Mehr als drei Viertel aller Patienten erreichen unter Glivec ein komplettes zytogenetisches Ansprechen. Bei einem geringen Prozentsatz der Patienten stellt sich sogar eine komplette molekulare Remission ein, bei der selbst mit sensitivsten PCR-Methoden keine Resterkrankung mehr nachgewiesen werden kann. Bei genau diesen Patienten ist bisher unklar, ob die Therapie zur Remissionserhaltung fortgesetzt werden sollte oder Glivec ohne das Risiko eines Rückfalls abgesetzt werden könnte. In einem kürzlich von Dr. Mauro und Dr. Druker (OHSU) veröffentlichten Artikel wurde nun erstmals von zwei Patienten berichtet, die das Medikament nach dem Erreichen einer molekularen Remission abgesetzt haben.

Der Artikel "Divergent Clinical Outcome In Two CML Patients Who Discontinued Imatinib Therapy After Achieving A Molecular Remission" beschreibt das sehr unterschiedliche Ergebnis dieser beiden Fälle, bei dem einer während der Therapieunterbrechung in kompletter molekularer Remission verblieb, während der andere einen deutlichen Rückfall erlitt. Dies unterstreicht die Unsicherheit, die Glivec-Therapie zu unterbrechen, so die Autoren. Trotz einer fehlenden Nachweisbarkeit von bcr-abl-Transkripten könne bei diesen Patienten noch ein subklinisches Reservoir von CML-Zellen vorhanden sein, die nach dem Absetzen einen Rückfall auslösen könnten.

Beide Patienten wurden nach einer fehlgeschlagenen Ersttherapie anschließend mit Glivec behandelt und nach Studienende unter dieser Medikation weiterbetreut. Regelmäßige Untersuchungen schlossen Zytogenetik, FISH und quantitative PCR mit einer Sensitivität von 1 in 1 Million Zellen ein. 


Patient 1

Bei der 36jährigen weiblichen Patientin wurde im März 2000 CML in chronischer Phase diagnostiziert. Nachdem sich in zwei Interferon-Studien unvollständiges hämatologisches Ansprechen sowie Toxizitäten zeigten, wurde sie 12 Monate nach Diagnose mit Glivec behandelt. 4 Wochen nach Beginn mit Glivec stellt sich eine hämatologische, 3 Monate nach Beginn komplete zytogenetische Remission ein. qPCR vom Knochenmark war nach 9 und 12 Monaten negativ. Im Monat 13 wurde eine Stammzellkonservierung vorgenommen. FISH-Untersuchungen in den Monaten 14, 15 und 16 waren negativ.

Im Monat 17 musste die Patientin Glivec aufgrund moderater Nebenwirkungen wie z.B. sich verstärkender Fatigue absetzen. Zytogenetik und FISH waren in Monat 18 wie auch FISH aus dem peripheren Blut in Monat 19 negativ. In Monat 20, 12 Wochen nach Unterbrechung der Therapie, zeigte die Zytogenetik 28% positive und FISH 3,4% positive Zellen. Die Glivec-Therapie wurde wieder mit 400mg, allerdings zur Nebenwirkungsreduktion nur an 5 Tagen pro Woche, wieder aufgenommen. 4 Wochen nach dem Neustart betrug die Zytogenetik nur noch 12% Ph+, nach 4 Monate war wieder zytogenetische Remission erreicht. Zum Zeitpunkt der Publikation war die Patientin weiterhin auf 400mg an 5 Tagen/Woche.


Patient 2

Die ebenfalls 36 Jahre alte Patientin erhielt im Januar 2000 die Diagnose CML in chronischer Phase. Zuvor war sie wegen Autoimmun-Arthritis in Behandlung. Aufgrund des langsamen Anstiegs der Leukozyten wurde die CML in den ersten 8 Monaten nach Diagnose nicht behandelt. Dann wurde die Therapie mit Hydroxyurea und Anagrelide begonnen, eine Interferon-Therapie wurde wegen ihrer medizinischen Vorgeschichte als zu risikobehaftet betrachtet. 10 Monate nach der Diagnose begann sie mit Glivec-Therapie.

Nach einem Monat erreichte sie komplette hämatologische, nach 3 Monaten komplette zytogenetische Remission. Nach 9 Monaten waren mit qPCR keine BCR-ABL-Transkripte mehr nachweisbar. Im Monat 17, zwei Wochen nach Entdeckung einer Schwangerschaft, unterbrach die Patientin die Therapie. Das Baby wurde ohne Komplikationen gesund geboren, und noch ein Jahr nach der Unterbrechung der Therapie waren alle CML-Untersuchungen (qPCR) negativ. 13 Monate nach Abbruch der Therapie wurde die Glivec-Therapie aufgrund Besorgnis wegen eines potentiellen Rückfalls wieder aufgenommen. Ob die Patientin über die 13 Monate hinaus in Remission geblieben wäre, bleibt daher unbekannt.


Fazit

Wie diesen zwei Fällen zu entnehmen ist, kann ein Absetzen des Medikaments nach Erreichen einer kompletten molekularen Remission, bei der kein BCR-ABL mehr nachweisbar ist, unterschiedliche klinische Ergebnisse haben. Beide Patienten erreichten innerhalb von 3 Monaten eine komplette zytogenetische Remission, was von den Autoren gemäß den zweijährigen Erkenntnissen der bisherigen Phase-II-Studie als guter Prognosefaktor für das Erreichen einer anhaltenden Remission und hohen Überlebenswahrscheinlichkeit gilt. Trotz fehlendem Nachweis des bcr-abl-Transkripts bei Patient 1 trat ein Rückfall und ein rascher Anstieg in qPCR kurz nach Unterbrechung der Therapie, gefolgt von einem kompletten Verlust des zytogenetischen Ansprechens binnen 12 Wochen, ein. 

Die Autoren schließen aus der Untersuchung, dass eine Negativität auf molekularer Ebene nicht mit einer Heilung gleichgesetzt werden könne. Selbst bei qPCR-Negativität bei einer Sensitivität von 1 in 1 Million Zellen könnten im Körper weiterhin bis zu einer Million leukämische Zellen vorhanden sein. Ob es einige Patienten geben könnte, die nach Erreichen einer molekularen Remission auf sichere Weise die Glivec-Therapie unterbrechen können, bleibt daher weiterhin ungeklärt. Die Autoren empfehlen daher zum heutigen Stand auf jeden Fall ein Fortsetzen der Glivec-Therapie mit regelmäßiger Kontrolle des bcr-abl-Niveaus.

Quelle: In Auszügen aus dem Englischen übersetzten von jan: 
Leukemia Research Artikel "Divergent Clinical Outcome In Two CML Patients Who Discontinued Imatinib Therapy After Achieving A Molecular Remission", Michael J. Mauro, Brian J. Druker, Richard T. Marziaz, Oregon Cancer Institute, Oregon Health & Science University, USA. (Download als PDF, Acrobat Reader erforderlich)

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