Für etwa zwei Drittel der rund 30.000 bekannten Krankheiten stehen bisher keine oder nur unzureichende Therapien zur Verfügung. Bosutinib, Bapineuzumab und ein 13-valenter Pneumokokken-Konjugatimpfstoff sind Beispiele für aussichtsreiche Kandidaten, die therapeutische Lücken schließen könnten. Bosutinib (Laborbezeichnung SKI-606) ist beispielsweise ein aussichtsreicher Kandidat zur Behandlung von CML-Patienten. Das Medikament wird zur Zeit in einer randomisierten Phase-III-Studie (Bosutinib 500 mg versus Imatinib 400 bis 600 mg) geprüft. 

Die drei genannten Substanzen sollen nicht nur bei unterschiedlichen Indikationsgebieten zum Einsatz kommen, sie sind auch Beispiele verschiedener Forschungsansätze, denen Wissenschaftler nachgehen: Impfung, Biologicals und aus dem Bereich der klassischen Arzneimittel sogenannte "small molecules«"

Bosutinib/SKI-606: Neuer Kinasehemmer gegen Krebs


Zu Letzteren zählt der bei chronisch myeloischer Leukämie (CML) wirksame Tyrosinkinase-Inhibitor Bosutinib. Die Substanz ist ein aussichtsreicher Kandidat zur Behandlung von CML-Patienten, die gegen bisher eingesetzte Standardtherapeutika wie Imatinib Resistenzen entwickelt haben oder unter nicht tolerierbaren Nebenwirkungen leiden, so Privatdozent Dr. Philipp le Coutre von der Universitätsklinik Charité in Berlin auf einer Pressekonferenz von Wyeth Pharma vergangene Woche in Berlin.

CML ist die zweithäufigste Form der chronischen Leukämien. Bei der Erkrankung kommt es zur krankhaften Vermehrung der Leukozyten. Zweites Kennzeichen ist le Coutre zufolge die pathologische Linksverschiebung. Das heißt, auch viele frühe, unreife Granulozytenvorstufen sind im Blut nachweisbar. Charakteristisch ist bei den meisten CML-Patienten das sogenannte Philadelphia-Chromosom  ein Erbgutaustausch mit fatalen Folgen. Das Gen, das für die Tyrosinkinase Abl codiert, wird dabei mit dem Bcr-Gen fusioniert. Dadurch steigt die Aktivität der Kinase deutlich an, was zu einer gesteigerten Proliferationsrate und zur Apoptose-Hemmung führt. Tyrosinkinase-Inhibitoren wie Imatinib, Dasatinib oder Bosutinib blockieren die Abl-Kinase und verhindern so die unkontrollierte Vermehrung der entarteten Zelllinien. Möglich wird das, indem die Substanzen ATP aus dessen Bindungstasche verdrängen, wodurch Phosphorylierungen gehemmt werden.

Ein Problem in der Anwendung von Imatinib ist die mögliche Resistenzbildung. Die Ursache dafür liegt in Punktmutationen in der ATP- beziehungsweise Imatinib-Bindungsstelle. "Konformationsänderungen der Bindungsstellen führen dann dazu, dass Imatinib nicht mehr adäquat binden kann", erklärte le Coutre. Anders sei es bei Kinasehemmern der zweiten Generation wie Bosutinib, die weiterhin binden könnten. Derzeit befindet sich Bosutinib in Phase III der klinischen Entwicklung. Phase-II-Studien hatten bereits eine gute Wirksamkeit und Verträglichkeit bei CML-Patienten gezeigt, die zuvor mit anderen Tyrosinkinase-Inhibitoren behandelt wurden. Im Falle der Zulassung der Substanz käme damit eine Therapieoption für CML-Patienten auf den Markt, die unter Imatinib-Resistenz oder -Intoleranz leiden. Zudem bietet es sich le Coutre zufolge an, Bosutinib für die Firstline-Therapie zu testen. Das findet derzeit in einer randomisierten Phase-III-Studie (Bosutinib 500 mg versus Imatinib 400 bis 600 mg) statt.

Quelle: Pharmazeutische Zeitung online vom 28.10.2008l

Erläuterung von Jan: Bosutinib (SKI-606) wurde als Hemmer von SRC-Kinasen entwickelt, hemmt aber auch BCR-ABL. Anders als Dasatinib hemmt es aber nicht KIT und PDGFR. In Laborstudien hat es Aktivität gegen alle bekannten Imatinib-Resistenzen außer T315I gezeigt. In einer klinischen Studie gab es erste Beobachtungen von Wirksamkeit bei gut verträglichen Dosen.

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