Der Tyrosinkinase-Inhibitor Nilotinib darf jetzt auch zur Erstlinientherapie bei der chronisch-myeloischen Leukämie (CML) eingesetzt werden. Die europäische Arzneimittelagentur EMA hat vor wenigen Tagen einem Antrag des Herstellers stattgegeben.
Die Einführung von
Imatinib im Jahr 2001 wird heute als ein wichtiger, wenn auch sehr kostspieliger Fortschritt in der Behandlung der
Philadelphia-Chromosom-positiven CML betrachtet. Das Nachfolgepräparat
Nilotinib hemmt wie
Imatinib das Enzym Abl-
Tyrosinkinase, das für die unkontrollierte
Proliferation von Leukämiezellen bei der Philadelphia-positiven CML verantwortlich gemacht wird.
Nilotinib wurde 2008 zunächst für die
Zweitlinientherapie bei Patienten zugelassen, die
Imatinib nicht vertragen oder dagegen
resistent sind.
Der Hersteller konnte die Aufsichtsbehörde EMA jedoch durch die im Juni publizierten Ergebnisse der ENESTnd-Studie von einer Ausweitung der Indikation überzeugen, in der Nilotinib mit Imatinib bei neu diagnostizierter CML verglichen wurde (NEJM 2010; 362: 2251-9).
Nilotinib hatte dort nicht nur doppelt so häufig (44 vs. 22 Prozent) zu einer kompletten molekularen Antwort (mit Verschwinden des Tumor-Gens) geführt. Auch das Ziel einer kompletten zytogenetischen Antwort (Verschwinden des Philadelphia-Chromosoms) wurde häufiger (80 vs. 65 Prozent) erreicht.
Schließlich wurde die Zeit bis zur erneuten Progression (akzelerierte Phase oder Blastenkrise) verlängern. Kein Patient mit kompletter molekularer Antwort erlitt während der ersten 12 Monate ein Rezidiv der CML. Da auch die Verträglichkeit von Nilotinib besser ist, sprach wenig gegen die Zulassung zur Erstlinientherapie.
Offen ist, ob die Therapeuten sich im Fall einer Resistenz langfristig Therapieoptionen verbauen. Mit Dasatinib wurde allerdings 2006 ein weiterer Abl-Tyrosinkinase zugelassen, und mit Bosutinib befindet sich ein weiterer Wirkstoff in der Entwicklung, der infolge eines anderen Wirkmechanismus (Src-Kinase-Inhibitor) bei Imatinib/Nilotinib-Resistenz infrage kommen könnte.
Deutsches Ärzteblatt vom 27.12.2010
Philadelphia-Chromosom
Charakteristisches Merkmal der chronisch myeloischen Leukämie. Die Chromosomenmutation entsteht durch Transfer des Hauptteils des langen Arms von Chromosom 9 nach Chromosom 22 (= Translokation).
Zweitlinientherapie
Erstlinientherapie ist die erste Therapie, die nach der Diagnosestellung bei einem Patienten eingeleitet wird. Wenn diese nicht anschlägt oder nicht vertragen wird, folgt die Zweitlinientherapie
Erstlinientherapie
Erstlinientherapie ist die erste Therapie, die nach der Diagnosestellung bei einem Patienten eingeleitet wird. Wenn diese nicht anschlägt oder nicht vertragen wird, folgt die Zweitlinientherapie
Proliferation
Vermehrung von Zellen
Tyrosinkinase
Enzym, das das Wachstum von Leukämiezellen anregt und therapeutisch durch Tyrosinkinase-Hemmer (Tyrosinkinase-Inhibitoren) gehemmt werden kann.
Blastenkrise
Die dritte Phase der Entwicklung von CML; sie entsteht nach der chronischen und akzelerierten Phase. Ihr Merkmal ist das Vorkommen einer zunehmenden Anzahl von unreifen Blutkörperchen („Blasten") im Blut oder Knochenmark.
