Mit fünf zugelassenen Tyrosinkinasehemmern (TKI), von denen keiner eine sichere Heilung verspricht, könnte man sich fragen, ob es sinnvoll sei, die Lücken mit Medikamenten zu füllen, die ähnliche Wirkmechanismen haben und keinen völlig anderen Behandlungsansatz zur Auslöschung der Erkrankung darstellen.
Es gibt immer noch einen Teil der CML-Patienten, die auf die zugelassenen TKI nicht richtig ansprechen oder diese nicht vertragen – und mit einer unwirksamen Behandlung das Risiko einer lebensbedrohlichen Progression der Erkrankung tragen. Einige Patienten haben, selbst wenn ein dringendes medizinisches Bedürfnis (z.B. resistente Mutationen) dafür bestünde, traurigerweise keinen Zugang zu den aktuellen TKI der zweiten Generation (Dasatinib, Nilotinib, Bosutinib) oder der dritten Generation (Ponatinib).Zusätzlich erreicht etwa ein Drittel der CML-Patienten zwar ein gutes Ansprechen, erreicht aber nie in eine MR4-Remission und können deshalb nicht an einem Versuch zur behandlungsfreien Remission teilnehmen. Ein wirksameres Medikament würde vermutlich die Wahrscheinlichkeit einer behandlungsfreien Remission verbessern.
Ausserdem gibt es wegen der Nebenwirkungen (z.B. Herzkreislaufprobleme, Pleuraergüsse) Bedenken bei allen zugelassenen TKI der zweiten Generation. Deshalb wäre ein hochwirksames Medikament, das weniger Langzeitnebenwirkungen und bessere Lebensqualität ergäbe, sicherlich ein Wunsch vieler CML-Patienten. Das übergeordnete Ziel wäre natürlich die Heilung der CML, die aber mit keinem der bekannten Medikamente erreicht wird.
Ein neuer Ansatz, der aber auch keine Heilung der CML verspricht, ist Asciminib (bisher als ABL001 bekannt). Das Medikament wurde von Prof. Delphine Rea (Hopital Saint-Louis, Paris) beim diesjährigen ASH-Kongress vorgestellt. Der Wirkmechanismus von Asciminib ist den anderen TKI in gewisser Weise ähnlich, weil es ebenso das CML-spezifische BCR-ABL hemmt und so die Proliferation der CML-Zellen unterbindet. Der Wirkstoff ist ein „allosterischer Inhibitor“ und bindet sich an anderer Stelle als die anderen TKI an das BCR-ABL-Protein. Asciminib wird deshalb nicht durch die bekannten Mutationen der ATP-Bindungstasche beeinträchtigt, die andere TKI wirkungslos machen können.
Eine erste klinische Phase I-Studie läuft bereits seit 2014. Bei den Teilnehmern hatten bereits mindestens 2 TKI versagt, sie waren mehrfach vorbehandelt. In dieser Phase I-Studie wurden verschiedene Kombinationen von Imatinib, Dasatinib oder Nilotinib mit verschiedenen Asciminib-Dosen (40mg – 280mg) und unterschiedlichen Dosierungsschemata (ein- oder zweimal täglich) untersucht. Patienten mit der T315I-Mutation erhielten eine Asciminib-Monotherapie.
Am diesjährigen ASH wurden nur die Daten der 32 Patienten mit der T315I-Mutation gezeigt.
Von diesen erreichten mit einer täglichen Dosis von 200 mg Asciminib 36.7% eine MMR, 19.4% eine MR4 und 16.1% eine MR4.5, nach im Median 12 Wochen bis zum Erreichen der MMR. Einer von 32 Patienten musste die Behandlung wegen Nebenwirkungen absetzen. 62.5% der Patienten beobachteten Nebenwirkungen, etwa ein Viertel litt unter schwerwiegenden Nebenwirkungen (Grad 3-4: Übelkeit, Thrombozytopenie, Lipaseanstieg). Nebenwirkungen auf das Herzkreislaufsystem (QT-Verlängerungen) wurden nicht beobachtet.
Insgesamt schliessen die Autoren daraus, dass Asciminib für Patienten mit T315I-Mutation bei einer täglichen Dosis von 200 mg vielversprechende Wirksamkeit und gute Verträglichkeit bietet. Ein klinischer Nutzen wurde unabhängig von einer Vorbehandlung mit Ponatinib festgestellt.

