Das Krebsmedikament
Imatinib (
Glivec), das zur Behandlung der
chronisch myeloischen Leukämie (CML) und gastrointestinaler Stroma-Tumoren (GIST) eingesetzt wird, schädigt möglicherweise den Knochenstoffwechsel. US-Onkologen entdeckten in einer
retrospektiven Studie bei jedem zweiten Patienten eine Hypophosphatämie (New England Journal of Medicine 2006; 354: 2006-2013). Auch bei Patienten ohne Hypophosphatämie fanden sie Hinweise auf Störungen im Knochenstoffwechsel.
Die europäische Zulassungsbehörde hatte
Imatinib im November 2000 nach nur dreimonatiger Prüfung zur Behandlung der CML zugelassen. Der
Tyrosinkinase-Inhibitor gilt als „maßgeschneidertes“ Therapeutikum, da er selektiv jene Leukozyten angreift, die durch Bildung des Philadelphia-
Chromosoms zu Tumorzellen mutiert sind. Inzwischen ist das Medikament auch zur Behandlung von GIST zugelassen, und in Studien wird seine Wirkung beim Nierenzellkarzinom und anderen Malignomen untersucht.
Imatinib gilt als gut verträglich.
Das Auftreten einer Hypophosphatämie wird in der Fachinformation nur als gelegentliche Störung (Häufigkeit 1:100 bis 1:1000) angegeben. Eine Bestimmung der Phosphatspiegel gehört deshalb nicht zu den Routineuntersuchungen. Eher zufällig stießen Ellin Berman vom Memorial Sloan Kettering Cancer Center in New York und Mitarbeiter im Rahmen einer Studie auf Störungen des Phosphatstoffwechsels, die möglicherweise nicht gerade selten sind. Die
retrospektive Auswertung der Krankenakten zeigte, dass 25 von 49 Patienten – bei ihnen waren die Phosphatwerte bestimmt worden – eine Hypophosphatämie (Phosphatspiegel unter 2,5 mg/dl) aufwiesen. Das entspricht mehr als der Hälfte der Patienten und nicht weniger als einem Prozent, wie die Fachinformation angibt. Eine Klärung dieser auffälligen Diskrepanz steht noch aus. Die hohe Rate in der US-Studie muss aber nicht repräsentativ sein, da sie das Ergebnis einer
retrospektiven Untersuchung ist, bei der ein gewisser Selektions-Bias nicht auszuschließen ist.
Die Hypophosphatämie trat Berman zufolge überwiegend bei jüngeren Patienten auf, die eine höhere Dosis
Imatinib erhalten hatten. Die nähere Untersuchung ergab, dass außerdem die Parathormon-Spiegel erhöht und die Kalziumspiegel leicht abgefallen waren. Dies alles zusammen könnte langfristig zu einem Knochenabbau (Osteomalazie, Rachitis) führen. Dem könnte durch die Substitution mit Phosphat vorgebeugt werden, vorausgesetzt die Störung wird rechtzeitig erkannt. Eine Substitution wäre sicher indiziert, denn die Langzeitprognose unter
Imatinib ist, soweit dies 5 Jahre nach der Einführung in den USA (Mai 2001) absehbar ist, gut. Die 5-Jahres-Überlebensraten bei CML und GIST werden mit 90 Prozent angegeben.
Die weiteren Analysen ergaben, dass möglicherweise auch bei Patienten mit normalen Phosphatspiegeln eine Störung des Knochenstoffwechsels vorliegt. Die Ausscheidung von Phosphat im Urin war erhöht, und die Konzentration von Osteocalcin und des so genannten N-telopeptide of collagen cross-links waren zum Teil deutlich abgefallen. Erklären lässt sich die Störung durch den vielleicht doch nicht so „maßgeschneiderten“ Wirkungsmechanismus von
Imatinib. Laut Berman hemmt das Medikament nicht nur die zum Krebswachstum führende
Tyrosinkinase, sondern auch den so genannten platelet-derived growth factor (PDGF), der eine zentrale Rolle im Knochenstoffwechsel spielt. Sollten sich die Ergebnisse in einer größeren Gruppe bestätigen, dürften die Bestimmung des Phosphatspiegels und möglicherweise noch weiterer Parameter bald zur Routine bei den mit
Imatinib behandelten Patienten gehören.
Quelle: Deutsches Ärzteblatt vom 12.05.2006 Philadelphia-Chromosom
Charakteristisches Merkmal der chronisch myeloischen Leukämie. Die Chromosomenmutation entsteht durch Transfer des Hauptteils des langen Arms von Chromosom 9 nach Chromosom 22 (= Translokation).
