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Seit zweieinhalb Jahren bei uns zugelassen, zeigt der Enzymhemmer Imatinib (Handelsname Glivec) gute Resultate in der Behandlung der chronisch myeloischen Leukämie (CML) und gastrointestinaler Stromatumoren (GIST). Als mögliche weitere Einsatzgebiete kommen AML und Glioblastoma multiforme infrage. Die Euphorie trüben jedoch Resistenzbildungen in fortgeschrittenen Phasen der Krankheit. Bisher alle Patienten, die einen PCR-Wert von unter 0,1% erreicht hätten, sind jedoch rezidivfrei. Dr. Andreas Hochhaus stellte die aktuellen Forschungserkenntnisse kürzlich auf dem Krebskongress in Berlin vor, so ein Artikel in der Apotheker Zeitung.

Nahezu alle Patienten mit CML weisen eine Mutation im so genannten Philadelphia-Chromosom auf. Dadurch bildet ihr Körper die veränderte Tyrosinkinase Bcr-Abl, die verglichen mit der natürlichen Variante stärker enzymatisch aktiv ist. So regt sie die Zellteilung an und bremst den programmierten Zelltod - die Zellen vermehren sich unkontrolliert. Der Wirkstoff Imatinib hemmt das Bcr-Abl-Protein, indem er mit ATP um dessen Bindungstasche konkurriert und somit die Phosphorylierung von Botenstoffen und nachfolgende Signaltransduktionswege stoppt. 

"Die hämatologische Remission unter Imatinib geschieht sehr rasch", berichtete Professor Dr. Andreas Hochhaus auf einem Satellitensymposium der Firma Novartis den Besuchern des 26. Krebskongresses in Berlin. So habe sich bei Patienten in der First-Line-Therapie das Blutbild innerhalb der ersten drei Monate normalisiert. Auch die Zahl der Zellen mit dem Philadelphiachromosom ging zurück. Diese so genannte zytologische Remission zeigten 82 Prozent der Behandelten nach 30 Monaten medianer Beobachtung. Entscheidend für den Patienten sei eine gute molekulare Remission zwölf Monate nach Therapiebeginn. Patienten mit einem Rückgang der Erkrankung um drei log-Potenzen oder einem Quotienten Bcr-Abl zu Abl von unter 0,1 Prozent (bei 58 Prozent) seien bisher rezidivfrei. Insgesamt betrage das Überleben nach knapp drei Jahren 98 Prozent. 

Trotz der guten Daten versuche man die Therapie weiter zu optimieren, so Hochhaus. Eine Möglichkeit besteht darin, die Dosis von üblichen 400 mg auf 600 oder 800 mg pro Tag zu erhöhen. Erste, allerdings nicht randomisierte Studien zeigten eine deutlich raschere hämatologische und zytogenetische Remission. Der Gefahr von Zytopenien könne man mit dem Wachstumsfaktor G-CSF begegnen. Getestet würden auch Kombinationen mit Interferon alpha, Arabinosylcytosin oder Arsentrioxid. Als viel versprechend bezeichnete er zudem eine gemeinsame Gabe mit Farnesyltransferase-Inhibitoren, die die Bildung von in Tumorzellen häufig überaktiven Ras-Proteinen hemmen. 


Mutationen schmälern Wirkung

Was die Therapeuten jedoch aufhorchen lässt, sind Resistenzen unter der Behandlung, die bei Patienten aller CML-Stadien auftraten. Die Häufigkeit von Rezidiven trotz vorherigem Ansprechen betrug 4 Prozent bei Patienten in früher chronischer Phase (nach zwei Jahren Therapie), 20 Prozent der Responder in später chronischer Phase, 60 Prozent in der Akzelerationsphase und 93 Prozent in der myeloischen Blastenkrise bezogen auf drei Jahre. 

Der Hauptmechanismus der Resistenzbildung liegt in Mutationen in der Bindungsstelle für Imatinib beziehungsweise ATP. Wissenschaftler identifizierten verschiedene Mutationen, etwa im Aktivierungsloop und im so genannten P-Loop, einer eigentlich sehr konservierten Stelle. Komme es nur zu einem partiellen Bindungsverlust, könne eine Dosiserhöhung erfolgreich sein, vermutete Hochhaus. In einigen Fällen beobachte man jedoch einen kompletten Bindungsverlust, was ein rasches Handeln erfordere. Insbesondere die P-Loop-Mutation sei sehr aggressiv, unter ihr verstarben mehr als 60 Prozent der Betroffenen schon innerhalb weniger Monate.

Um Resistenzen zu vermindern, sollte die Therapie nach Ansprechen mit konstanter Dosis, mindestens jedoch mit 400 mg, fortgesetzt werden. Zu einem Therapieabbruch riet Hochhaus nur in speziellen Situationen, wenn Nebenwirkungen dazu zwingen oder ein Kinderwunsch besteht. Neben der Resistenzbildung gelte es nun auch die Langzeitwirkung weiter zu beobachten. 


Imatinib hemmt weitere Kinase

"Das ideale therapeutische Target ist im Tumor generell exprimiert, onkogen aktiv und spezifische hemmbar", fasste Professor Dr. Peter Reichardt von der Charité in Berlin zusammen. Dies sieht er mit der Tyrosinkinase c-kit erfüllt, die in den gastrointestinalen Stromatumoren von 88 Prozent der betroffenen Patienten in unterschiedlichen, aktivierende Mutationen zu finden ist. C-kit bindet natürlicherweise den als Stammzellfaktor bezeichneten Wachstumsfaktor. Infolge der genetischen Veränderungen lagern sich jedoch zwei der transmembranären Kinasen zu einem Homodimer zusammen und bewirken eine kontinuierliche ligandenunabhängige Signaltransduktion. Untersuchungen an Mäusen haben zeigen können, dass die Tiere allein durch die induzierte Mutation einen GIST im Dünndarm entwickelten, berichtete der Referent. "Dies ist die direkte Ursache der Erkrankung." 

