Die Standardtherapie der CML in chronischer Phase ist die Behandlung mit einem sogenannten Tyrosinkinase-Hemmer (TKI). Viele Patienten erreichen nach einer gewissen Therapiedauer unter Imatinib, Nilotinib oder Dasatinib einen stabilen Zustand mit einer minimalen Resterkrankung. Dies wirft die Frage auf, ob ein Stop der TKI-Therapie unter diesen Umständen sicher ist bzw. sogar von Vorteil sein kann. Eine neue, paneuropäische Studie "EuroSKI" steht nun CML-Patienten in Deutschland offen, die in guter Remission einen kontrollierten Abbruch der Therapie unter engmaschiger Beobachtung ermöglicht. An den Unikliniken Mannheim und Jena werden jetzt bereits Patienten aufgenommen, weitere 10 Kliniken werden die Studie in Kürze ebenfalls anbieten. Da diese Studie europaweit durchgeführt wird, werden die erwarteten hohen Teilnehmerzahlen einen verlässlichen Aufschluss über die Chancen und Risiken eines Therapiestopps geben.
Frühere Erkenntnisse und offene Fragen
Frühere Studien, die zu dieser Therapiestopp-Fragestellung durchgeführt wurden, zeigten, dass
- 40% der Patienten, die mindestens 3 Jahre den TKI Imatinib erhalten hatten und unter dieser Behandlung für wenigstens 2 Jahre eine stabile Resterkrankung erreicht hatten, auch nach Absetzen des Medikamentes in Remission blieben
- 60% der Patienten innerhalb der ersten Wochen nach Absetzen der TKI Therapie einen Anstieg von BCR-ABL zeigten. Bei allen diesen Patienten wurde die TKI Therapie wieder begonnen und die minimale Resterkrankung wieder erreicht.
- ein Absetzen der TKI-Therapie nur unter engmaschiger Kontrolle und unter Verwendung der besten Labore im Rahmen einer klinischen Studie erfolgen sollte.
Einige Fragen blieben im Rahmen oben genannter Studie jedoch unbeantwortet, z.B.:
- Wie tief muss die minimale Resterkrankung zurückgedrängt sein?
- Wird diese durch die bisherige Dauer der Therapie, den bisherigen Therapieverlauf oder das Geschlecht beeinflusst?
- Gibt es weitere Prognosefaktoren, die für Rückfall vs. Stabilität nach Abbruch der Therapie in guter Remission entscheidend sind?
Zugangsvoraussetzungen und Studienziele
Diese Fragen sollen unter anderem in der klinischen Studie "EuroSKI" (Europa-Stop-TKI-Studie) vorgestellten klinischen Studie untersucht und daraus Rückschlüsse für zukünftige CML-Therapien abgeleitet werden.
EuroSKI hat das Ziel, die Fortdauer molekularen Remission nach Absetzen der TKI-Therapie für die Dauer von mindestens einem Jahr zu untersuchen und zu bewerten. Patienten müssen zuvor mindestens drei Jahre mit TKI (u.a. Imatinib, Dasatinib, Nilotinib) behandelt worden sein und ein Jahr lang einen Rückgang der Resterkrankung um mindestens Faktor 1000 (= Resterkrankung MR4, BCR-ABL 0,01%) erreicht haben.
Weitere Ziele sind:
- Die Bewertung klinischer und biologischer Faktoren, die einen Einfluss auf die Fortdauer der stabilen minimalen Resterkrankung (MR4) nach Absetzen der TKI Therapie haben
- Die Beurteilung der Lebensqualität der Patienten nach Absetzen der TKI-Therapie
- Die Bewertung der medizinisch-ökonomischen Faktoren nach Absetzen von TKI
- Die Beurteilung der Zeitdauer bis zum Erreichen einer erneuten minimalen Resterkrankung nach Rückfall und Wiederaufnahme der Therapie
Die Gesamtdauer der Studie ist auf 5 Jahre angelegt. Die Teilnahme ist natürlich auch abhängig davon, wie sich Ihre Resterkrankung entwickelt.
Ablauf von EuroSKI

Potentielle Teilnehmer der Studie müssen mindestens 3 Jahre mit TKIs behandelt worden sein und seit mindestens einem Jahr eine minimale Resterkrankung von mindestens MR4 (weniger als 0,01% BCR-ABL) gehabt haben.
