Unterstützung/Reaktion nach Krankheit?!

Wie gehe ich mit Leukämie im Alltag um? Wie unterstütze ich als Freund oder Angehöriger? Welche Erfahrungen gibt es bezüglich Rente, Behindertenausweis, Psychotherapie, Kur?

Moderatoren: jan, NL, Marc

unknown

Beitrag von unknown » 04.06.2008, 13:47

Hallo Gast,
es ist sehr wichtig für Dich, dass Du versuchst die Maurer zu brechen. Versuche über alles mit einem Dir gut vertrauten Lehrer zu besprechen.
Ich muß Gladys und Jutta voll zustimmen.
Deine Mitschüler/innen haben "Berührungsängste"! Es ist schon etwas dran, dass man als junger Mensch mit dem Tod nichts anfangen kann und will.
Aus meiner Erfahrung mit der Krebserkrankung eines Mitschülers: bevor wir ihn im KH besucht haben, war unsere Klassenlehrerin dort. Wir haben sie darum gebeten. Sie hat alles abgesprochen und organisiert, war wir machen können.
Dannach waren täglich Schüler im KH und haben über den Tag und die Schule geredet.
Gut, es war keine Leukämie, sondern ein Krebs im Knochen, aber wir hätten auch da so gehandelt. Es war für ihn sehr gut. Das Personal im KH hat uns gut aufgenommen. Wir waen auch dort gern gesehene Besucher. Mein Mitschüler wollte unbedingt seine Lehre als Elektriker machen, was aber auf Grund der körperbehinderung (Bein Amputation), dann nicht mehr möglich war; dann sollte es eben ein Beruf im "Sitzen" sein.
Wir haben ihn dabei sehr unterstützt, obwohl wir alle wussten, dass er nicht wieder aus dem Krankenhaus kommen wird. Wir haben es ihn nie gezeigt oder geäußert.
Er ist im KH verstorben.
Das ganze liegt jetzt ca. 44 Jahre zurück.
Wir sind auch später immer an seinem Grab gewesen und konnten auch immer zu seinen Eltern kommen. Bei unserem Klassentreffen wird immer ein Platz für ihn freigehalten.

Ich will Dir damit nicht irgend wie Angst ein jagen, sondern nur sagen, wie wichtig Freunde und Mitschüler im Leben sind.
Uns hat damals die Krankheit auch erschlagen, da wir nicht wußten, wie wir damit umgehen mußten.

Ich wünsche Dir sehr viel Kraft für Deine Ziele.
Setz Dir selbst kurze Zeiträume, die besser zu planen sind.

Viele liebe Grüße
Anna-Christine

unknown

Beitrag von unknown » 01.06.2008, 14:37

Hallo Gast,
ich stimme Gladys voll und ganz zu. Nur du kannst letztlich auch diese Barriere überwinden.
Ich würde mir aber als allerersten einen "Verbündeten" suchen. Am besten zwei (Mitschüler und Lehrer) Auch falls es wirklich keinen deiner Mitschüler /Innen ineressieren sollte - auf
jeden Fall einen Lehrer. Falls die offiziellen Stellen (Tutor, Oberstufenberater, Beratungslehrer ...) dir nicht zusagen, such dir irgend einen aktuellen oder früheren Lehrer, mit dem du klarkommst / kamst und mach die ganz klare Ansage: Ich brauche Unterstützung! Und dann erzählst du genau das, was du hier geschrieben hast, wie alleingelassen du dich fühlst usw. Und vor allem was du möchtest - erwartest. Und dann plant ihr zusammen, okey?
Lebensbedrohliche Krankheiten machen deine Mitmenschen immer unsicher und je jünger umsomehr möchte man sich erst mal mit dem Leben und nicht mit dem Tod auseinandersetzen. Und auch das musst du akzeptieren lernen. Und dir schritt für Schritt ein Umfeld schaffen, das an deiner Gesundheit und an dir interessiert ist.
Alles Gute Jutta

Gladys
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Beitrag von Gladys » 31.05.2008, 17:53

Lieber Gast,
schön, dass es dir nach 2 Jahren so gut geht und du keine großen Komplikationen durch die SZT hast.

