Hallo Holger,
ich gebe Dir absolut recht, dass der Zugang zu Informationen sehr wichtig ist; dies versuche ich mit dem Forum hier auch bestmöglich zu gewährleisten. Andererseits sollte aber die Quelle Nr. 1 für Informationen der Arzt sein - dieser muß sich immer up to date halten, und im Falle von bestimmten Risiken wie z.B. einer Herzerkrankung entsprechende Massnahmen treffen. Tut er das nicht, sollte man überdenken, ob man beim richtigen Arzt ist.
Das Thema Herz ist aus früheren Glivec-Studien nicht völlig neu - Dein Arzt hätte es auch vor der Berichterstattung kennen können. So sagt die für den Arzt bestimmte <!-- BBCode Start --><A HREF="
http://www.fachinfo.de/pdf/00/82/008242.pdf" TARGET="_blank">Glivec-Fachinformation</A><!-- BBCode End --> sowohl in der Version von Juli 2005 als auch April 2006, also vor der Publikation des kontrovers diskutierten Herzartikels, folgendes:
<!-- BBCode Quote Start --><TABLE BORDER=0 CELLPADDING=3 CELLSPACING=1 ALIGN=CENTER WIDTH=85%><TR><TD><font class="pn-sub">Zitat:</font><HR noshade height=1></TD></TR><TR><TD><FONT class="pn-sub"><BLOCKQUOTE> Bei etwa 1% bis 2% der Patienten wurde nach Einnahme von Glivec über das Auftreten einer schweren Flüssigkeitsretention (Pleura-Erguss, Ödem, Lungenödem, Aszites) berichtet. Es wird daher das regelmäßige Wiegen der Patienten dringend empfohlen. Eine unerwartete schnelle Gewichtszunahme muss sorgfältig untersucht und soweit erforderlich müssen eine geeignete unterstützende Behandlung und therapeutische Maßnahmen eingeleitet werden. In klinischen Studien war die Häufigkeit dieser Ereignisse bei älteren Patienten und bei Patienten mit Herzerkrankungen in der Vorgeschichte erhöht. Daher ist bei Patienten mit kardialen Funktionsstörungen Vorsicht angezeigt. (...)
Verschiedene andere Nebenwirkungen wie Pleuraerguss, Aszites, Lungenödem und schnelle
Gewichtszunahme mit oder ohne Oberflächenödeme können unter dem Begriff "Flüssigkeitsretention" zusammengefasst werden. Diese Nebenwirkungen können im Allgemeinen durch ein zeitlich befristetes Absetzen von Glivec und/oder durch Diuretika und/oder andere geeignete supportive Maßnahmen beherrscht werden. Einige dieser Befunde können jedoch schwer oder lebensbedrohend sein und einige Patienten in der Blastenkrise verstarben nach einer komplizierten Krankengeschichte mit Pleuraerguss, Stauungsherzinsuffizienz und Nierenversagen. Es gab keine speziellen sicherheitsrelevanten Befunde in den klinischen Studien bei Kindern.
</BLOCKQUOTE></FONT></TD></TR><TR><TD><HR noshade height=1></TD></TR></TABLE><!-- BBCode Quote End -->
Wie Du siehst, ist das Thema Herz nicht unbedingt neu, und die Warnung bei Patienten bei Herzerkrankungen könnte bei einem guten Arzt dazu führen, dass er sich in diesem Falle z.B. bei der Studienzentrale nach neuen Erkenntnissen rückversichert, wenn einer seiner Patienten unter einer solchen Vorerkrankung leidet.
Bezüglich der "Vorabinformationspflicht" bzw. dem "Höchstmaß an Transparenz" bin ich etwas vorsichtig. Auch ich bin ein massiver Verfechter davon, dass Patienten alle relevanten Informationen zugänglich sein sollten, wenn er dies wünscht. So habe ich für die deutsche Gesetzgebung keinerlei Verständnis, die den Zugang z.B. von Fachinformationen nur medizinischem Personal - unter dem Vorwand des "Verbraucherschutzes vor Pharmawerbung" - verbietet - DocCheck-Passwortabfragen sind nur in Deutschland allgegenwärtig. Das ist nicht eine Restriktion der Pharmabranche, sondern die unseres Gesetzgebers, angeblich zu unserem Wohl.
Andererseits aber sollten wir Krebspatienten vor allem leben und uns nicht dauernd Gedanken machen, welche seltene Nebenwirkung vielleicht bei uns eintreten könnte. Ansonsten wird man paranoid und hört nur noch in sich, ob das Herzklopfen nun wegen der drei Tassen Kaffee oder wegen einer möglichen Glivec-Herzinsuffizienz eintritt. Wenn 1% der Patienten im Risiko von Herzerkrankungen lebten, sollten diejenigen, die das Risiko haben, informiert sein und entsprechende Vorsorgeuntersuchungen durchführen, aber die restlichen 99% sollten nicht deswegen unbegründet in Angst davor leben. Wann was zutrifft und erforderlich ist, weiss ein guter Arzt, der den gesamten Kontext kennen sollte.
Das ist die Schwierigkeit von Patienteninformation, mit der wir als Selbsthilfe, aber auch die Presse und die Ärzte sehr verantwortungsvoll umgehen müssen.
Viele Grüße,
Jan