Die Chancen, dass ein Kind eine Krebserkrankung überlebt, sind in den letzten 25 Jahren deutlich gestiegen. Das belegen die Daten des Deutschen Kinderkrebsregisters, so das Deutsche Ärzteblatt. Während die Wahrscheinlichkeit, fünf Jahre nach Diagnosestellung noch zu leben, für die Anfang der 1980er-Jahre erkrankten Kinder bei 69% lag, ist dieser Wert auf 81% gestiegen. Der Grund sind multimodale Therapiekonzepte und eine verbesserte Diagnostik. Mittlerweile steht die Minimierung der Langzeitfolgen im Mittelpunkt des Interesses.

Im Deutschen Kinderkrebsregister in Mainz werden seit 1980 (aus den neuen Bundesländern seit 1991) alle bei unter 15-Jährigen auftretenden Krebserkrankungen (Leukämien und bösartigen Tumoren) registriert. Auch einige nicht bösartige Tumoren, zum Beispiel Hirntumoren, werden vom Register erfasst. Damit der behandelnde Arzt die Daten melden kann, müssen die Eltern zustimmen. Es gibt nur etwa 35 große Zentren in Deutschland, die Kinder mit Krebserkrankungen behandeln. 

Deshalb war ein solches Register einfacher zu organisieren als diejenigen für Erwachsene. Inzwischen werden – mit Ausnahme der Hirntumoren – mehr als 95 Prozent der Fälle registriert. Die Daten sind für ganz Deutschland repräsentativ. Die Bundesrepublik hat eines der umfangreichsten Kinderkrebsregister der Welt – mit einem Datenmaterial, das auch in der internationalen Forschung anerkannt ist.

Ein wichtiges Anliegen für die Zukunft ist es, auch die letzten Meldelücken zu schließen. Dafür ist es notwendig, dass nicht nur die speziellen Behandlungszentren, sondern jeder, der ein krebskrankes Kind betreut – ein niedergelassener Arzt mit Verdachtsdiagnose ebenso wie ein städtisches Krankenhaus – diesen Fall meldet. (Mehrfachmeldungen stellen für die Registrierung kein Problem dar.) Besonders Patienten mit Hirntumoren werden noch nicht ausreichend erfasst. Hier sind vor allem die Neuropädiater und Neurochirurgen gefragt. 

Im Register liegen Daten von mehr als 35.000 Patienten vor. Erfasst werden neben Alter, Geschlecht und Wohnort auch Anamnese, Diagnose sowie Daten im Langzeitverlauf. Von den zwölf Millionen in Deutschland lebenden Kindern erkranken jährlich etwa 1 800 an Krebs. Bei etwa jedem 500. Kind wird bis zu seinem 15. Geburtstag eine bösartige Erkrankung diagnostiziert. Das Diagnosenspektrum weicht von dem der Erwachsenen deutlich ab. Karzinome sind im Kindesalter äußerst selten.
Häufiger sind dagegen die im Erwachsenenalter nahezu nicht zu beobachtenden embryonalen Tumoren: Neuroblastome, Retinoblastome, Nephroblastome, Medulloblastome oder Rhabdomyosarkome. Die meisten krebskranken Kinder leiden an Leukämie (33,2 Prozent), einem Hirntumor (21,1 Prozent) oder einem Lymphom (12,4 Prozent).

Mit seinen Daten beteiligt sich das Kinderkrebsregister auch an mehreren internationalen Studien – wie dem "Automated Childhood Cancer Information System" (ACCIS), einem EU-geförderten Projekt des Internationalen Krebsforschungszentrums in Lyon. Dieses erlaubt zum Beispiel das für die öffentliche Gesundheitsforschung wichtige Monitoring der Inzidenzen und Überlebenswahrscheinlichkeiten. Ein erstes wichtiges Ergebnis: Die Rate der Tumorerkrankungen steigt bei Kindern seit den 1970er-Jahren jedes Jahr um etwa ein Prozent in Europa (Lancet 2004; 364: 2097 ff.). In Deutschland ist diese Entwicklung so jedoch nicht zu erkennen. 