Ich schließe mich Thomas55 an. Die Menschen haben angst vor dir vor deiner Erkrankung. Sie wissen nicht wie sie mit dir umgehen sollen. Mitleid, Besorgnis, Fürsorge, echtes Interesse... Wie regierst du, hast du das Thema satt und willst schnellstmöglich wieder zurück in deinen früheren Alltag, was nie gehen wird.
Magst du darüber sprechen, belastet es dich, willst du einfach deine Ruhe...
Deine Mitmenschen wissen es nicht und daher wissen sie auch nicht wie sie mit dir umgehen sollen. Also Trägst du den Tarnumhang.
Für dich ist es besonders schwer, da du so Jung bist und in diesem Alter gerade Kontakt haben möchtest
und das Ausgeschlossen werden dich sehr trifft ... empfindest du dies als Ungerecht und unsozial.

Alle mit dieser Diagnose, Leukämie mussten lernen den Spreu von den Weizen zu trennen, sprich wahre Freunde und Vertraute und der Rest.

Was du trainieren kannst ist ganz einfach. Schau den Leuten in die Augen und sage "Guten Tag", "Hallo", usw.
Einige werden schockiert weg sehen, vor allem wenn du sie mit Namen anredest, andere sind dankbar, weil die Initiative von dir kommt.

Es brauch eine weile.
Schule wechseln würde ich nicht machen, denn, das hört sich jetzt eventuell doof an, du musst lernen mit solchen Menschen umzugehen, dies wird dir immer wieder begegnen, auch als "Gesunder" Mensch und deine Mitschüler lernen mit Menschen wie dir umzugehen. "Ein gegenseitiges Lernen mit einer unbekannten Situation umzugehen"

Diese Erfahrungen werden dir in der Zukunft sehr viel helfen.
Auch wenn es jetzt sehr hart ist.

Vielleicht gibt es bei euch demnächst im Unterricht eine Möglichkeit über deine Krankheit ein Referat zu halten.
Ergreife diese Möglichkeit, denn das hilft deiner Klasse.

Ich war in den Abschlussprüfungen zum staatlich geprüften Techniker, als meine Diagnose gestellt wurde.
Von 29 Mitschülern, gab es keine Handvoll die sich regelmäßig gemeldet haben.
Meine Mündliche Prüfung habe ich in der Umkehrisolation gemacht.
Die drei prüfenden Lehrer standen wie die Orgelpfeifen vor meinem Bett an der Wand und mein Fachlehrer war mehr Aufgerehgt als ich, den er trug den Mundschutz links um und auf dem Kopf (Nasenklammer am Kin).

Aber, auch hier musste ich mich selber drum kümmern. Allerdings hatte ich große Hilfe bei meinen Kompanion.
Er gab die Krankmeldung ab und war Sprachrohr zwischen Lehrer und mir.

Doch da ich um einiges Älter bin und schon im Berufsleben stand ist meine Erfahrung nicht so extrem wie deine.
Ich sollte am 01.08 wieder zurück zu meinem Arbeitsplatz. Ich musste meinen Vorgesetzten also mitteilen, das ich noch weiter fehlen werde, da ich an Leukämie erkrankt bin und zur Zeit im Krankenhaus liege.
Statt am Jahresende kam ich erst zur Jahresmitte im folgenden Jahr zurück.
Ich bin nicht mit Samthandschuhen angefasst worden, doch wurde ich viel entlastet und wenn ich anrief, ich kann heute nicht kommen, war das kein Problem.
Doch hat sich einige Verhältnissen zu Kollegen und Vorgesetzten verändert. Einige ins Negative andere ins Positive. Ich nage auch jetzt noch, nach mehr als 2 Jahren an diesen negativen Veränderungen, doch kann ich nichts machen ausser meiner Arbeit und die damit verbundenen Aufgaben.

