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ine der wirklich spektakulären Erfolgsgeschichten in der modernen Onkologie ist die Entwicklung von Glivec, ein Arzneimittel, das den Fortschritt der CML bei einem Großteil der Patienten praktisch stoppt. Doch bei einigen Patienten zeigen sich widerstandskräftige genetische Mutationen, für deren Überwindung neue Wirkstoffe benötigt werden. Einer dieser hochpotenten Wirkstoffe, BMS-354825, befindet sich in den USA bereits in klinischer Erprobung. An der Studie teilnehmende Patienten berichten inoffiziell über hervorragende Fortschritte.


BMS-354825 überwindet 16 von 17 Mutationen, die für Glivec-Resistenzen verantwortlich sind

BMS-354825 wurde speziell dafür entworfen, bestimmte Glivec-Resistenzen zu überwinden. So berichten Forscher des Howard Hughes Medical Instituts (HHMI) an der University of California, Los Angeles (UCLA), und Mitarbeiter von Bystol-Myers-Squibb Oncology in Priceton, NJ, erstmals von der Zusammensetzung dieses Wirkstoffs. "Die Identifikation dieses Wirkstoffs als Arzneimittelkandidat ist ein direktes Nebenprodukt des genauen Verständnisses, warum Patienten überhaupt Resistenzen zu Glivec entwickeln.", so Charles L. Sawyers, HHMI-Forscher an der UCLA. In einem am 16. Juli 2004 veröffentlichten Artikel des Fachmagazins "Science" berichten Sawyers, sein Kollege Neil P. Shah und andere Kollegen, dass das von Brystol-Myers-Squibb entwickelte BMS-35428 dem verzwickten Problem der Glivec-Resistenz erfolgreich ausweicht. So sagt Sawyers, dass gerade Glivec als molekular gezielter Hemmer entwickelt wurde und nun die nächsten Generationen von Glivec-ähnlichen Wirkstoffen - wie z.B. BMS-35825 - in ihrer biologischen Struktur verfeinert und verbessert werden, um auch ein durch Mutationen verändertes molekulares Ziel zu treffen. Auf diese Weise kann das hyperaktive BCR-ABL auch bei Mutationen wirkungsvoll ausgeschaltet werden.

In den in Science herausgegebenen Untersuchungen demonstrierten Sawyers und seine Kollegen, dass BMS-354825 das Überleben von Mäusen mit CML verlängert. In Tests mit kultivierten menschlichen Knochenmarkzellen zeigten die Forscher, dass der Wirkstoff die Ausbreitung von Knochenmark-Stammzellen hemmt, die BCR-ABL-positiv und gegen Glivec resistent sind. Sawyers berichtet, dass die in-vitro-Daten zeigten, "dass dieses Arzneimittel aktiv gegen alle Mutationen außer einer [T315I] ist". Zum Zeitpunkt des Berichts in Science gab es 17 bekannte Mutationen, die die Bindung von Glivec an die kranke ABL-Kinase verhindern, und die durch intensive internationale Forschung heute besser bekannt sind. Die auch gegen BMS-35428 resistente Mutation T315I liegt nur in rund 20% aller Glivec-resistenten Patienten vor.

Sawyers weist natürlich schnell darauf hin, dass Zeit und weitere Forschung benötigt wird, um zu zeigen, ob der Wirkstoff Arzneimittel seinen Weg in die klinische Praxis finden wird. Die Vorzeichen sind gut. "Dies könnte das erste Arzneimittel sein, das um die Resistenz in der Kinase herumkommt - und das hat weite Auswirkungen", sagte Sawyers. "Wenn dieser Wirkstoff sich in der klinischen Praxis als sicher und effektiv erweisen sollte, kann man sich vorstellen, diesen bei CML in einer Kombinationstherapie mit anderen Kinase-Hemmern zu verwenden." 