Vor Beginn der Studie wird Blut für eine PCR-Analyse entnommen. Wird durch diese Blutprobe eine stabile minimale Resterkrankung von mindestens MR4 (weniger als 0,01% BCR-ABL) bestätigt und sind die weiteren Zugangsvoraussetzung gegeben, ist eine Teilnahme möglich.
An Tag 1 der Studie wird die medikamentöse Therapie (TKI-Therapie) abgesetzt. In den ersten 6 Monaten der Studie wird Ihnen alle 4 Wochen Blut für eine PCR-Analyse abgenommen. In den Monaten 7-12 erfolgt die Blutabnahme alle 6 Wochen. In Jahr 2 und 3 der klinischen Studie, werden die Kontrollen alle 3 Monate durchgeführt.
Die Blutabnahme, die anschließende PCR-Analyse und die Verlaufskontrolle finden im Studienzentrum statt. Neben der Blutabnahme werden an einigen dieser Terminen weitere körperliche Untersuchungen durchgeführt und Fragen zum Wohlergehen gestellt.
Die PCR-Analysen werden zentral in den Laboren der Unikliniken Mannheim und Jena durchgeführt.
Eine Entnahme von Knochenmark zur Untersuchung der Knochenmarkstammzellen (Zytogenetik) ist ohne Anzeichen eines Rückfalls nicht notwendig, es sei denn der behandelnde Arzt entscheidet sich dafür.
Sollte die minimale Resterkrankung (im Sinne des Anteils BCR-ABL) in der PCR-Analyse über einen Wert von 0,1% (MMR) ansteigen, wird die Behandlung mit TKI wieder begonnen. Frühere veröffentlichte Studien zeigen, dass eine schnelle Wiederaufnahme der TKI-Therapie im Falle eines Rückfalls wieder einen kontrollierten Erkrankungszustand ermöglicht. Durch die sehr engmaschigen Kontrollen und PCR-Analysen im Rahmen der Studie kann ein möglicher molekularer Rückfall frühzeitig erkannt und entsprechend schnell reagiert werden.
Weitere "Unterstudien" von EuroSKI
Teilnehmer an der Studie können freiwillig während der EuroSKI-Teilnahme an weiteren Unterstudien teilnehmen, die zusätzlichen Aufschluss über die Mechanismen der CML im Falle eines Therapiestopps geben. Diese sind:
- Immunologisches Monitoring für den Zusammenhang zwischen dem Nachweis von spezifischen Leukozyten, die der Immunabwehr dienen, und dem Erhalt des molekularen Ansprechens nach TKI-Stop
- Noch sensitivere bcr-abl Messung (der Uniklinik Bologna), als sie in der aktuellen Verlaufskontrolle verfügbar ist
- Messung von speziellen Immunrezeptoren, die evtl die bei Interferon zu beobachtende Kontrolle der Resterkrankung ermöglichen (durch das Labor der Uniklinik Marburg)
- Einfluss der Telomerlänge auf das molekulare Ansprechen nach Abbruch der TKI Therapie (durch die Aachener Uniklink).
Diese "Nebenerkenntnisse" der Studie werden zukünftigen Patienten bei der Behandlungsstrategie unter CML sowie der Erwägung von Therapiestopps im individuellen Fall helfen.
Kontakt
Um eine mögliche Teilnahme an der Studie zu erwägen, kann man mit den Studienzentren in Mannheim und Jena (sowie weiteren Kliniken, sobald die Studie dort verfügbar wird) Kontakt aufnehmen.
Prüfarzt und Europäische Koordination:
Dr. Susanne Saussele, III. Medizinische Klinik, Universitätsmedizin Mannheim
Deutsche Studienkoordination:
Prof Andreas Hochhaus, Universitätsklinikum Jena
Minimale Resterkrankung
Eine Art von tiefer Remission bei CML, bei der BCR-ABL dennoch mittels PCR nachweisbar ist
Tyrosinkinase
Enzym, das das Wachstum von Leukämiezellen anregt und therapeutisch durch Tyrosinkinase-Hemmer (Tyrosinkinase-Inhibitoren) gehemmt werden kann.