Ich haben inzwischen meine Denkweise etwas der Situation angepasst, sprich Arbeit ist nicht alles, es gibt auch noch Privatleben und Hobby.
Was für dich Bedeutet, nach dem Abi hast du die Schule hinter dir und dann können sie dich alle mal kreuzweise.
Werde nicht unfreundlich, denn im Leben sieht man sich immer zweimal, doch lass diese für dich empfundene Desinteresse nicht so nahe an dich. Denn wenn du dein Abschluss in der Tasche hast, wartet ein neues Umfeld auf dich mit neuen Menschen, den du nicht auf die Nase binden musst, wie schwer krank du mal warst.

Der Kampf und der Sieg über die Leukämie machen dich stark, so dass dies bald nur noch eine "Lapalie" ist.
Schaue in die Zukunft und nehme dir etwas vor. Lass dich jetzt nicht unterkriegen.

Viele Grüße
Gladys



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Thomas55
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Beitrag von Thomas55 » 31.05.2008, 10:35

...toll, dass es Dir wieder gut geht ! Deine Erfahrungen sind ja gar nicht so ungewöhnlich. Krebs ist ein Thema das Angst macht, hinzu kommt die Unsicherheit wie mit den Betroffenen umzugehen. Ich habe damals Kollegen erlebt, denen ich förmlich ansah wie unsicher sie waren ob sie mich ansprechen sollen oder nicht. Zwischenzeitlich sehe ich das recht gelassen und frage mich wie ich wohl früher als "Gesunder" reagiert habe/hätte...

Viele Grüße
Thomas
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unknown

Beitrag von unknown » 31.05.2008, 00:39

Hallo!

Wie war Eure Unterstützung/Reaktion der anderen nach der Krankheit, das ist die zentrale Frage. Meiner Unterstützung in der Schule danach war nämlich sehr deprimierend!

