Vom 4.-7. Dezember 2004 findet mit der Jahrestagung der Amerikanischen Gesellschaft für Hämatologie (ASH) in San Diego die weltweit bedeutendste Veranstaltung im Bereich der Leukämieforschung statt. Üblicherweise werden dort jedes Jahr die neuesten Erkenntnisse zu Therapien, Studien und neuen Wirkstoffen vorgestellt. Die Zusammenfassungen der Veröffentlichungen sind bereits jetzt im Internet verfügbar, darunter auch einige zum neuen Wirkstoff BMS-354825, der in Hinsicht auf die CML-Therapie weitere Forschritte verspricht.

Im folgenden sind (leider noch sehr medizinische) Zusammenfassungen einiger Abstracts der ASH-Publikationen zu BMS-354825 aufgeführt.


Doppelter Kinase-Inhibitor BMS-354825 (Abstract Nr. 553)

BMS-354825 ist ein dualer SRC/ABL-Tyrosinkinasehemmer. Die kristalline Struktur von BMS-354825 bindet in der ATP-Bindungsstelle genauso wie Imatinib. Der BMS-Wirkstoff scheint jedoch sowohl an die aktiven als auch inaktiven Formen von BCR-ABL zu binden, während Imatinib nur an die inaktiven Formen bindet. Die gesteigerte Bindungsneigung von BMS-354825 gegenüber Imatinib wird vermutlich teilweise durch die Fähigkeit, verschiedene Zustände des Enzyms zu erkennen, verursacht.


Relative Effienz auf BCR-ABL-positive CML-Zellen und Abl-Mutationen (Abstract Nr. 1988)

BMS-354825 scheint in vitro eine 100fach größere Potenz in der Hemmung von BCR-ABL als Imatinib aufzuweisen. In Vitro und in Vivo hat BMS-354825 bei 14 von 15 gegen Imatinib-resistente Mutationen von BCR-ABL präklinische Aktivität gezeigt (Shah et al, Science, 305:399, 2004).


Der Abl-unabhängige Mechanismus von BMS-354825 (Abstracts Nr. 1989, 4480)

Eine Schlüsselfrage ist, ob BMS-354825 die Fähigkeit dazu hat, das Wachstum von CML-Zellen auf einem anderen Weg als den von Imatinib, der Bindung an ATP in BCR-ABL zu unterbinden, hat. Die genannten Studien gingen der Frage nach, ob die Fähigkeit von BMS-354825, SRC-Kinasen zu hemmen, die Proliferation von CML-Zellen aufhalten könnte.

MV4-11-Zell-Linien sind menschliche myeloische Zell-Linien, die keine Expression von Abl aufzeigen, aber deutliche SRC-Kinase-Aktivität zeigen. Sie werden als Erkennungsmuster in akuter myeloischer Leukämie (AML) verwendet. BMS-354825 wurde mit einem bekanntem SRC-Kinasehemmer, PP1, verglichen, das eine Inhibition in diesen Zellen verursacht. In MV4-11-Zellen verursachten BMS-354825 und PP1 eine ähnliche SRC-bedingte Wachstumshemmung.

In einer anderen Untersuchung wurden klinische Proben von Imatinib-resistenten CML-Patienten (mit und ohne BCR-ABL-Kinasemutationen) mit Imatinib oder BMS-354825 behandelt und für Änderungen in der Aktivierung von Lyn und Hck (beides sind SRC-Kinasen) analysiert. Bei CML-Zellen, die sowohl BCR-ABL- als auch Lyn-Kinase-Aktivierungen aufzeigten, konnte Imatinib das BCR-ABL-Enzym nicht erfolgreich hemmen. Der BMS-Wirkstoff war beim Hemmen des BCR-ABL-Enzyms in diesen Zellen erfolgreich, wodurch vermutet werden kann, dass die Lyn-Aktivierung eine direkte Rolle in der Imatinib-Resistenzbildung spielt.

