von RenateW » 18.12.2021, 13:03
Liebe Luise,
ich kann sehr gut nachvollziehen was Du schreibst. Insbesondere die Verträglichkeit der TKI variiert enorm. Ich habe in Summe 12 Jahre Imatinib genommen. Nach fünf Jahren schlug der erste Absetzversuch fehl, dann noch Mal fünf Jahre Imatinib. Seit knapp zwei Jahren bin ich in einer therapiefreien Remission, Ausgang ungewiss, ist normal, da von einer minimalen Resterkrankung ausgegangen wird. Die ersten Jahre war ich arbeitsfähig, mittlerweile beziehe ich Erwerbsminderungsrente. Nach dem Absetzversuch ging es mir mit der Wiederaufnahme der Therapie, auch wieder Imatinib, immer schlechter. Obwohl die ersten Jahre schon schlimm genug waren. Ich hatte auch überlegt zu wechseln, mir wurde aber gesagt, dass die Fatigue (mein Hauptproblem) bei jedem TKI auftreten wird, da es sich um einen Substanzklasseneffekt handelt. Die üblichen Empfehlungen wie moderater Sport und Kaffee trinken haben nicht gegriffen. Sport oder schon ein Spaziergang hatten anschließend eine noch schlimmere Erschöpfung zur Folge. Nach dem Motto eine Stunde spazieren gehen, danach für Stunden hinlegen. Ich war bei einer Fatigue-Beratung in München, da hieß es, ich soll im Sitzen duschen und mir Kleidung kaufen, die sich vorne schließen lässt. Ich kam mir nicht ernst genommen vor, da die Fatigue mein Leben zerlegt. Ich habe auch eine chronische Gastritis, Kaffee geht also nur mit anschließenden Magenproblemen. Die Muskelschmerzen habe ich ausgehalten, genauso wie eine enorme Schwäche nach jeder Einnahme. Nach dem ersten Absetzen hat sich die Fatigue zunächst enorm verbessert, ich konnte wieder den ganzen Tag laufen und sogar einen Urlaub machen. Nach fünf Monaten dann Verlust der MMR und die Talfahrt begann aufs Neue. Ich habe mich auch wegen einer Dosisreduzierung bei Imatinib erkundigt. Das wird kritisch gesehen, da man nie weiß, ob ausreichend Wirkstoff vorhanden ist und das Risiko einer Resistenzbildung besteht, wenn immer Leukämiezellen übrig bleiben. Ich habe von dem sogenannten Nebenwirkungsmanagement keine Hilfe erfahren. Für den Magen soll man Säureblocker nehmen, was ja auch nicht geht, da die PPIs den Wirkstoffspiegel beeinflussen. Alternative Medikamente wie Ranitidin habe ich nicht vertragen und Antizida gingen nicht wegen Kaliummangel, den ich auch als Nebenwirkung hatte. Bei der Fatigue sowieso keine Hilfe, wenn wie oben beschrieben, Sport alles schlechter macht. Die Schwäche in den Beinen, die Du beschreibst, kenne ich auch. Ich hatte die große Hoffnung, dass es mir nach dem Absetzen wieder so gut gehen wird, wie beim ersten Mal. Das hat sich leider bisher nicht gezeigt. Die ersten Monate hatte ich das Absetzsyndrom, was ich ohne Schmerzmittel ertragen habe. Ich schreibe das, weil ich mir hier oft auch wie ein Weichei vorkomme. Das Thema Vorerkrankungen spielt wohl auch eine Rolle, ich hatte eine Schilddrüsenkarzinom und durch die Bestrahlung nach zwölf Jahren die CML als Nebenwirkung (wurde mir von den Ärzten als mögliche Folge genannt). Zöliakie habe ich auch im Gepäck. Deine Enttäuschung über die Reaktionen im zwischenmenschlichen Bereich kann ich sehr gut verstehen. Die Argumente von Niko sind die üblichen, mir hilft es aber nicht weiter, wenn Krankheit und der Umgang damit zum Tabu werden, weil der Rest der Welt lieber über seichte Themen den Austausch sucht. Ich möchte Dich ermutigen, Deine Wahrnehmung ernst zu nehmen und auch Deine Gefühle. Du bist nicht allein damit. CML ist eine Herausforderung, die individuell verschiedene Auswirkungen auf den Körper hat. Eine Zweitmeinung einzuholen ist sicher gut. Wie es bei mir läuft, ist keine Ermutigung, aber ich will ehrlich sein und nicht in den allgemeinen Tenor einstimmen, alles wird gut. Manchmal ist es gefragt, auszuhalten, dass es nicht gut wird und trotzdem nicht aufzugeben. Wenn ich Dir irgendwie helfen kann, schreibe es. Alles Liebe für Dich, Renate