Die Rekrutierung der Phase I-Studie läuft immer noch, ausserdem wird das Medikament in zwei neuen Studien untersucht:
Zusätzliche Informationen:
Report von Jan Geissler am 30 Dezember 2018
auf CMLadvocates.net
übersetzt von Niko
Erstlinientherapie
Erstlinientherapie ist die erste Therapie, die nach der Diagnosestellung bei einem Patienten eingeleitet wird. Wenn diese nicht anschlägt oder nicht vertragen wird, folgt die Zweitlinientherapie
Thrombozytopenie
Mangel an Blutplättchen (Thrombozyten), kann eine Blutungsneigung mit kleinfleckigen Blutungen in Haut und Schleimhäuten oder in Organen hervorrufen
Proliferation
Vermehrung von Zellen
Tyrosinkinase
Enzym, das das Wachstum von Leukämiezellen anregt und therapeutisch durch Tyrosinkinase-Hemmer (Tyrosinkinase-Inhibitoren) gehemmt werden kann.
Monotherapie
Behandlung mit nur einem Medikament
Nebenwirkung
Unerwünschte Begleiteffekte einer Therapie, besonders bei Chemotherapien begrenzen Nebenwirkungen die maximal verträgliche Dosis.
allosterisch
Eine bestimme Art von Enzymen: Allosterische Enzyme, aus Proteinuntereinheiten aufgebaute Enzyme, die neben dem aktiven Zentrum sog. allosterische Zentren enthalten.
Progression
Das Fortschreiten einer Krebserkrankung
Remission
Vorübergehende oder dauerhafte Rückbildung von Krankheitszeichen. Bei Krebs: Partielle Remission = teilweises Verschwinden oder Verkleinerung von Krebszellen, komplette Remission = keine Krebszellen nachweisbar
chronisch
langanhaltend, sich langsam entwickelnd
Phase III
In der letzten Phase wird das Medikament bei Gruppen von vielen hundert Menschen (oft über einen längeren Zeitraum) erprobt. Die Wirksamkeit wird genauer und statistisch zuverlässiger erfasst, seltene unerwünschte Nebenwirkungen werden exakt untersucht. Um eine ausreichende Zahl von Teilnehmenden zu erhalten, werden diese Studien meist international oder als so genannte Multizenterstudien, d.h. an verschiedenen Orten, durchgeführt. In der Regel erhält ein Medikament erst dann eine offizielle Zulassung, wenn diese Phase erfolgreich abgeschlossen ist. Wenn jedoch ein öffentliches Interesse besteht, kann die Zulassung in einem beschleunigten Verfahren (Fast-track- Verfahren) auch frühzeitig erfolgen, wie dies beispielsweise bei dem Medikament Glivec geschehen ist.
Zytopenie
Zellzahlverminderung im Blut. Je nach dem, welcher Zelltyp verringert ist, spricht man auch von z.B. Leuko-, Granulo-, Lympho-, Mono-, Erythro- oder Thrombozytopenie.
Dasatinib
Handelsname Sprycel, Laborname BMS-354825, hemmt u.a. die BCR-ABL- und SRC-Tyrosinkinasen. Zugelassen in der EU seit 2006 für die Behandlung von CML und Ph+ALL.
Nilotinib
Nilotinib, Handelsname Tasigna, Laborname AMN107, hemmt u.a. die BCR-ABL-Tyrosinkinase. Zugelassen in der EU seit 2007 für die Behandlung der CML und Ph+ALL.
Ponatinib
Ponatinib (Entwicklungsname AP24534, Handelsname Iclusig), ein Tyrosinkinaseinhibitor der dritten Generation
Bosutinib
Bosutinib (Entwicklungsname SKI-606, Handelsname Bosulif), ein Tyrosinkinaseinhibitor der zweiten Generation.
Asciminib
Tyrosinkinaseinhibitor: Asciminib richtet sich gegen das Genprodukt des BCR-ABL-Fusionsgens auf dem Philadelphia-Chromosom. Dabei handelt es sich um eine konstitutiv aktivierte Tyrosinkinase, die zur unkontrollierten und massiven Proliferation der Tumorzellen führt. Asciminib belegt die Myristat-bindende Tasche von ABL und bewirkt dadurch eine allosterische Hemmung der Tyrosinkinase.