Die zwei Untersuchungen lassen vermuten, dass die SRC-Kinase-Aktivierung eine Rolle bei der Resistenzbildung von CML-Zellen gegen Imatinib spielt und dass der BMS-354825-Wirkstoff diese durch Hemmen der SRC-Kinase überwinden könnte.


Ergebnisse einer Phase-I-Studie mit BMS-354825 für Imatinib-resistente Patienten in chronischer Phase (Abstract Nr. 1)

In die Phase-I-Studie mit BMS-354825 wurden 29 Patienten mit Ph-positiver CML in chronischer Phase mit hämatologischer Progression oder Unverträglichkeit unter Therapie mit Imatinib eingeschlossen. 9 Kohorten mit täglichen Dosen zwischen 15mg bis 180mg von BMS-354825 wurden 5-7 Tage pro Woche bis zu 9 Monate gegeben. BMS-354825 wurde insgesamt gut toleriert, mit nur einem Fall von Grad-4-Thrombozytopenie als einziger wirkstoffbedingter Nebenwirkung.

Insgesamt 26 Patienten wurden wie folgt beurteilt: 22 mit Imatinib-Resistenz, 4 mit Imatinib-Intoleranz; Durchschnittliche CML-Erkrankungsdauer 6,1 Jahre; 22 Patienten hatten feststellbare BCR-ABL-Kinase-Domain-Mutationen vor dem Beginn der BMS-354825-Therapie. Mit Stand vom 6. August 2004 wurden diese Patienten mit Dosen von 35mg/Tag behandelt und für mindestens 4 Wochen beobachtet. Komplette hämatologische Remissionen erreichten 73% (19 Patienten). Von 21 Patienten, die länger als drei Monate behandelt wurden, erreichten 11 ein zytogenetisches Ansprechen, davon einer mit kompletter zytogenetischer Remission, 6 mit weitgehender zytogenetischer Remission (1-35% Ph+), 1 geringfügiges Ansprechen (36-65% Ph+) und 4 erreichten minimales zytogenetisches Ansprechen (66-95 % Ph+).

Von den 7 Patienten, die keine komplette hämatologische Remission erreichten, erfolgte bei zwei eine Progression der Krankheit, wovon einer eine T315I-Mutation in BCR-ABL aufwies. (Eine präklinische Studie wies bereits auf eine Unwirksamkeit von BMS-354825 bei Vorhandensein von T315I hin). Die anderen fünf Patienten ohne komplette hämatologische Antwort wurden mit höheren Dosen von BMS-354825 behandelt, um den Versuch eines Erreiches einer Komplettremission zu unternehmen. Die Dosiserhöhung wird gegenwärtig fortgeführt, und Phase-II-Studien für chronische und akzelerierte Phase sowie Blastenkrise werden gegenwärtig vorbereitet. 

Die Daten dieser Studie liefern den zwingenden Nachweis, die die Sicherheit und Wirksamkeit bei Einsatz von BMS-354825 bei Imatinib-resistenter CML in chronischer Phase unterstützen.


Ergebnisse der Phase-I-Studie mit BMS-354825 für Imatinib-resistente Patienten in akzelerierter Phase und Blastenkrise (Abstract Nr. 20)

Die Ergebnisse der Phase-I-Studie mit BMS-354825 mit Patienten mit Ph-positiver CML in akzelerierter Phase (AP) und Blastenkrise (BP), die eine hämatologische Progression oder Intoleranz unter Imatinib-Therapie hatten. Mit Stand vom 6. August 200 wurden 17 Patienten (6 mit AP; 11 mit BP) in 3 Kohorten mit Dosen zwischen 35mg und 70mg BMS-354825 behandelt