Stammzellen
Stammzellen sind Blutvorläuferzellen, aus denen sich verschiedene Arten von Zelltypen wie die roten Blutkörperchen (Erythrozyten) und weißen (Leukozythen) Blutzellen sowie Blutplättchen (Thrombozyten) und einige andere Zellen entstehen. Die Stammzellen befinden sich im Knochenmark und teilweise auch im Blut. Es gibt eine Anzahl von verschiedenen Entwicklungsstadien der Stammzellen (z.B. embryonale Stammzellen, aus denen sich der ganze Organismus entwickelt) oder Entwicklungsstadien aus denen nur noch bestimmte Zellarten entstehen können, z.B. Blutstammzellen, aus denen sich alle Blutkörperchen bilden.
Knochenmark
Das Innere der großen Knochen - vor allem des Hüftknochens und des Oberschenkels. Dort werden die Blut- und Immunzellen gebildet. Das Knochenmark bildet sich ständig neu.
Zytogenetik
Mikroskopische Untersuchung von Zahl und Aufbau der Chromosomen von Zellen aus Abstrichen, Blut oder Gewebeproben (Biopsien)
Interferon
Im Zusammenhang mit Leukämien üblicherweise Interferon-Alpha gemeint. Interferon (von engl. to interfere eingreifen, sich einmischen) ist ein Protein, das eine immunstimulierende und Tumorzellen angreifende Wirkung entfaltet. Es wird als körpereigenes Gewebshormon gebildet, v.a. von Leukozyten, Monozyten und Fibroblasten, kann aber auch als Medikament in körperunüblich hohen Dosen gegen Leukämien eingesetzt werden.
Remission
Vorübergehende oder dauerhafte Rückbildung von Krankheitszeichen. Bei Krebs: Partielle Remission = teilweises Verschwinden oder Verkleinerung von Krebszellen, komplette Remission = keine Krebszellen nachweisbar
chronisch
langanhaltend, sich langsam entwickelnd
Dasatinib
Handelsname Sprycel, Laborname BMS-354825, hemmt u.a. die BCR-ABL- und SRC-Tyrosinkinasen. Zugelassen in der EU seit 2006 für die Behandlung von CML und Ph+ALL.
Nilotinib
Nilotinib, Handelsname Tasigna, Laborname AMN107, hemmt u.a. die BCR-ABL-Tyrosinkinase. Zugelassen in der EU seit 2007 für die Behandlung der CML und Ph+ALL.
Prognose
Wahrscheinliche zukünftige Entwicklung einer Erkrankung auf Basis der bestehenden Befunde
Rezeptor
Bindungsstelle für Signalstoffe, Hormonrezeptor
Imatinib
Imatinib, Handelsname Glivec/Gleevec, Laborname STI-571, ein BCR-ABL-Tyrosinkinasehemmer der ersten Generation. Zugelassen seit Jahr 2002 für die Behandlung der CML und Ph-positiven ALL.
Phase I
Die klinische Erprobung eines Medikaments erfolgt in der Regel in drei Phasen, um Menschen vor noch unbekannten gefährlichen und unerwünschten Nebenwirkungen zu schützen und um die finanziellen Mittel möglichst effizient einzusetzen. In einer Phase-I-Studie wird ein Medikament von wenigen Testpersonen eingenommen. Dabei wird untersucht, ob das Medikament gut verträglich ist, welche Nebenwirkungen auftreten und welche Dosierungsart optimal ist. Diese Studien werden ohne Kontrollgruppe durchgeführt.
BCR-ABL
BCR-ABL ist ein Fusionsgen auf Chromosom 22. Das Chromosom mit diesem Gen wird als Philadelphia-Chromosom bezeichnet. Es kommt bei fast 95 Prozent der Patienten mit CML (Chronisch Myeloischer Leukämie) vor. Das Gen ABLim Fusionsgen enthält den Bauplan für ein Enzym, eine Tyrosinkinase. Dieses Enzym ist wesentlich an der Übertragung von Signalen beteiligt, die für die Regulation des Zellwachstums und der Zelldifferenzierung erforderlich sind. Durch die Fusion der beiden Gene wird das Tyrosinkinase-Gen aktiviert. Die Folge: Zellen mit diesem Gen vermehren sich unkontrolliert. Das molekulare Ereignis wird als Hauptursache für die Entstehung der CML angesehen.
Gen
Informationseinheit des Erbgutes, enthält meist den Bauplan für ein Protein. Die Gene liegen im Zellkern in Form von DNS vor.
PCR
Polymerase-Kettenreaktion (polymerase chain reaction: Untersuchungsverfahren zur schnellen Vervielfältigung (Amplifikation) bestimmter Abschnitte der RNA oder DNA.