Es war nach dem wunderbaren Fussballsommermärchen 2006. Ich ging in die 13. Stufe, wir hatten in der WM den dritten Platz gemacht, meine Noten waren gut und ich verbesserte mich sogar noch ein bisschen und ein einem halben Jahr später sollte ich ohne Probleme mein Abi machen. Meine einzigen Sorgen war mich gut auf die Klausuren vorzubereiten.
Aber kam alles anders.
In den Herbstferien bemerkte ich, dass ich, obwohl ich in meiner Freizeit immer gerne und viel Rad gefahren bin, plötzlich nicht mehr in der Lage war eine Seniorin auf Rad bergaufwärts zu überholen.
Ich ging zum Arzt und in den nächsten Tagen lag ich plötzlich im Krankenhaus. Leukämie.
Schule interessierte nicht mehr. Krankheit, ich kann mich noch dadran erinnern, dass ich bis dato 3-4 Jahre keine einzigen Tag wegen Krankheit im Unterrricht gefehlt hatte. Und nun war ich monatelang weg von der Schule, weg von der Realität, weg von allem Normalen.
Glücklicherweise schlug die Therapie gut an und ein halbes Jahr später, Frühjahr 2007, meine Schulkameraden sollten weniger als einen Monate später ihre Abiprüfungen schreiben, wurde ich transplantiert. Mit Erfolg.
Jetzt ist mehr als ein Jahr vergangen, alle Werte sind super. Dafür, dass ich Leukämie hatte, geht es mir wirklich sehr gut. Das ist das Wichtigste. Ein riesiger Ballast ist von mir gefallen.
Im Herbst 2007, ein halbes Jahr nach der Transplantation versuche ich wieder in die Normalität zu gelagen. Ein brauchte noch nicht in die Schule, wollte aber die Krankheit vergessen und endlich wieder etwas "normales" machen. Klar war, ein halbes Jahr später, 2008, Abitur, das wird nichts. Müdigkeit, viel Schlaf, schlechte Konzentration. Mental durchgeschüttelt wie ein kleiner Sportflugzeug im Gewitter.
Ich wollte aber beginnen, habe dann auch teilweise begonnen, und versuche in einem Jahr, 2009, Abi zu machen. Aber es läuft ganz anders als ich es mir vorgestellt habe.
Unterstützung? Fragen, wie es geht?
Ich kannte es von einigen Freunden, die nach der Diagnose, nicht einmal gefragt haben, wie es mir geht, obwohl ich einige Tage zuvor noch bei ihnen war und mich bis heute "ignorieren".
Das mir das in der Schule auch passierte, das ahnte ich nicht im Schlaf.
Viele Lehrer, bei denen ich 2006 noch im Kurs saß, laufen mir über den Weg, und?
Vogel Strauß.
Wegschauen.
Ignorieren.
Warum fragt fast keiner wie es mir geht?
Ich als wie Harry Potter im Unsichtbarmantel durch die Schule ging, fing ich mir an Gedanken zu machen.
Wieso nahm die Schule meine Erkrankung einfach nur so zur Kenntnis. Ich hatte zwar sofort, Gottseidank, einen passenden Spender, aber wenn ich die Zeitungen so lese, wo auch ein ähnlicher Fall zu lesen ist, und wenn ich dann die Unterstützung, die dann der Schüler bekommt, Typisierungsaktionen etc. und das mit der Unterstützung Vergleiche die ich und auch meine Familie erhalten haben, muss ich feststellen, dass NICHTS gemacht wurde.
Kenntnisnahme, übliche "Gute Besserung", Ende.
Ich bin total enttäuscht von der Schule, von sehr vielen Lehrern. Würde ich in einer größeren Stadt wohne, die Schule hätte ich gewechselt. Sofort.
Meine Frage die ich mit immer stelle:
Ist das üblich? Wie reagierte die Schule in ähnlichen Fällen? Ich kann das gar nicht verstehen! Ich verstehe es nicht!
Schülerverwaltung ohne soziale Verantwortung?
Das es die Möglichkeit gibt, Hausunterricht zu nehmen, wurde uns auch nicht gesagt. Mir wurde nichts angeboten, musste alles selber machen. Keine Unterstützung. Wenn ich nicht fordere, dann kommt nichts. Gar nichts! Wenn, ob ich Abitur überhaupt bräuchte, ein Vorschlag ist, dann war das der einzige Vorschläge wie ich, ein halbes Jahr vor den Prüfungen, nun mein Schullaufbahn fortsetze und beende.
Zudem muss ich feststellen, dass die Lehrer ihrerseits von der Leitung extrem schlecht informiert sind. Nicht einmal informiert, dass meine Therapie schon längst abgeschlossen ist. Nur Leukämie, war in Oberstufe, fängt Schule wieder an.

Ich hab schlimmeres erlebt, aber was mich immer wieder (negativ) beeindruckt ist, dass ich soetwas niemals von der Schule und vor allem den Lehrern erwartet habe.
Wenn ein Lehrer lautlos an einem vorbeigeht, dann kann ich es nicht begreifen. Dieses Verhalten kann ich einfach nicht fassen.

In der Schule werden wir immer wieder in fast allen Fächern mit dem Nazis und der Bevölkerung, die wegschaute konfrontiert.
Nicht wegschauen!
Handeln!
Soziale Verantwortung!
Unterstützung!
Lächerlich, wenn man die Realität sieht.

>>> Wie sind Eure Erfahrungen? Ist das die Ausnahme?

Ich bin sehr sehr froh, dass es mit wieder gut geht. Solange mir nicht wieder Herr "Vogel Strauß" über den Weg läuft, kann ich drüber stehen. Begreifen kann ich es aber nicht! Die Schule kann ich nun nicht mehr ernst nehmen. Mein persönl. Verhältnis zur Schule ist gestört.
Wenn ich Abi hab, habe ich nichts mehr mit der Schule zutun und hoffe, das nicht alle so sind.
Jedes mal wenn ich nun jemand neues kennenlerne, stelle ich mir die Frage ob es nicht auch ein Vogel Strauß ist.

Hoffe, Ihr hattet und hab mehr Unterstützung!

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