Mehr als drei Viertel aller CML-Patienten erreichen unter Glivec ein komplettes zytogenetisches Ansprechen - ein einstelliger Prozentsatz sogar eine komplette molekulare Remission, bei der selbst mit sensitivsten PCR-Methoden keine Resterkrankung mehr nachgewiesen werden kann. Bei genau diesen Patienten ist bisher unklar, ob die Therapie zur Remissionserhaltung fortgesetzt werden sollte oder Glivec ohne das Risiko eines Rückfalls abgesetzt werden könnte. Auf ASH 2005 werden wieder Studienerfahrungen und Einzelfallberichte zu diesem Thema vorgestellt.

Abstract Nr. 1101: Absetzen von Imatinib bei CML-Patienten in kompletter molekularer Remission

Philippe Rousselot und andere, Paris/Toulouse/Versailles, Frankreich

Weniger als 10% der Patienten mit ph-positiver CML erreichen eine komplette molekulare Antwort, die hier definiert ist durch fehlende Nachweisbarkeit von BCR-ABL per PCR-Methode. Die vorliegende Studie betrachtet acht Patienten, die unter 400mg Imatinib über mindestens zwei Jahre Dauer eine PCR-negative molekulare Remission aufwiesen. Eine quantitative Real-Time-PCR wurde dabei alle 4 Monate von zwei unabhängigen Labors durchgeführt. Sieben der acht Patienten waren vor Imatinib-Therapie mit Interferon vorbehandelt. Von den acht Patienten wurden vier mit Niedrigrisiko, drei mit mittlerem Risiko und einer mit Hochrisiko nach Sokal-Score eingestuft. Einer hatte nach Interferon-Versagen eine autologe Transplantation erhalten und einen Rückfall erlitten. 

Nach Absetzen von Imatinib war nach vier Monaten bei vier Patienten wieder BCR-ABL per PCR nachweisbar. Nachdem diese Patienten wieder mit Imatinib begannen, erreichten zwei wieder komplette PCR-Negativität, und die anderen hielten eine gute molekulare Remission. Die vier anderen Patienten behielten auch 8-13 Monate nach Absetzen des Medikaments die komplette molekulare Remission bei. Alle diese vier Patienten waren mit Interferon vorbehandelt, und bei einem waren immer noch Interferon-typische Antikörper im Serum nachweisbar. 

Schlussfolgerung der Studienärzte: Ein früh erkannter molekularer Rückfall bei Absetzen von Imatinib reagiert nach Wiederaufnahme der Therapie wieder auf Imatinib. Da die vier Patienten dieser Studie, die trotz Therapiestopp eine dauerhafte molekulare Komplettremission hielten, mit Interferon vorbehandelt wurden, könnte es sein, dass Imatinib in der Kombination mit immunmodulierenden Wirkstoffen zu einer mutmasslichen Heilung der Krankheit verantwortlich sein könnte.


ASH Education Book / Dr. Deininger: Auswirkungen der Unterbrechung der Imatinib-Therapie

Dr. Michael W.N. Deininger, Oregon Health & Science University, Portland, Oregon, USA

Dr. Deininger hat in seiner ASH-Begleitdokumentation weitere Hinweise zur Erfahrung der Unterbrechung der Imatinib-Therapie gegeben. Er bestätigt, dass es bisher nur wenige Daten zu Patienten in Vollremission, die die Imatinib-Therapie unterbrachen, gibt. Er berichtet hierbei von einer Studie mit 6 Patienten in kompletter zytogenetischer und kompletter molekularer Remission, von denen 5 einen zytogenetischen Rückfall nach Unterbrechung erlebten. Drei davon nahmen die Therapie wieder auf und sprachen wieder darauf auch wieder an. 

Weiterhin berichtet er von einer Studie mit 23 Patienten in kompletter zytogenetischer Remission, 12 davon mit vorheriger allogenen Transplantation. Alle ausser drei Patienten, die zu den früher transplantierten Patienten zählten, erfuhren nach dem Absetzen einen Rückfall der Krankheit.

Dr. Deininger schliesst aus den Erfahrungen, dass selbst bei PCR-Negativität unter Imatinib eine Unterbrechung der Therapie bei der Mehrheit der Patienten zu einem unmittelbaren Rückfall führt. Die hohe Rate unmittelbarer Rückfälle unter Imatinib im Vergleich zu Interferon könne daran liegen, dass anhaltende Remissionen nach Absetzen einer erfolgreichen Interferon-Therapie durch die Interferon-typische Aktivierung von T-Immunzellen bedingt seien.


Kommentar von Jan:

Auch in internationalen Patientenforen wurde von mehreren Patienten berichtet, die in kompletter molekularer Remission (unter Glivec in Monotherapie) ihre Therapie unterbrachen. Bei nahezu allen wurde nach kurzer Zeit wieder BCR-ABL nachgewiesen. Man muss mit der Interpretation der Daten auch sehr vorsichtig sein, da es keine einheitlichen Standards für PCR gibt und viele aus den USA berichteten "PCR-negativen" Befunde z.B. nach Untersuchung im Mannheimer Labor wieder revidiert wurden. Man geht daher heute auch bei "kompletter molekularer Remission" nur von der Unterschreitung der Messgrenze, nicht aber von einer Heilung aus. Es bleibt aber interessant zu beobachten, ob nach Erreichen einer Komplettremission mit Glivec ein mit Interferon gegen die CML aktiviertes Immunsystem die Resterkrankung dann dauerhaft in Schach halten kann, wie das französische Forscherteam und auch Dr. Deininger vermutet.


Weiterführender Artikel / Früherer Bericht:

Absetzen von Glivec bei molekularer Remission ist risikobehaftet, Leukämie-Online vom 21.03.2004.

-- Übersetzung und Zusammenfassung durch Jan, ohne Gewähr auf Richtigkeit oder Vollständigkeit.

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