Die Wahrscheinlichkeit der Nutzung eines prophylaktisch kryokonservierten Nabelschnurblutes im Kindesalter sei gering – und eventuell nur zweite Wahl, so ein aktueller Artikel im Ärzte Blatt.

Auf den ersten Blick erscheint die Idee, Nabelschnurblut über Jahre zu konservieren, reizvoll: Nabelschnurblut enthält Stammzellen, die ansonsten mit der Plazenta entsorgt würden. Schon seit Mitte der 90er ermöglichen Blutbanken wie auch private Unternehmen, diese Stammzellen zu kryokonservieren, um sie für Transplantationen aufzubereiten. Während die Konservierung bei Freigabe für die anonymisierte allogene Transplantation kostenlos ist, kostet sie für die lebenslange Gesundheitsvorsorge des eigenen Kindes bis zu 3300 Euro.

"Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kind seine Zellen jemals selbst brauchen wird, ist so klein, dass es sich nicht lohnt, sie für den Eigenbedarf wegzufrieren", sagt Prof. Anthony Ho von der Universität Heidelberg. Auch sein US-Kollege Prof. Edward Ball von der University of California in San Diego würde dazu nur ausnahmsweise raten, beispielsweise, wenn in einer Familie bereits Leukämien aufgetreten sind.

Die Skepsis bezüglich der Nabelschnurblut-Konservierung für den Eigenverbrauch habe zwei Gründe. Zum einen sei die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kind an einer Leukämie erkrankt, die dann mit einer Stammzelltransplantation behandelt werden muss, in der Größenordnung von 1:15000 und damit sehr klein. Zudem sei damit zu rechnen, dass zumindest bei der bei Kindern häufigsten Leukämie-Variante ALL schon zum Zeitpunkt der Geburt Vorläufer der späteren Tumorzellen im Blut der Kinder zu finden sei. Das eigene Nabelschnurblut könne dann ein hohes Rückfallrisiko beinhalten.

Doch da gebe es eben noch die Hoffnung auf zukünftige Therapien mit Nabelschnurblutstammzellen, die in den nächsten 10 oder 20 Jahren medizinisch möglich sein könnten. So verdichteten sich die Hinweise, dass zumindest ein Typ adulter Stammzellen, zu dem auch Nabelschnurblutstammzellen gehören, ausgesprochen wandlungsfähig zu sein scheint. Diese Zellen seien möglicherweise pluripotent, d.h. in der Lage, sich in ganz verschiedene Gewebe des Körpers zu entwickeln.

Aufgrund des relativ neuen Verfahrens, Stammzellen aus der Plazenta zu gewinnen, gibt es jedoch in den nächsten Jahrzehnten kaum Patienten mit Krankheiten wie Parkinson, Diabetes und Herzinfarkt, für die entsprechendes eigene Nabelschnurblut-Stammzellen zur Verfügung ständen. Forscher, die heute nach Stammzelltherapien suchen, sind daher gezwungen, sich auf andere Zellquellen zu konzentrieren. Diese Logik mache es noch unwahrscheinlicher, dass sich die Investition in eigene Nabelschnurstammzellen lohnt: Wer daran glaubt, dass es tatsächlich in absehbarer Zeit Stammzelltherapien geben sollte, muss auch davon ausgehen, dass diese Therapien nicht auf eigenes, sondern fremdes Nabelschnurblut angewiesen sein werden. Sonst wären sie für fast alle Patienten, für die keine eigenen Nabelschnurblutzellen zur Verfügung stehen, nutzlos. 

Quelle/Ausführlicher Artikel: Ärzte Blatt vom 10.5.2002.

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