Mutation
Veränderung der Abfolge von Bausteinen im Erbgut (DNS). Mutationen können zu Änderung oder Verlust der Funktion von Genen führen und damit das Verhalten von Zellen beeinflussen (lat. mutatio Veränderung, Wechsel)
Phase II
Hat das Medikament die Prüfung in Phase I bestanden, wird es bei einer kleinen Patientengruppe bezüglich der Wirksamkeit untersucht. Ziele der Studie können dabei beinhalten: Sinkt die Restleukämie? Bei welchem Prozentsatz der Testpersonen sinkt die Resterkrankung ab? Wird das Fortschreiten der Krankheit verzögert? Üblicherweise beteiligen sich einige hundert Menschen an einer solchen Studie, um möglichst genaue Zahlen zu erhalten. Um zu klären, ob es sich bei der Wirkung um zufällige Effekte oder um tatsächliche Medikamentenwirkungen handelt, werden die Teilnehmenden in eine Untersuchungsgruppe und eine Kontrollgruppe eingeteilt.
Imatinib
Imatinib, Handelsname Glivec/Gleevec, Laborname STI-571, ein BCR-ABL-Tyrosinkinasehemmer der ersten Generation. Zugelassen seit Jahr 2002 für die Behandlung der CML und Ph-positiven ALL.
Phase I
Die klinische Erprobung eines Medikaments erfolgt in der Regel in drei Phasen, um Menschen vor noch unbekannten gefährlichen und unerwünschten Nebenwirkungen zu schützen und um die finanziellen Mittel möglichst effizient einzusetzen. In einer Phase-I-Studie wird ein Medikament von wenigen Testpersonen eingenommen. Dabei wird untersucht, ob das Medikament gut verträglich ist, welche Nebenwirkungen auftreten und welche Dosierungsart optimal ist. Diese Studien werden ohne Kontrollgruppe durchgeführt.
BCR-ABL
BCR-ABL ist ein Fusionsgen auf Chromosom 22. Das Chromosom mit diesem Gen wird als Philadelphia-Chromosom bezeichnet. Es kommt bei fast 95 Prozent der Patienten mit CML (Chronisch Myeloischer Leukämie) vor. Das Gen ABLim Fusionsgen enthält den Bauplan für ein Enzym, eine Tyrosinkinase. Dieses Enzym ist wesentlich an der Übertragung von Signalen beteiligt, die für die Regulation des Zellwachstums und der Zelldifferenzierung erforderlich sind. Durch die Fusion der beiden Gene wird das Tyrosinkinase-Gen aktiviert. Die Folge: Zellen mit diesem Gen vermehren sich unkontrolliert. Das molekulare Ereignis wird als Hauptursache für die Entstehung der CML angesehen.
Grad 3
starke Nebenwirkung, Unterbrechung der Therapie oftmals notwendig
Lipase
Eine Lipase ist ein Enzym, das Fett in deren Bestandteile zerlegt.
T315I
Die T315I-Mutation ist eine Punktmutation, bei der an Position 944 des ABL-Gens Cytosin gegen Thymin ersetzt wird. Dadurch wird im kodierten Protein die Aminosäure Threonin gegen Isoleucin ausgetauscht.
MR4.5
Tiefe molekulare Remission, bei der die BCR-ABL-Transkripte weniger als 0,0032% (nach Internationaler Skala IS) der insgesamt untersuchten Gentranskripte ausmachen
Port
Zuführendes System, meist eine unter die Haut eingepflanzte Kunststoffkammer mit Venenkatheter, um eine kontinuierliche Medikamentengabe zu ermöglichen.
Gen
Informationseinheit des Erbgutes, enthält meist den Bauplan für ein Protein. Die Gene liegen im Zellkern in Form von DNS vor.
DLI
Gabe von Spenderlymphozyten nach rezidivierter allogener Stammzelltransplantation (DLI = Donor Lymphocyte Infusion)
ASH
Amerikanische Gesellschaft für Hämatologie (engl. American Society of Hematology). Oftmals wird ASH als Synonym für den jedes Jahr im Dezember stattfindenden Jahreskongress der Gesellschaft verwendet.
TKI
Tyrosinkinaseinhibitor / Tyrosinkinasehemmer sind neuartige Medikamenten-Wirkstoffe, die bisher vor allem bei Tumorerkrankungen zum Einsatz kommen. Tyrosinkinasen spielen eine Schlüsselrolle bei der Entstehung von Tumorerkrankungen, da sie daueraktiviert zu einer ungebremsten Zellteilung und damit zu einem unkontrollierten Tumorwachstum führen. Die neuartigen Hemmstoffe blockieren diesen Mechanismus.
CHR
Komplette hämatologische Remission (complete haematologic response).
