vorboten davon etwa um den 30.Mai 2009 (also 1,5 Monate vor der Diagnose). Damals ist mir eine (kleine) Lautsprecherbox aufs Schienbein gefallen und am Tag drauf hatte ich einen riesigen Bluterguss vom Schienbein bis in die Zehen, tiefschwarz, der über mehr als 3 Wochen nicht abheilte, andererseits aber auch nicht weh tat, keine Blutvergiftungssymptome zeigte oder Ähnliches. Hab mir das erklärt damit, dass er wohl „Blöd mit der Kante irgendwo getroffen hat“ oder so.
Dann wurde das ganze aber immer auffälliger, ich war Fußball spielen und hatte das Schuhmuster als „blauen Fleck“ am Fuß, hatte Einblutungen oberhalb der Knie (Beine über Kreuz (?)), sowie an den Oberarmen (vom Schlafen(?) ) . Außerdem ist mir aufgefallen, dass ich mich beim Rasieren geschnitten habe und es fast nicht mehr aufgehört hat zu bluten (also 2-3 Stunden nicht).
Hab aber nichts unternommen, also keinen Arzt kontaktiert, da ich mir noch nie Gedanken über sowas gemacht habe und sonst (noch) alles OK war.
Hatte viel zu tun zu der Zeit, musste viel Schlafen (eigentlich jeden Mittag, schob ich aber auf den Stress), hatte Appetitlosigkeit (wirklich ungewöhnlich bei mir, aber warum nicht, „bisschen was abnehmen schadet ja nichts“) , hatte gelegentlich Kopfschmerzen, für die ich mir aber natürlich auch eine Erklärung fand.
Was aber wirklich auffiel, war das Dahinschwinden meiner Kraft, ich war direkt erschöpft, abgesehen von kurzen Phasen konnte ich nichts mehr schwer heben/tragen, Probleme beim Treppensteigen, war sehr blass und einfach nur unglaublich schwach.
Letztlich war ich dann bei einer Veranstaltung (Diskussionsabend), habe mich zu Wort gemeldet und bin beim Aufstehen einfach nur zusammengeklappt.
In der Notaufnahme haben sie mir dann 3x Blut abgenommen, gemeint es sei wohl doch kein Messfehler und sofort mit Krankenwagen ins Uniklinikum zur Spezialstation.
Dort natürlich auch ne KM-Punktion, sehr schmerzhaft, mit einem Hämatom über den halben Rücken bis in die Kniekehle und tagelangem Nachbluten. Denke mal das lag an den schlechten Ausgangswerten/körperlichen Zuständen, so schlimm war es dann später nämlich nie wieder.
Wenn ich die Werte richtig in Erinnerung habe, hatte ich so um die 18.000 Thrombozyten (normal größer 150.000 und laut KM-Punktion mehr als 85% Krebszellen im Knochenmark)
Warum die Therapie und der Wechsel ?
Man musste eben handeln, sofort, direkt Thrombozyten, Blut, Cortison und Idarubicin usw.
Nach 2 Tagen stand dann genau fest, welche Form es war und wie die Therapie aussehen würde.
Es gab mehrere Protokolle und die Studien (war allerdings schon abgeschlossen, wurde daher nur „Analog zur Studie“ behandelt) hatten gleich großen Erfolgschancen. Es wurde „randomisiert“, also per Zufall Eine ausgewählt, bei mir eben PETHEMA.
War mir in sofern auch recht, weil man mich damit auch beruhigen konnte, dass wenn die Therapie nicht greift es eben noch Weitere gibt, die genauso gut sind (z.B. mit Arsentrioxid) und wenn das auch nix mehr hilft man immer noch transplantieren kann.
„Der Jackpot unter den Leukämien“, so hat es mein Arzt damals genannt.
Ein großes Risiko bestand in der Anfangsphase darin, dass meine Blutgerinnung durch die zerfallenden Zellen (ist ja ne „granulare“ Ausreifung bei der M3) im Blut zirkulieren und damit die Prozesse wie Wundheilung und Ähnliches stark stören, also konkret Risiko innerer Blutungen usw.