Sawyers sagte, dass BMS-354825 letztlich mit Glivec und anderen Arzneimitteln kombiniert werden könnte, um die Krebstherapie zu verbessern. Ein anderer Autor des Forschungsberichts, Dr. Neil Shah, ein Onkologe an der UCLA, meint, dass zusätzliche Untersuchungem zu einer neuen Art der Behandlung von Krebs mit einem "Cocktail" von Arzneimitteln führen könnte - ähnlich der heutigen HIV-Behandlung. "Wir könnten zukünftig dazu in der Lage sein, Therapien zu kombinieren, die gemeinsam all die Resistenzmechanismen außer Kraft setzen können, die es dem Krebs heute ermöglichen, einzelne Therapien zu umgehen," so Shah. Ein Sprecher von Bristol-Myers Squibb sagte, dass das Unternehmen mit dem FDA (der amerikanischen Zulassungsbehörde) in Diskussionen über das Arzneimittel stehe, aber dass noch mehr Untersuchungen erforderlich seien, bevor die Firma bei der FDA eine Bewerbung zur Arzneimittelzulassung vorlegen konnte. 


Erste Phase-I-Studien am Menschen gestartet

Das oral einzunehmende BMS-354825 wird gegenwärtig an der UCLA und am MD Anderson Krebszentrum in Houston, Texas, in Phase I-Studien an CML-Patienten mit Glivec-Resistenz erprobt. Bisher nehmen etwa 30 Patienten an der Studie teil. 

Zugelassen zur Teilnahme sind erwachsene Patienten mit philadelphia-chromosom-positiver CML und primärer oder erworbener Resistenz gegen Glivec. Resistenz ist dabei definiert für Patienten, die nicht innerhalb von 3 Monaten bei einer Glivec-Dosis von mindestens 400mg ein hämatologisches Ansprechen erreichten oder die unter Glivec-Therapie eine hämatologische Progression (mind. 10.000 Leukozyten mit ansteigenden Werten bei mindestens zwei aufeinanderfolgenden Untersuchungen) aufzeigten. Zusätzlich können Patienten teilnehmen, die die Glivec-Therapie wegen nicht-hämatologischer Unverträglichkeiten abbrechen mussten. Grundsätzlich gilt die Studie für CML-Patienten in Chronischer Phase, aber auch zusätzlich für diejenigen, die mit Hilfe von Glivec von der Blastenkrise oder Akzelerierten Phase zurück in die Chronische Phase gebracht werden konnten.

Erste offizielle Ergebnisse der Studie werden im Dezember, vermutlich auf der Jahrestagung der Amerikanischen Gesellschaft für Hämatologie (ASH), veröffentlicht, so Dr. Neil P. Shah am Jonsson Krebszentrum der UCLA. Wenn dieser Versuch erfolgreich ist, würden größere Untersuchungen gemacht, so Sawyers. 

Das Forschungsprojekt an UCLA's Jonsson Krebszentrum wurde teilweise vom Howard Hughes Medizinischen Institut und von der Amerikanischen Leukämie- & Lymphomgesellschaft finanziert.


Web-Tagebuch eines Studienteilnehmers gibt erste Erfahrungen preis

Einer der an der Studie teilnehmenden Patienten ist Jerry Mayfield, langjähriger CML-Patient und Betreiber der Webseite newcmldrug.com, einem der Pioniere in der patientengetriebenen Information über neue Behandlungsmöglichkeiten in der CML. Jerry möchte nicht abwarten, bis Bristol-Myers Squibb die Ergebnisse der Studie veröffentlicht, und schreibt daher regelmäßig in seinem Web-Tagebuch über Gespräche mit anderen Studienteilnehmern, eigene Erfahrungen und Untersuchungsergebnisse.