Tyrosinkinase
Enzym, das das Wachstum von Leukämiezellen anregt und therapeutisch durch Tyrosinkinase-Hemmer (Tyrosinkinase-Inhibitoren) gehemmt werden kann.
retrospektiv
Studie aus der Hauptgruppe der Beobachtungsstudien und der dortigen Untergruppe der Längsschnittstudien. Hier wird eine Studie dann als retrospektiv bezeichnet, wenn die Datenerhebung schon vor Beginn der Studie stattgefunden hat.
chronisch
langanhaltend, sich langsam entwickelnd
myeloisch
das Knochenmark betreffend. Im engeren Sinne die Bildung von bestimmten weißen Blutzellen, den Granulozyten, im Knochenmark betreffend
Prognose
Wahrscheinliche zukünftige Entwicklung einer Erkrankung auf Basis der bestehenden Befunde
Imatinib
Imatinib, Handelsname Glivec/Gleevec, Laborname STI-571, ein BCR-ABL-Tyrosinkinasehemmer der ersten Generation. Zugelassen seit Jahr 2002 für die Behandlung der CML und Ph-positiven ALL.
Glivec
Imatinib wird unter dem Handelsnahmen Glivec (Hersteller Novartis) vertrieben.
Onko
Bestandteil der Begriffe Onkologie (Wissenschaft und Lehre von den Krebserkrankungen)
Gen
Informationseinheit des Erbgutes, enthält meist den Bauplan für ein Protein. Die Gene liegen im Zellkern in Form von DNS vor.
RNA
Die Ribonukleinsäure (RNA) ist der kleine Bruder der DNA . Sie ist ein einzelsträngiges kettenförmiges Molekül, das aus DNA umgeschriebene Erbinformation eines einzigen Genes enthält, und im Plasma der Zellen in das Genprodukt (= Eiweißmolekül, Protein) umgeschrieben wird (Biosynthese).
CHR
Komplette hämatologische Remission (complete haematologic response).
ELN
Das Europäische Leukämie Netz ist eine von der EU finanzierte Organisation bestehend aus Medizinern, Wissenschaftlern und Patienten aus dem Leukämie-Bereich, das zum Ziel hat, die Behandlung von Leukämie-Erkrankungen zu verbessern, Wissen zu generieren und dieses Wissen in Europa zu verbreiten.
retrospektiv
Studie aus der Hauptgruppe der Beobachtungsstudien und der dortigen Untergruppe der Längsschnittstudien. Hier wird eine Studie dann als retrospektiv bezeichnet, wenn die Datenerhebung schon vor Beginn der Studie stattgefunden hat.
retrospektiv
Studie aus der Hauptgruppe der Beobachtungsstudien und der dortigen Untergruppe der Längsschnittstudien. Hier wird eine Studie dann als retrospektiv bezeichnet, wenn die Datenerhebung schon vor Beginn der Studie stattgefunden hat.
Chromosomen
Träger des Erbguts im Zellkern. Sie enthalten die riesigen Kettenmoleküle der DNA kompakt verdrillt und gefaltet als Aggregate mit speziellen Proteinen. Die Chromosomen dienen unter anderem bei der Zellteilung der gleichen Verteilung des Erbguts auf die Tochterzellen. Die normalen menschlichen Körperzellen haben 46 Chromosomen. Bei Krebszellen kann die Zahl und/oder Struktur der Chromosomen verändert sein.
Chromosomen
Träger des Erbguts im Zellkern. Sie enthalten die riesigen Kettenmoleküle der DNA kompakt verdrillt und gefaltet als Aggregate mit speziellen Proteinen. Die Chromosomen dienen unter anderem bei der Zellteilung der gleichen Verteilung des Erbguts auf die Tochterzellen. Die normalen menschlichen Körperzellen haben 46 Chromosomen. Bei Krebszellen kann die Zahl und/oder Struktur der Chromosomen verändert sein.
myeloisch
das Knochenmark betreffend. Im engeren Sinne die Bildung von bestimmten weißen Blutzellen, den Granulozyten, im Knochenmark betreffend
myeloisch
das Knochenmark betreffend. Im engeren Sinne die Bildung von bestimmten weißen Blutzellen, den Granulozyten, im Knochenmark betreffend
Onko
Bestandteil der Begriffe Onkologie (Wissenschaft und Lehre von den Krebserkrankungen)
TKI
Tyrosinkinaseinhibitor / Tyrosinkinasehemmer sind neuartige Medikamenten-Wirkstoffe, die bisher vor allem bei Tumorerkrankungen zum Einsatz kommen. Tyrosinkinasen spielen eine Schlüsselrolle bei der Entstehung von Tumorerkrankungen, da sie daueraktiviert zu einer ungebremsten Zellteilung und damit zu einem unkontrollierten Tumorwachstum führen. Die neuartigen Hemmstoffe blockieren diesen Mechanismus.
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