Von den 11 BP-Patienten erreichten 7 eine hämatologische Antwort.: 3 komplette hämatologische Antworten (CHR), 2 "ohne Nachweis der Leukämie" (NEL), und 2 "Rückkehr zur chronischen Phase" (RTC). Zytogenetische Daten sind für 8 der 11 BP-Patienten verfügbar. Vier Patienten hatten ein größeres zytogenetisches Ansprechen, 2 Patienten hatten eine geringfügige zytogenetische Antwort, und 2 Patienten zeigten kein Ansprechen. Bei zwei Patienten war ein leichtes Tumorlyse-Syndrom nachweisbar. Drei von 6 AP-Patienten erreichten ein hämatologisches Ansprechen: 2 CHRs und 1 NEL. Zwei Patienten sind zum Zeitpunkt der Einreichung des Abstracts noch nicht zu beurteilen. Ein Patient wies eine BMS-354825-Resistenz aufgrund einer T315I-Mutation in 8 von 10 Klonen auf. Diese Mutation zeigte Resistenz gegenüber BMS-354825 in präklinischen Untersuchungen. Ein BCR-ABL-Mutationsstatus ist für 3 zusätzliche AP-Patienten verfügbar: Bei 2 Patienten ließen sich keine Mutationen identifizieren, und 1 Patient in CHR hatte M351T/A Imatinib-resistente Mutationen. Von 3 Patienten, von denen frühe zytogenetische Daten verfügbar sind, hatte einer eine geringfügige zytogenetische Antwort (40% Ph+). BMS-354825 wurde bis dato sehr gut vertragen. 


BMS-354825 und PCR-Trends im Vergleich mit Imatinib (Abstract Nr. 1008)

Bereits früher wurde gezeigt, dass unter Imatinib-Therapie die Quantitative PCR (Q-PCR) mit einer zytogenetischen Antwort korreliert, wobei eine Reduktion der BCR-ABL-Transkripte um eine Logstufe mit dem Erreichen einer größeren zytogenetischen Antwort (MCR) entsprachen, und eine Reduktion um zwei Logstufen einem kompletten zytogenetischen Ansprechen (Branford et al, Leukemia 17:2401, 2003).

Von 13 untersuchten Imatinib-resistenten/unverträglichen Patienten in chonischer Phase, die mit BMS-354825 an der UCLA behandelt wurden, erreichten vier eine MCR, und dies entsprach nach Q-PCR einer Reduktion der BCR-ABL-Transkripte um ein bis zwei Logstufen. Insgesamt betrug die durchschnittliche Reduktion der BCR-ABL-Transkripte nach vier Wochen der Behandlung 32%, eine hohe signifikante Abnahme. Von den neun Patienten, die keine MCR erreichten, hat keiner eine Ein-Log-Reduktion erreicht. Ähnlich wie bei Imatinib ist eine unter BMS-354825 erreichte MCR in CML in chronischer Phase mit einer Ein- bis Zwei-Log-Reduktion der BCR-ABL-Transkripte verbunden.


Resistenzen unter BMS-354825 (Abstract Nr. 552)

In diesem Test sollte herausgefunden werden, ob es BMS-354825-resistente Zellklone gibt. Die Untersuchung zeigte, dass es vier mögliche Stellen für Punktmutationen bei BMS-354825 gibt, während bei Imatinib 20 existieren. Mutationen an den Stellen L248, T315 und F317 lösten Resistenz gegen BMS-354825 aus und wurden bereits bei Imatinibresistenz identifiziert. Eine Mutation bei V299 stellt eine neuartige Resistenzart dar. Interessanterweise ist die Mutation F317V resistent gegen BMS-354825, wird aber durch Imatinib erreicht, wodurch möglicherweise eine Kombination von Imatinib und BMS nützlich sein kann, um die Bildung von Resistenzen zu verhindern.

Quelle:
ASH-Abstracts auf abstracts2view.com (englisch, kostenlose Registrierung erforderlich)

Hinweis: Übersetzung und Zusammenfassung durch Jan, ohne Gewähr auf sachliche Richtigkeit.

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