"Die Phase-I-Studie mit BMS-354825 schreitet jetzt in einem schnellen Tempo fort, und ich erwarte, dass eine Phase-II-Studie bald beginnen wird... aber ich weiß das nicht sicher, so dass meine Aussage nur eine eine Art gebildete Annahme darstellt" - so ein aktueller Eintrag im Web-Tagebuch von Jerry Mayfield, einem 56-jährigen ehemaligen Polizisten aus Louisiana, der an CML erkrankt ist. Letzten November, nachdem sich Mayfield gegen Glivec resistent zeigte, begab er sich in eine frühe Phase-I-Studie mit BMS-354825. Innerhalb von drei Monaten kehrten seine Leukozyten in den Normbereich zurück, ein erstes Zeichen, dass die experimentelle Therapie funktionierte. "Ich bin völlig resistent gegen Glivec, und nur 30mg des Medikaments brachten mich in die hämatologische Remission.", so Mayfield. "Dies ist die beste Therapie, die ich seit Jahren hatte. Meine Werte kommen nun in einen Bereich, wo sie sein sollten. Wenn sie für drei Monate auf diesem Niveau bleiben, bekomme ich vielleicht eine zytogenetische Antwort."

Mit der ständigen Aktualisierung seines Web-Tagebuchs "Jerry's Diary" unterlief Mayfield jedoch die klinische Praxis, Ergebnisse von Studien so lange unter Verschluß zu halten, bis die Fakten sorgfältig nach wissenschaftlichen Methoden ausgewertet und termingerecht zu einer Fachveranstaltung publikationsfähig aufbereitet wurden, um sich nicht der Gefahr von juristischen Auseinandersetzungen auszusetzen. Mayfield jedoch hat keine Geheimhaltungsvereinbarung unterzeichnet und fühlt sich daher als Patient an diese Vorgehensweise nicht gebunden. Im vergangenen Monat stellte er die Wirkungen des Arzneimittels auf einen Patienten in Endstadium - der Blastenkrise, die innerhalb von Monaten meist tödlich verläuft - in seinem Tagebuch dar: "Ich weiß, dass dies an den Haaren herbeigezogen klingen wird, aber ich schwöre, dass es wahr ist, ... In der ersten zwei Tagen mit dem Arzneimittel stürzten seine Leukozyten von 119.000 auf 6.300 ab." Am 1. Juni schrieb er begeistert, "Manchmal kann ich nachts nicht schlafen, da ich über all die aufregenden Ergebnisse nachdenken muss, die wir haben. Ich weiß, dass einige dieser [medizinischen] Reaktionen nur kurzzeitig sein könnten... An dieser Stelle es ist es jedoch offensichtlich, dass BMS-354825 Jedermanns Erwartungen übersteigt". 

Moshe Talpaz, Mayfields Onkologe, sorgt sich in einem Forbes-Bericht um das Potential der Fehlinformation, die Krebspatienten davon überzeugen könnte, voreilig in eine Studie zu hasten. Aber der Bio-Ethiker der Universität von Pennsylvania, Arthur Caplan, befürwortet solche Veröffentlichungen, weil sie Studienteilnehmern einen Eindruck davon geben, worauf sie sich einlassen: "die Hochs und Tiefs, die Kosten und die Ärgernisse". Bristol-Myers Squibb habe "kein Problem" mit Mayfields Tagebuch, solange es keine proprietären Informationen preisgibt. Der bei Brystol-Myers Squibb für die Krebsstudien Verantwortliche Renzo Canette spricht jedoch einige Bedenken aus: "Einen Tag sind Sie der Große und der Erretter, und am nächsten Tag sind Sie ein schrecklicher Typ." Mayfield hat das Web-Tagebuch verwendet, um Einfluss auf Bristol-Myers zu nehmen, um Patienten zu erlauben, die Häufigkeit von Untersuchungen zu reduzieren, so dass sie mehr Zeit zu Hause verbringen können. Er selbst hat mittlerweile Schulden von $14.000, da er eine Wohnstätte nahe dem M.D. Anderson Krebszentrum in Houston als auch seinen Hauptwohnsitz in Monroe, Louisiana, unterhalten muß.


Autor/Recherche: jan am 18.07.2004

Quellen:

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