TKI
Tyrosinkinaseinhibitor / Tyrosinkinasehemmer sind neuartige Medikamenten-Wirkstoffe, die bisher vor allem bei Tumorerkrankungen zum Einsatz kommen. Tyrosinkinasen spielen eine Schlüsselrolle bei der Entstehung von Tumorerkrankungen, da sie daueraktiviert zu einer ungebremsten Zellteilung und damit zu einem unkontrollierten Tumorwachstum führen. Die neuartigen Hemmstoffe blockieren diesen Mechanismus.
CHR
Komplette hämatologische Remission (complete haematologic response).
MMR
Gutes molekulares Ansprechen, bei der die BCR-ABL-Transkripte weniger als 0,1% (nach Internationaler Skala IS) der insgesamt untersuchten Gentranskripte ausmachen
MR4
Tiefe molekulare Remission, bei der die BCR-ABL-Transkripte weniger als 0,01% (nach Internationaler Skala IS) der insgesamt untersuchten Gentranskripte ausmachen
ELN
Das Europäische Leukämie Netz ist eine von der EU finanzierte Organisation bestehend aus Medizinern, Wissenschaftlern und Patienten aus dem Leukämie-Bereich, das zum Ziel hat, die Behandlung von Leukämie-Erkrankungen zu verbessern, Wissen zu generieren und dieses Wissen in Europa zu verbreiten.
MR
Molekulares Ansprechen (= molecular response (engl.). Es wird ausgedrückt durch die Anzahl der CML-spezifischen Gene im Blut
Minimale Resterkrankung
Eine Art von tiefer Remission bei CML, bei der BCR-ABL dennoch mittels PCR nachweisbar ist
Minimale Resterkrankung
Eine Art von tiefer Remission bei CML, bei der BCR-ABL dennoch mittels PCR nachweisbar ist
Klinische Studie
Wissenschaftliche Forschungsarbeit zur Behandlung von Krankheiten beim Menschen nach strengen medizinischen und ethischen Regeln
Klinische Studie
Wissenschaftliche Forschungsarbeit zur Behandlung von Krankheiten beim Menschen nach strengen medizinischen und ethischen Regeln
Chronische Phase
Die früheste Phase in der Entwicklung von CML
Chronische Phase
Die früheste Phase in der Entwicklung von CML
Stammzellen
Stammzellen sind Blutvorläuferzellen, aus denen sich verschiedene Arten von Zelltypen wie die roten Blutkörperchen (Erythrozyten) und weißen (Leukozythen) Blutzellen sowie Blutplättchen (Thrombozyten) und einige andere Zellen entstehen. Die Stammzellen befinden sich im Knochenmark und teilweise auch im Blut. Es gibt eine Anzahl von verschiedenen Entwicklungsstadien der Stammzellen (z.B. embryonale Stammzellen, aus denen sich der ganze Organismus entwickelt) oder Entwicklungsstadien aus denen nur noch bestimmte Zellarten entstehen können, z.B. Blutstammzellen, aus denen sich alle Blutkörperchen bilden.
chronisch
langanhaltend, sich langsam entwickelnd
chronisch
langanhaltend, sich langsam entwickelnd
Gen
Informationseinheit des Erbgutes, enthält meist den Bauplan für ein Protein. Die Gene liegen im Zellkern in Form von DNS vor.
TKI
Tyrosinkinaseinhibitor / Tyrosinkinasehemmer sind neuartige Medikamenten-Wirkstoffe, die bisher vor allem bei Tumorerkrankungen zum Einsatz kommen. Tyrosinkinasen spielen eine Schlüsselrolle bei der Entstehung von Tumorerkrankungen, da sie daueraktiviert zu einer ungebremsten Zellteilung und damit zu einem unkontrollierten Tumorwachstum führen. Die neuartigen Hemmstoffe blockieren diesen Mechanismus.
TKI
Tyrosinkinaseinhibitor / Tyrosinkinasehemmer sind neuartige Medikamenten-Wirkstoffe, die bisher vor allem bei Tumorerkrankungen zum Einsatz kommen. Tyrosinkinasen spielen eine Schlüsselrolle bei der Entstehung von Tumorerkrankungen, da sie daueraktiviert zu einer ungebremsten Zellteilung und damit zu einem unkontrollierten Tumorwachstum führen. Die neuartigen Hemmstoffe blockieren diesen Mechanismus.
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