Habe auch gelesen, dass bald nur noch durch ATRA und ATO (Arsentrioxid) therapiert werden soll, ohne Chemo, wäre natürlich super und es bliebe Vieles erspart, hab in der Aplasiephase doch so manchen Infekt mitgenommen...
Wie war das mit Nebenwirkungen generell ?
Habe sehr viel erbrochen, teilweise trotz der vielen Anti-Brechmitteln noch 20-30x am Tag während der Induktionschemo. Haarausfall auch nur dort, später nicht mehr. Hab in der Zeit der Aplasie (fast keine Blutbildung/Immunabwehr mehr) eine Pilzinfektion in der Lunge, starke Wassereinlagerungen, Fiberschübe, Krämpfe und durch die Medikamente starke psychische Effekte wie Antriebslosigkeit, Überreizung etc.
Im Nachhinein muss ich auch sagen ich hab mich zu sehr hängen lassen, keine Lust auf Nichts, auch nicht auf Besuch, deprimiert warum ausgerechnet mir so ne Scheiße passieren muss, keine Antwort gefunden was ich falsch gemacht haben soll usw.
Denke mal jeder mit ähnlicher Diagnose kommt an solchen Fragen nicht vorbei auch wenn es natürlich keine Antwort gibt.
Hab dann zum Glück irgendwann einmal heftig gemault bekommen einerseits (das ist auch mal wichtig wenn dir sonst jeder Alles durchgehen lässt weil du „so krank“ bist.) und auch die Heilungschance hat mich dann irgendwann motiviert zu sagen „Einfach nur durch“.
Nachdem das verinnerlicht war hab ich es die weiteren 3 Monate durchgehalten jeden Tag draußen Laufen zu gehen, soweit das eben körperlich ging, den Stepper/Fahrrad auf Station zu nutzen usw.
Ich hab jeden Tag die Zeitung gelesen und letztlich sogar eine Klausur mitgeschrieben für die ich im Krankenhaus gelernt hab (Eben etwas für den Kopf tun). Ich hab mir Krankengymnastik bestellt oder bin einfach nur zig mal diesen blöden Stationsflur auf und ab gelaufen.
Seither kein Wasser mehr, kein Infekt, die letzte Chemo war angesetzt für 4 Wochen, ich durfte nach weniger als Einer nach Hause.
Was ich damit nur sagen will ist, ich glaube wirklich, man kann da viel dazu beitragen, dass es schneller oder weniger schlimm vorbei geht. Auch wenn das anstrengend ist, habe selten etwas gesehen, was sich derart gelohnt hat.
Ah, und geht nach Hause wann immer ihr es dürft, auch mit Mundschutz oder anderen Einschränkungen. Gutes Essen, vertrautes Bett und so weiter bringen mehr als ne Woche Krankenhaus voller Medikamente
Wie habe ich ATRA vertragen ?
Keine Nebenwirkungen gespürt, aber hab es ja nur parallel zur Chemo eingenommen +- ein paar Tage. Kann daher nicht genau sagen ob da von den Nebenwirkungen nicht doch was von ATRA kam. Hab auch gelesen, dass die Nebenwirkungen insbesondere dann kommen, wenn ATRA ohne Chemo gegeben wird.
Warum keine Erhaltungstherapie ?
Lange drüber diskutiert, die Ärzte entschieden so, da der Heilungsverlauf sowie die körperlichen Voraussetzungen bei mir so vielversprechen schienen.
Rückfallrisiko kleiner 10%, die Ärzte sind auch heute noch geschockt und meinen es sei „Pech“, denn sie waren und sind davon überzeugt berechtigterweise verzichtet zu haben.
Ob das jetzt sinnvoll war oder nicht, ob ich damals hätte sagen sollen „Doch macht was!“, ist angesichts eines Rezidivs jetzt natürlich leicht gesagt, damals hab ich mich einfach drüber gefreut.