Ein Forschungsschwerpunkt behandelt die Frage nach der oder den Ursache(n) für die Krebserkrankung, die auch die Eltern sehr beschäftigt. Allerdings lässt sich die Kausalität bei Kindern in den meisten Fällen kaum beantworten. Im Verdacht stehen beispielsweise Elektrosmog und Röntgenstrahlen – jedoch in einer Dosis, die weit über den in Deutschland üblicherweise vorkommenden Werten liegt. 
Immer wieder wird in der Öffentlichkeit diskutiert, ob Emissionen von Kernkraftwerken für Krebserkrankungen bei Kindern verantwortlich sind. Das Deutsche Kinderkrebsregister führte 1992 und 1997 zwei entsprechende Studien durch. Sie basierten auf dem Vergleich von Krebserkrankungsraten im 15-Kilometer-Umkreis westdeutscher Kernkraftwerke mit denjenigen in Vergleichsregionen. Diese Analysen ergaben, dass in der Umgebung von deutschen Kernkraftreaktoren keine erhöhten Krebserkrankungsraten bei Kindern zu verzeichnen sind. Eine Ausnahme bildete allerdings das Kraftwerk Krümmel. 

2003 wurde im Auftrag des Bundesamtes für Strahlenschutz mit der so genannten KiKK-Studie begonnen (Epidemiologische Studie zu Kinderkrebs und Fehlbildungen in der Umgebung von Kernkraftwerken), einer Fallkontrollstudie mit unter fünfjährigen Kindern. Erstmalig wird in Deutschland zur Untersuchung des Zusammenhangs zwischen Kernkraftwerken und Kinderkrebs ein Studienansatz mit individueller Expositionsschätzung angewendet. Als Expositionsmaß dient die Entfernung der Wohnadresse vom nächstgelegenen Leistungsreaktor. Sie wird, wenn möglich, auf den Meter genau bestimmt. 

In einem zweiten Teil werden außerdem bei ausgewählten Erkrankungen (Leukämien, Lymphomen, ZNS-Tumoren) die Eltern befragt. Es sollen andere, das Studienergebnis möglicherweise mit beeinflussende Risikofaktoren erfasst werden (etwa eine berufliche Strahlenbelastung der Eltern). Die Studie wird voraussichtlich Ende 2006 abgeschlossen sein.

Langzeitbeobachtungen gewinnen an Bedeutung

Insgesamt stoßen Studien mit Fragebögen für die Eltern an ihre Grenzen. Ein viel versprechender neuer Ansatz könnten genetische Untersuchungen sein. Es ist eine kleinere humangenetische Studie mit erwachsen gewordenen Patienten mit und ohne sekundäre maligne Erkrankungen geplant. Überhaupt werden Langzeitbeobachtungen in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen. Aus den ehemaligen krebskranken Kindern sind längst Erwachsene geworden. Die ältesten Betroffenen, die im Register erfasst wurden, sind inzwischen 39 Jahre alt. 

Von Anfang an hat man am Kinderkrebsregister darauf hingearbeitet, Voraussetzungen für ein unbefristetes Follow-up zu schaffen. Es ist deshalb möglich, auch noch nach vielen Jahren ehemalige Patienten zu kontaktieren und zur Teilnahme an weiteren Studien zu gewinnen. So lassen sich Langzeitfolgen in medizinischer oder auch in psychologischer Hinsicht erforschen. Beispielsweise ist eine Studie zur Lebenssituation von registrierten Personen geplant, die älter sind als 25 Jahre.
Außerdem sind am Kinderkrebsregister etwa 400 Patienten erfasst, bei denen nach ihrer Krebserkrankung im Kindesalter eine zweite maligne Krankheit auftrat. Für sie wurden die Daten aus der Behandlung der ersten Erkrankung erfasst mit dem Ziel, mögliche Zusammenhänge zwischen einzelnen Therapieelementen und dem späteren Auftreten einer weiteren malignen Erkrankung festzustellen. Diese Daten werden zurzeit ausgewertet.

Möglich sind diese Untersuchungen, weil sich 85 Prozent der befragten ehemaligen Patienten mit der langfristigen Datenspeicherung am Kinderkrebsregister explizit einverstanden erklärt haben. Auch die Eltern der jüngeren Patienten sind offensichtlich vom Nutzen dieser Einrichtung überzeugt: 99 Prozent geben ihre Zustimmung zur Datenerfassung. Das kommt auch der Allgemeinheit zugute: Die Daten und Studienergebnisse stehen nicht nur Wissenschaftlern zur Verfügung, sondern auch Privatpersonen können sich mit Fragen an das Deutsche Kinderkrebsregister wenden.

Kontakt:
Dr. rer. physiol. Peter Kaatsch 
Leiter des Deutschen Kinderkrebsregisters 
an der Universität Mainz
Deutsches Kinderkrebsregister am Institut für Medizinische Biometrie, Epidemiologie und Informatik (IMBEI) 
Universität Mainz, 55101 Mainz 
E-Mail:  oder 
Web: http://www.kinderkrebsregister.de

Quelle: Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 20 vom 20.05.2005, Seite A-1421 / B-1192 / C-1130

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