Immuntherapien erweisen sich inzwischen häufig als hoch effektiv bei Patienten mit akuten Leukämien, auch im Rezidiv nach intensiver Chemotherapie und auch nach allogener Stammzelltransplantation. Zugleich werden im Rahmen der klinischen Forschung Wege gefunden, die oft mit hoher Tumorlast und starker Antitumorwirkung assoziierten unerwünschten Effekte der neuen Substanzen oder Zellpräparationen kontrollieren zu können.

 „Selbst bei Patienten mit extrem schwer zu behandelnden hämatologischen Malignomen und normalerweise rasch lebensbedrohlichen Verläufen lassen sich zum Teil lang anhal­tende Remissionen erzielen mit vergleichsweise sicheren Strategien“, sagte die Häma­tologin und Onkologin Catherine Bollard von der George Washington University in Washington D.C. bei der Pressekonferenz zur Eröffnung der 56. Jahrestagung derAmerican Society of Hematology (ASH) am Samstag in San Francisco. Deshalb habe man Immuntherapien zu einem Tagungsschwerpunkt gemacht.

Ein neuer Ansatz ist die Zelltherapie von Patienten mit B-Zellmalignomen mit Antigen­rezeptor-modifizierten T-Lymphozyten, den sogenannten CAR T-Zellen (chimeric antigen receptor). T-Lymphozyten werden dem Patienten über Leukapherese entnommen und in vitro gentechnisch modifiziert, so dass sie zusätzlich zu ihren eigenen T-Zellrezeptoren die extra- und intrazelluläre Domäne eines weiteren T-Zellrezeptors mit Spezifität für die Population der malignen Zellen exprimieren. Im Fall der CTL019-Zellen ist es das Antigen CD19 auf B-Lymphozyten. Die transduzierten T-Lymphozyten werden ex vivo vermehrt und dem Patienten infundiert. Beim ASH sind neue Daten einer Studie präsentiert worden, in der Kinder mit rezidivierter akuter lymphatischer Leukämie (ALL) behandelt wurden.

 

Stephan A. Grupp von der Perelman School of Medicine der University of Pennsylvania, Philadelphia, stellte die Langzeitergebnisse einer Phase 1/2a-Studie mit 39 pädiatrischen ALL-Patienten (5 bis 22 Jahre) vor.

 

26 von ihnen hatten in der Woche vor Infusion der Zellpräparation eine myeloablative Chemotherapie erhalten. Unabhängig von allogenen Stammzelltransplantationen wurden in der Studie 107 bis 108 CTL019-Zellen pro kg Körpergewicht appliziert (NEJM 2014; 371: 1507-17). 92 Prozent der Kinder, nämlich 36 von 39, kamen in eine komplette Remission (CR), darunter waren zwei Patienten, die schon mit einer anderen, neuen Immuntherapieform vorbehandelt waren, mit dem bispezifischen, T-Zell-engagierenden Antikörperkonstrukt Blinatumomab. Das mediane Follow-up beträgt in der Studie sechs Monate (1,5 bis 31 Monate).

 

Zehn Patienten hatten nach einer mehrere Monate dauernden Remission einen Rückfall, bei fünf korrelierte der Rückfall mit einer verminderten CD19-Expression auf B-Zellen. Die Ansprechraten waren mit der Tumorlast zum Zeitpunkt des Therapiebeginns asso­ziiert: Bei > 50 Prozent Blasten im Knochenmark betrug die Rate der CR 82 Prozent, bei > 5 Prozent Blasten im Knochenmark lag sie bei 88 Prozent, von den Patienten mit < 0,01 bis 5 Prozent Blasten sprachen alle komplett an.

 

Nach Stammzelltransplantation werden die allogenen T-Lymphozyten modifiziert
„Wir sehen jetzt Kinder mit ALL, die auf keine andere Behandlung mehr angesprochen haben und mit der CTL019-Zelltherapie in eine komplette Remission kommen“, sagte Grupp, federführend für das Studienteam. 67 Prozent der CTL019-therapierten Kinder überlebten ohne Krankheitsereignis 6 Monate, 15 Kinder sind seit mehr als einem Jahr aus dem Krankenhaus entlassen.

 

Die transduzierten T-Lymphozyten können sich anhaltend, nach Studienlage für mehr als zwei Jahre, im Empfänger vermehren, die – erwünschte – B-Zellaplasie aufrecht erhalten und so – hoffentlich – einen Rückfall verhindern, sagte Grupp. In der Gruppe jener, die ansprachen, konnten CTL019-Zellen für ein bis 26 Monate nachgewiesen werden, die quantitative PCR zeigte hohe Proliferationsraten dieser Zellen an. Bei Patienten nach allogener Stammzelltransplantation waren es die Spender-T-Zellen, die ex vivo trans­duziert  wurden und sich nach Reinfusion im kranken Empfänger gut vermehrten.

 

Vor allem bei hoher Tumorlast sei ein Zytokin-Relasing-Syndrom (CRS) zu erwarten, das sich aber bei Behandlung mit dem Anti-Interleukin-6-Antikörper (Tociluzumab) rasch reversibel sei, sagte Grupp. Den Folgen einer Suppression der Antikörperproduktion durch die B-Zelldepletion lasse sich mit intravenös applizierten Immunglobulinen entgegenwirken. Bei einem kleinen Teil der Patienten komme es nach einem CRS zu zentralnervösen Störungen wie Verwirrtheit oder Aphasie.

Ärzteblatt.de vom 07.12.2014

 

1000 Buchstaben übrig