Progression
Das Fortschreiten einer Krebserkrankung
Indikation
Begründung der Verordnung eines bestimmten diagnostischen oder therapeutischen Verfahrens in einem bestimmten Krankheitsfall
chronisch
langanhaltend, sich langsam entwickelnd
myeloisch
das Knochenmark betreffend. Im engeren Sinne die Bildung von bestimmten weißen Blutzellen, den Granulozyten, im Knochenmark betreffend
Resistenz
Unempfindlichkeit gegenüber einer Behandlung, z.B. von Krebszellen gegen eine Therapie
Dasatinib
Handelsname Sprycel, Laborname BMS-354825, hemmt u.a. die BCR-ABL- und SRC-Tyrosinkinasen. Zugelassen in der EU seit 2006 für die Behandlung von CML und Ph+ALL.
Nilotinib
Nilotinib, Handelsname Tasigna, Laborname AMN107, hemmt u.a. die BCR-ABL-Tyrosinkinase. Zugelassen in der EU seit 2007 für die Behandlung der CML und Ph+ALL.
Bosutinib
Bosutinib (Entwicklungsname SKI-606, Handelsname Bosulif), ein Tyrosinkinaseinhibitor der zweiten Generation.
Imatinib
Imatinib, Handelsname Glivec/Gleevec, Laborname STI-571, ein BCR-ABL-Tyrosinkinasehemmer der ersten Generation. Zugelassen seit Jahr 2002 für die Behandlung der CML und Ph-positiven ALL.
Rezidiv
Neuauftreten akuter Krankheitszeichen, Rückfall nach einer Remission
Blasten
Unreife Zellen, z. B. Blutzellvorläufer im Blut oder Knochenmark
Gen
Informationseinheit des Erbgutes, enthält meist den Bauplan für ein Protein. Die Gene liegen im Zellkern in Form von DNS vor.
CHR
Komplette hämatologische Remission (complete haematologic response).
Chromosomen
Träger des Erbguts im Zellkern. Sie enthalten die riesigen Kettenmoleküle der DNA kompakt verdrillt und gefaltet als Aggregate mit speziellen Proteinen. Die Chromosomen dienen unter anderem bei der Zellteilung der gleichen Verteilung des Erbguts auf die Tochterzellen. Die normalen menschlichen Körperzellen haben 46 Chromosomen. Bei Krebszellen kann die Zahl und/oder Struktur der Chromosomen verändert sein.
Chromosomen
Träger des Erbguts im Zellkern. Sie enthalten die riesigen Kettenmoleküle der DNA kompakt verdrillt und gefaltet als Aggregate mit speziellen Proteinen. Die Chromosomen dienen unter anderem bei der Zellteilung der gleichen Verteilung des Erbguts auf die Tochterzellen. Die normalen menschlichen Körperzellen haben 46 Chromosomen. Bei Krebszellen kann die Zahl und/oder Struktur der Chromosomen verändert sein.
myeloisch
das Knochenmark betreffend. Im engeren Sinne die Bildung von bestimmten weißen Blutzellen, den Granulozyten, im Knochenmark betreffend
myeloisch
das Knochenmark betreffend. Im engeren Sinne die Bildung von bestimmten weißen Blutzellen, den Granulozyten, im Knochenmark betreffend
Resistenz
Unempfindlichkeit gegenüber einer Behandlung, z.B. von Krebszellen gegen eine Therapie
Gen
Informationseinheit des Erbgutes, enthält meist den Bauplan für ein Protein. Die Gene liegen im Zellkern in Form von DNS vor.
Gen
Informationseinheit des Erbgutes, enthält meist den Bauplan für ein Protein. Die Gene liegen im Zellkern in Form von DNS vor.
TKI
Tyrosinkinaseinhibitor / Tyrosinkinasehemmer sind neuartige Medikamenten-Wirkstoffe, die bisher vor allem bei Tumorerkrankungen zum Einsatz kommen. Tyrosinkinasen spielen eine Schlüsselrolle bei der Entstehung von Tumorerkrankungen, da sie daueraktiviert zu einer ungebremsten Zellteilung und damit zu einem unkontrollierten Tumorwachstum führen. Die neuartigen Hemmstoffe blockieren diesen Mechanismus.
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