Hallo Anke,
Ich kann Deine Verwirrung um diesen Punkt verstehen, denn die Dir gegebenen Informationen scheinen widersprüchlich und sind nach meinen Informationen auch nicht ganz korrekt.
Dazu muss ich etwas ausholen. Es gibt gute medizinische Gründe, in den ersten Monaten eine Knochenmarkpunktion durchzuführen, denn in dieser kann man, gerade zu Beginn der Therapie, das Vorliegen zusätzlicher genetischer Veränderungen in den Chromosomen sehen, die man in Untersuchungen aus Venenblut nicht erkennen kann. Etwa jeder siebte CML-Patient hat bei Diagnosestellung zusätzliche Chromosomenveränderungen, Davon bei etwa einem Drittel sind diese Veränderungen ein Zeichen einer schlechteren Prognose bzw. fortgeschrittenen Erkrankung, bei denen die übliche Standardtherapie nicht sehr erfolgsversprechend ist. Daher entscheiden erfahrene Ärzte, dass man bei diesen Patienten die Ersttherapie überdenkt und ggf eine andere wählt. Es ist also für Therapieewahl und auch Erfolgsprognose relevant, in den ersten Monaten regelmäßig die Knochenmarkbiopsie durchzuführen, solange noch keine "komplette zytogenetische Remission", d.h. die Abwesenheit sämtlicher Chromosomenveränderungen in der aus dem Knochennmark untersuchten Zellen, erreicht ist.
Manche Ärzte machen heute auch in den erste Monaten keine Biopsie mehr, um dem Patient (oder sich) die unangenehme Untersuchung zu ersparen. Das ist verständlich, insgesamt aber nach meinem Verständnis keine gute Idee, da man vor Erreichen einer kompletten zytogenetischen Remission den Erkenntnisgewinn dieser Untersuchungsmethode darüber verschenkt, wie instabil die CML ist, und dies erst (vielleicht spät) durch Blutuntersuchungen merkt, dass die Therapie nicht anspricht.
Nach Erreichen der kompletten zytogenetischen Remission, d.h. alle Chromosomen in allen ca 25 untersuchten Zellen sind normal, kann man auf die Knochenmarkbiopsie verzichten, weil man daraus nichts mehr lernt. Die meisten Patienten erreichen die komplette zytogenetische Remission in 3 bis 6 Monaten nach Therapiebeginn.
Genau das setzt TIGER/CML V um. Die Knochenmarkpunktion wird nur bis zum Erreichen der kompletten zytogenetischen Remission, also meist nur in den ersten 3-6 Monaten, durchgeführt, danach reicht die PCR per Blutuntersuchung, so zumindest meine Information.
Insofern glaube ich, dass Die Information, die man Dir gab, nicht ganz richtig ist.
Da Du die Studienteilnahme die ersen 6 Wochen der Therapie entscheiden kannst, wäre vielleicht auch eine direke Kontaktaufnahme mit Prof Hochhaus denkbar, damit Du die Frage nochmal diskutieren kannst. Denn Du bekommst in TIGER die für Deine Sicherheit erforderliche Diagnostik, aber nicht mehr, bei einer (evtl etwas stärkeren, falls im Kombiarm) Therapie, die Dir vielleicht in einigen Jahren das kontrollierte dauerhafte Absetzen aller Therapien ermöglicht. Ich würde das nicht verwerfen, nur weil Dein Arzt dir sagt, die Knochenmarkbiopsie wäre auch am Anfang unnötig, denn das ist sie nach meinem Verständnis nicht. Die Diagnostik von TIGER ist Standard-Expertenempfehlung, die Kombinationstherapie ist der relativ unbekannter Kern der Studie.
Ich möchte damit nicht sagen, dass Du an der Studie teilnehmen solltest. Es gibt gute und weniger gute Gründe, dies zu tun oder nicht zu tun, und Du bekommst auch außerhalb der Studie eine hervorragende Therapie. Auf die Punktionen in der ersten Phase verzichten würde ich aber weder im einen noch im anderen Fall. Ich selbst hatte in meinen CML-Jahren davon ein gutes Dutzend und es war nie eine Freude, aber auch wirklich kein Problem - und nach ein paar Stunden wieder vergessen.
Zum Hintergrund hier die Diagnostikmethoden:
Http://leukaemie-online.de/cmlratgeber
Liebe Grüße
Jan