Liebe Luise,
ich kann sehr gut nachvollziehen was Du schreibst. Insbesondere die Verträglichkeit der TKI variiert enorm. Ich habe in Summe 12 Jahre Imatinib genommen. Nach fünf Jahren schlug der erste Absetzversuch fehl, dann noch Mal fünf Jahre Imatinib. Seit knapp zwei Jahren bin ich in einer therapiefreien Remission, Ausgang ungewiss, ist normal, da von einer minimalen Resterkrankung ausgegangen wird. Die ersten Jahre war ich arbeitsfähig, mittlerweile beziehe ich Erwerbsminderungsrente. Nach dem Absetzversuch ging es mir mit der Wiederaufnahme der Therapie, auch wieder Imatinib, immer schlechter. Obwohl die ersten Jahre schon schlimm genug waren. Ich hatte auch überlegt zu wechseln, mir wurde aber gesagt, dass die Fatigue (mein Hauptproblem) bei jedem TKI auftreten wird, da es sich um einen Substanzklasseneffekt handelt. Die üblichen Empfehlungen wie moderater Sport und Kaffee trinken haben nicht gegriffen. Sport oder schon ein Spaziergang hatten anschließend eine noch schlimmere Erschöpfung zur Folge. Nach dem Motto eine Stunde spazieren gehen, danach für Stunden hinlegen. Ich war bei einer Fatigue-Beratung in München, da hieß es, ich soll im Sitzen duschen und mir Kleidung kaufen, die sich vorne schließen lässt. Ich kam mir nicht ernst genommen vor, da die Fatigue mein Leben zerlegt. Ich habe auch eine chronische Gastritis, Kaffee geht also nur mit anschließenden Magenproblemen. Die Muskelschmerzen habe ich ausgehalten, genauso wie eine enorme Schwäche nach jeder Einnahme. Nach dem ersten Absetzen hat sich die Fatigue zunächst enorm verbessert, ich konnte wieder den ganzen Tag laufen und sogar einen Urlaub machen. Nach fünf Monaten dann Verlust der MMR und die Talfahrt begann aufs Neue. Ich habe mich auch wegen einer Dosisreduzierung bei Imatinib erkundigt. Das wird kritisch gesehen, da man nie weiß, ob ausreichend Wirkstoff vorhanden ist und das Risiko einer Resistenzbildung besteht, wenn immer Leukämiezellen übrig bleiben. Ich habe von dem sogenannten Nebenwirkungsmanagement keine Hilfe erfahren. Für den Magen soll man Säureblocker nehmen, was ja auch nicht geht, da die PPIs den Wirkstoffspiegel beeinflussen. Alternative Medikamente wie Ranitidin habe ich nicht vertragen und Antizida gingen nicht wegen Kaliummangel, den ich auch als Nebenwirkung hatte. Bei der Fatigue sowieso keine Hilfe, wenn wie oben beschrieben, Sport alles schlechter macht. Die Schwäche in den Beinen, die Du beschreibst, kenne ich auch. Ich hatte die große Hoffnung, dass es mir nach dem Absetzen wieder so gut gehen wird, wie beim ersten Mal. Das hat sich leider bisher nicht gezeigt. Die ersten Monate hatte ich das Absetzsyndrom, was ich ohne Schmerzmittel ertragen habe. Ich schreibe das, weil ich mir hier oft auch wie ein Weichei vorkomme. Das Thema Vorerkrankungen spielt wohl auch eine Rolle, ich hatte eine Schilddrüsenkarzinom und durch die Bestrahlung nach zwölf Jahren die CML als Nebenwirkung (wurde mir von den Ärzten als mögliche Folge genannt). Zöliakie habe ich auch im Gepäck. Deine Enttäuschung über die Reaktionen im zwischenmenschlichen Bereich kann ich sehr gut verstehen. Die Argumente von Niko sind die üblichen, mir hilft es aber nicht weiter, wenn Krankheit und der Umgang damit zum Tabu werden, weil der Rest der Welt lieber über seichte Themen den Austausch sucht. Ich möchte Dich ermutigen, Deine Wahrnehmung ernst zu nehmen und auch Deine Gefühle. Du bist nicht allein damit. CML ist eine Herausforderung, die individuell verschiedene Auswirkungen auf den Körper hat. Eine Zweitmeinung einzuholen ist sicher gut. Wie es bei mir läuft, ist keine Ermutigung, aber ich will ehrlich sein und nicht in den allgemeinen Tenor einstimmen, alles wird gut. Manchmal ist es gefragt, auszuhalten, dass es nicht gut wird und trotzdem nicht aufzugeben. Wenn ich Dir irgendwie helfen kann, schreibe es. Alles Liebe für Dich, Renate