Bei leukämiekranken Kindern suchen Ärzte und häufig auch die Medien monatelang verzweifelt nach einem HLA-identischen Knochenmarkspender. Möglicherweise gibt auch eine Alternative, denn nach einer im Fachmagazin Lancet veröffentlichten Studie haben die Patienten die gleichen, eventuell sogar bessere Überlebenschancen, wenn Stammzellen aus Nabelschnurblut transplantiert werden. Diese dürfen sogar in einem oder zwei HLA-Eigenschaften abweichen, was die Suche nach einem geeigneten Spender beschleunigen kann.

Seit im Jahr 1989 das erste Mal eine Transplantation mit Nabelschnurstammzellen (eines allerdings HLA-identischen Spenders bei der Fanconie-Anämie) erfolgreich war, wird unter Hämatologen darüber diskutiert, ob diese ein geeigneter Ersatz für eine Knochenmarktransplantation sind. Der Vorteil besteht in der leichteren Verfügbarkeit und auch in der größeren Zahl der Spender. Denn überall auf der Welt werden Nabelschnurblutbanken gegründet, die häufig allerdings die Stammzellen für die Spender reservieren.

Ein Nachteil der Nabelschnurspende war lange die geringere Konzentration von Stammzellen im Nabelschnurblut. Sie galten deshalb als "zweite Wahl" und nach Möglichkeit wurde ein HLA-identischer Knochenmarkspender gesucht. In etwa 30 Prozent findet sich ein geeignetes Geschwisterkind, dessen Knochenmarkspende auch in Zukunft vorgezogen werden dürfte. In den anderen Fällen könnten die Hämatologen häufiger als bisher auf Nabelschnurblut zugreifen, selbst wenn dieses nicht HLA-identisch ist. 

Die Auswertung, die Mary Eapen und Mitarbeiter der Universität von Minnesota in Minneapolis unter 785 Kindern unter 16 Jahren mit akuter Leukämie (ALL oder AML) durchführten, ergab nämlich: Die 5-Jahresüberlebensrate ohne Rezidiv war genau so hoch, ob die Kinder nun eine Knochenmarktransplantation von einem HLA-identischen Spender erhalten hatten oder aber Nabelschnur-Stammzellen mit einem Mismatch in einer oder zwei HLA-Eigenschaften. Wenn das Nabelschnurblut HLA-identisch war, war die 5-Jahresüberlebensrate ohne Rezidiv sogar tendenziell besser als bei der Knochenmarktransplantation. Wegen der geringen Fallzahl ist dieser Befund aber nicht sicher.

Das ist ein Ergebnis, das unter Experten noch für Diskussionen sorgen wird. Der Wechsel zum Nabelschnurblut dürfte nicht leicht fallen. Die transplantationsbedingte Mortalität ist nämlich bei Übertragung von Nabelschnurstammzellen höher als nach einer Knochenmarktransplantation. Dieser Nachteil wird zwar durch eine geringere Rezidivrate der Leukämie später wieder ausgeglichen.

Die Editorialisten Vanderson Rocha und Eliane Gluckman vom Hôpital Saint Louis in Paris fordern dennoch hohe Qualitätsstandards für die Nabelschnurtransplantation. Sie betreffen vor allem die Anzahl der übertragenen Zellen, die eine gewisse Grenze nicht unterschreiten sollte (Lancet 2007; 369: 1906-1908). Dies gelte vor allem, wenn ein oder zwei HLA-Mismatches bestehen. Für den Fall, dass nicht genügend Stammzellen aus dem Nabelschnurblut gewonnen werden können, deute sich aber mit der Doppelt-Nabelschnurtransplantation neue Möglichkeiten an.

Quelle: Deutsches Ärzteblatt vom 08.06.2007, nach Lancet (2007; 369: 1947-1954)

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