MMR
Gutes molekulares Ansprechen, bei der die BCR-ABL-Transkripte weniger als 0,1% (nach Internationaler Skala IS) der insgesamt untersuchten Gentranskripte ausmachen
MR4
Tiefe molekulare Remission, bei der die BCR-ABL-Transkripte weniger als 0,01% (nach Internationaler Skala IS) der insgesamt untersuchten Gentranskripte ausmachen
MR
Molekulares Ansprechen (= molecular response (engl.). Es wird ausgedrückt durch die Anzahl der CML-spezifischen Gene im Blut
Philadelphia-Chromosom
Charakteristisches Merkmal der chronisch myeloischen Leukämie. Die Chromosomenmutation entsteht durch Transfer des Hauptteils des langen Arms von Chromosom 9 nach Chromosom 22 (= Translokation).
Chronische Phase
Die früheste Phase in der Entwicklung von CML
Chronische Phase
Die früheste Phase in der Entwicklung von CML
Randomisierung
Patienten mit einem oder mehreren gleichen Charakteristika (z.B. gleiche Erkrankung, Krankheitsstadium, Geschlecht, Alter) werden nach einem Zufallsverfahren in verschiedene Behandlungsgruppen (Arme der Studie) eingeteilt. Jede Gruppe erhält eine unterschiedliche Behandlung. Das Zufallsverfahren ist erforderlich, um die Ergebnisse bzw. Ansprechraten möglichst objektiv zwischen mehreren gleichartigen Gruppen vergleichen zu können.
Randomisierung
Patienten mit einem oder mehreren gleichen Charakteristika (z.B. gleiche Erkrankung, Krankheitsstadium, Geschlecht, Alter) werden nach einem Zufallsverfahren in verschiedene Behandlungsgruppen (Arme der Studie) eingeteilt. Jede Gruppe erhält eine unterschiedliche Behandlung. Das Zufallsverfahren ist erforderlich, um die Ergebnisse bzw. Ansprechraten möglichst objektiv zwischen mehreren gleichartigen Gruppen vergleichen zu können.
allosterisch
Eine bestimme Art von Enzymen: Allosterische Enzyme, aus Proteinuntereinheiten aufgebaute Enzyme, die neben dem aktiven Zentrum sog. allosterische Zentren enthalten.
allosterisch
Eine bestimme Art von Enzymen: Allosterische Enzyme, aus Proteinuntereinheiten aufgebaute Enzyme, die neben dem aktiven Zentrum sog. allosterische Zentren enthalten.
chronisch
langanhaltend, sich langsam entwickelnd
chronisch
langanhaltend, sich langsam entwickelnd
Resistenz
Unempfindlichkeit gegenüber einer Behandlung, z.B. von Krebszellen gegen eine Therapie
Resistenz
Unempfindlichkeit gegenüber einer Behandlung, z.B. von Krebszellen gegen eine Therapie
Mutation
Veränderung der Abfolge von Bausteinen im Erbgut (DNS). Mutationen können zu Änderung oder Verlust der Funktion von Genen führen und damit das Verhalten von Zellen beeinflussen (lat. mutatio Veränderung, Wechsel)
T315I
Die T315I-Mutation ist eine Punktmutation, bei der an Position 944 des ABL-Gens Cytosin gegen Thymin ersetzt wird. Dadurch wird im kodierten Protein die Aminosäure Threonin gegen Isoleucin ausgetauscht.
Gen
Informationseinheit des Erbgutes, enthält meist den Bauplan für ein Protein. Die Gene liegen im Zellkern in Form von DNS vor.
TKI
Tyrosinkinaseinhibitor / Tyrosinkinasehemmer sind neuartige Medikamenten-Wirkstoffe, die bisher vor allem bei Tumorerkrankungen zum Einsatz kommen. Tyrosinkinasen spielen eine Schlüsselrolle bei der Entstehung von Tumorerkrankungen, da sie daueraktiviert zu einer ungebremsten Zellteilung und damit zu einem unkontrollierten Tumorwachstum führen. Die neuartigen Hemmstoffe blockieren diesen Mechanismus.
TKI
Tyrosinkinaseinhibitor / Tyrosinkinasehemmer sind neuartige Medikamenten-Wirkstoffe, die bisher vor allem bei Tumorerkrankungen zum Einsatz kommen. Tyrosinkinasen spielen eine Schlüsselrolle bei der Entstehung von Tumorerkrankungen, da sie daueraktiviert zu einer ungebremsten Zellteilung und damit zu einem unkontrollierten Tumorwachstum führen. Die neuartigen Hemmstoffe blockieren diesen Mechanismus.
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