Wie ist es möglich dass ein Rezidiv im Liquor vorkommt und das Knochenmark in Ordnung ist/war ?
Das hab ich mich auch gefragt, war ja eben alles absolut unauffällig, Tumormarker alle negativ.
Ist streng genommen auch keine Myeloische Leukämie mehr, sondern eigentlich eine leukämische Meningiose. Es handelt sich aber exakt um dieselben Zellen wie damals(15-17 Translokation etc.), nur eben im Hirnwasser.
Ist ganz offenbar sehr sehr selten für ein Rezidiv der APL, keiner weiß so recht wie er damit umgehen soll.
Daher auch:
Nach welchem Protokoll wirst du jetzt behandelt ?
Gibt keines, sie experimentieren.
Wie sieht die Therapie derzeit aus ?
Bekomme jeden Tag ATRA, selbe Dosis wie damals. ATRA wirkt auch im Liquor, kann also die Blut-Hirn-Schranke zumindest teilweise überwinden.
Darüber hinaus ATO (Arsentrioxid als Infusion, auch jeden Tag), dies aber hauptsächlich um das Blut sauber zu halten oder zu säubern, falls da doch noch Zellen wären, was leider wahrscheinlich ist, da der Weg Liquor->Blut einfacher ist als umgekehrt.
Alle 4 Tage gibt es dann noch eine Spritze direkt in den Liquor im Rahmen einer Lumbalpunktion. Dies ist dann eine 3er Kombi aus ATO, Cortison und weiterer Chemo.
Hierbei werden auch die aktuellen Zellzahlen (ähnlich der KM-Punktion) bestimmt.
Die Spritzen sind sehr unangenehm und danach habe ich meist Kopfschmerzen, wenn ich aber ein paar Stunden flach liege geht das auch vorbei.
Wie vertrage ich das Arsentrioxid ?
Nahezu keine Nebenwirkungen, zumindest keine, die ich ATO zuordne.
Habe bisher nicht ein einziges Mal erbrochen, Haare sind noch drann und was mich am Meisten freut, meine Blutwerte rauschen nicht weg.
Die sind jetzt nach 3 Wochen Chemo auch noch bei 3300 Leukos, 140.000 Thrombos, Hb 15,7 usw.
Einzig die Leberwerte sind leicht erhöht aber wer kann das nicht verstehen wenn man täglich „Gift“ bekommt?
Also bisher damit sehr zufrieden.
Die Zellzahlen im Liquor sind (mittlerweile) rückläufig, damit verbunden auch stets weniger Kopfschmerzen, hoffe wirklich, das geht so weiter.
Dieses Mal Erhaltungstherapie ?
Sie haben halt kaum Erfahrungen, gibt natürlich die Erhaltungstherapie mit ATO, ATRA und Ähnlichem über ein halbes Jahr. Da sie aber denken das sei noch immer mit einem hohen Rezidivrisiko verbunden, wollen sie transplantieren. Das wird noch ein weiter und harter Weg werden, werd mich da aber bestimmt auch irgendwie wieder durchfressen
Drücke dir die Daumen, dass deine Nebenwirkungen zurück gehen, was sagen denn deine Ärzte dazu ?
Hast du eine Reha gemacht oder hast das vor ? Kann das wirklich empfehlen, war in einer Reha bei der nur Personen zwischen 18 und 25 waren, war genial, hingekommen mit 13 Stunden Schlafbedarf am Tag und nach 2 Wochen ein ganzes Wochenende Snowboarden gewesen. Kann ich auch gerne davon erzählen. Dort hab ich aber auch die Anderen Leukämiepatienten getroffen und mich mal mit denen ausgetauscht.
Ist wirklich etwas Anderes als mit Bekannten oder „Alten“, hab mich wirklich verstanden gefühlt und viel aufgearbeitet. Mach sowas wenn du die Möglichkeit dazu hast.
So, denn, wünsche noch einen schönen Sonntag, für mich gibt’s gleich wieder Chemo, aber auch das geht vorbei.
Viele Grüße
Sebastian