Die Inzidenz gastrointestinaler Stromatumoren (GIST) beträgt etwa 10 bis 20 pro eine Million Einwohner. GIST stellen damit weniger als 1 Prozent der malignen GI-Tumoren dar und entstehen zumeist im Magen, Duodenum oder Dünndarm. Wird der Krebs diagnostiziert, weist die Hälfte der durchschnittlich 58-jährigen Patienten bereits Metastasen auf. Die Chemotherapie gilt als ineffektiv, die mediane Überlebenszeit fortgeschrittener Tumoren betrug vor Einführung von Imatinib 12 bis 19 Monate. 

"Bisher waren die fortgeschrittenen GIST-Stadien nicht behandelbar", sagte Reichardt. Während die Chirurgie die Therapie der Wahl bei lokalisierten Tumoren sei, könne sie allein die high-risk GIST nicht kontrollieren. Liegen inoperable Geschwüre vor, könne nun Imatinib die Tyrosinkinase hemmen. In den Studien haben sich Tumoren zu 50 bis 70 Prozent zurückgebildet, das Wachstum war bei 85 bis 90 Prozent der Patienten gehemmt, ein Fortschreiten der Erkrankung sei nur in 10 bis 15 Prozent der Fälle beobachtet worden. "Bei symptomatischen Patienten bildeten sich die Symptome binnen Tagen bis längstens ein bis zwei Wochen zurück", hob Reichardt hervor. Das progressionsfreie Überleben betrage 70 Prozent nach einem Jahr und 50 Prozent nach zwei Jahren. 

Eine große multizentrische Phase-III-Studie mit 946 Patienten habe gezeigt, dass die höhere Dosierung von 800 mg Imatinib bei vernachlässigbarer Steigerung der Nebenwirkungen Vorteile gegenüber der 400-mg-Dosis bringe. So war in der 800-mg-Gruppe das progressionsfreie Überleben verlängert, eine Progression auf Grund einer Mutation trat im Mittel sechs Monate später auf. Ob dies allerdings mit einem Überlebensvorteil korreliere, sei noch nicht bekannt. 

Verschiedene Resistenzmechanismen seinen bei fortgeschrittenen GISTs bekannt. Neben Mutationen in bestimmten Domänen der Kinase, habe man auch eine zwei- bis vierfache c-kit-Überexpression beobachtet oder aber den Stopp der Expression, also einen kompletten Targetverlust, der von verstärkten alternativen Tyrosinkinase-Pathways begleitet wurde. Um der Reaktivierung der onkogenen Signale beziehungsweise einem Progress der Krankheit zu begegnen, sei in eine Erhöhung der Dosis auf 600 bis 800 mg pro Tag möglich.

Darüber hinaus laufen derzeit klinische Studien mit Patienten, die eine systemische Progression aufweisen und zusätzlich zu Imatinib Substanzen erhalten, die zu einem späteren Zeitpunkt in die Signalkaskade eingreifen. Dazu zähle das Rapamycinderivat RAD 001, das als mTOR-Inhibitor einen direkten Antitumor- und Antiangiogeneseeffekt zeige, sowie der Staurosporinabkömmling PKC 412, der unter anderem konventionelle PKC-Isoformen hemmt. Alternativ zu Imatinib könne bei diesen Patienten künftig auch der Wirkstoff SU 11248 eingesetzt werden, der mehrere Tyrosinkinasen, darunter auch c-kit, hemmt. 


Wissenschaftler forschen weiter

Für Menschen mit dem malignen Hirntumor Glioblastoma multiforme bietet Imatinib eine neue Behandlungsoption, sagte Dr. Gregor Dresemann aus Dülmen. Die Betroffenen haben bisher eine extrem schlechte Prognose, über die Hälfte rezidiviert innerhalb des ersten Jahres. "Das rezidivfreie Überleben nach fünf Jahren ist eine Ausnahme", stellte der Mediziner fest. Nach chirurgischer Entfernung des Tumors stehen Strahlen- und Chemotherapie, die jedoch das Überleben nur um etwa drei Monate verlängern können. 

Doch der Hirntumor ist PDGFR- und c-kit-positiv, das heißt, er exprimiert zwei Tyrosinkinasen, die Imatinib kompetetiv hemmt. Während erste Therapiestudien keinen nennenswerten Effekt zeigten, kombinierten die Mediziner in einem zweiten Schritt den Enzymhemmer mit Hydroxyurea. Auf diese Weise kann Imatinib die Blut-Hirn-Schranke besser überwinden und erzielt gute Ansprechraten, so etwa 40 Prozent bei Chemotherapie-refraktären Patienten. Die Remissionen hielten zum Teil sogar über ein Jahr an. Auch die 26 von ihm behandelten Patienten zeigen laut Dresemann zu über 30 Prozent keinen oder einen sehr langsamen Progress und geben Anlass zur Hoffnung. 

Auch in der Behandlung der akuten myeloischen Leukämie könnte Imatinib künftig eine Rolle spielen. Hier sei das Enzym c-kit zwar nicht so essenziell für die Tumorbiologie, sagte Professor Dr. Gerhard Ehninger aus Dresden. Dennoch deuten erste Studien darauf hin, dass der Tyrosinkinase-Hemmer in Kombinationstherapien als Chemosensitizer dienen könnte. Weitere Phase-II-Studien sollen dies überprüfen.

Quelle: Artikel "Imatinib bewährt sich in der Tumortherapie" in der Apotheker Zeitung 03/2004

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