Der Immunbotenstoff
Interferon-Alpha erweckt schlafende Blutstammzellen im
Knochenmark zur Aktivität und macht sie dadurch für die Wirkung vieler Medikamente angreifbar. Dies veröffentlichten Wissenschaftler aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum gemeinsam mit Kollegen aus Lausanne in der Zeitschrift Nature. Auch Tumorstammzellen, so vermuten die Forscher, lassen sich so zur Teilung anregen und damit für die Behandlung mit Krebsmedikamenten sensibilisieren.
Nach Verletzungen mit Blutverlust muss der Körper das lebensnotwendige Blutvolumen schnell wiederherstellen. Dafür sorgt eine bestimmte Gruppe von
Stammzellen im
Knochenmark. Diese Blutstammzellen verbringen ihr gesamtes Leben in einer Art Schlafzustand, aus dem sie erst durch Verletzung und Blutverlust zur Aktivität geweckt werden. Unverzüglich beginnen sie, sich zu teilen, bis der Verlust an Blutzellen wieder ausgeglichen ist. Dies zeigten kürzlich Wissenschaftler um Professor Andreas Trumpp aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum.
Der Dauerschlaf ist ein wichtiger Schutzmechanismus der
Stammzellen: Erstens bewahren sie so ihr Erbgut vor Genveränderungen, die sich vor allem während einer Zellteilung ereignen. Darüber hinaus entgehen sie im Schlaf auch der Attacke vieler Zellgifte, die nur auf sich teilende Zellen wirken.
Bislang war unbekannt, welche Signalmoleküle die
Stammzellen tatsächlich aus ihrem Schlummer wecken. Andreas Trumpp und Marieke Essers aus seinem Team veröffentlichten nun in der Zeitschrift Nature, dass
Interferon alpha, ein Botenstoff des Immunsystems, wie ein Wecker auf Blutstammzellen wirkt. Die Wissenschaftler zeigten damit zum ersten Mal, dass
Interferon alpha die Funktion von
Stammzellen direkt beeinflussen kann.
Interferon alpha wird von Immunzellen ausgeschüttet, wenn der Organismus von Bakterien oder Viren bedroht wird. Die Wissenschaftler lösten die Interferonproduktion in Mäusen aus, indem sie ihnen eine Substanz verabreichten, die den Tieren eine Virusinfektion vorgaukelt. Daraufhin kam es zu einem starken Anstieg der Teilungsrate der Blutstammzellen. In Kontrolltieren dagegen, die das Interferonsignal nicht verarbeiten können, führte die Substanz nicht zum Aufwachen der
Stammzellen.
Einen weiteren Beweis für die Wirkung des Interfon alpha erzielten die Forscher mit dem Medikament 5-Fluorouracil, einem Zellgift, das häufig bei Brust- und Darmkrebs eingesetzt wird: Schlafende
Stammzellen sind
resistent gegen das Medikament, das seine Wirkung nur während der Teilung entfaltet. Erhalten die Tiere jedoch vor der 5-Fluorouracil-Behandlung
Interferon alpha, so versterben sie nach kurzer Zeit an Blutarmut. Der Grund dafür: Durch die
Interferon-Vorbehandlung wurden die ruhenden
Stammzellen in die Zellteilung gezwungen und damit für die 5-FU-Wirkung sensibilisiert und abgetötet. Daher stehen nach kurzer Zeit keine
Stammzellen mehr zur Verfügung, die Nachschub an kurzlebigen reifen Blutzellen wie
Erythrozyten und Blutplättchen liefern.
Die Forscher begeistert an diesem Ergebnis besonders die Aussicht, dass der neu entdeckte Wirkmechanismus möglicherweise die Krebsbehandlung verbessern kann: "Eventuell können wir mit
Interferon alpha nicht nur Blutstammzellen, sondern ebenso Tumorstammzellen aus dem Schlafzustand wecken und damit ihre oft beobachtete
Resistenz gegen viele Krebsmedikamente brechen", vermutet Andreas Trumpp.
Eine klinische Beobachtung weist bereits darauf hin, dass diese Vermutung mehr ist als reines Wunschdenken: Patienten, die an dem Blutkrebs
chronisch myeloische Leukämie (CML) leiden und mit dem Medikament
Glivec behandelt werden, erleiden nach Absetzen des Medikaments fast immer Rückfälle. Einigen Erkrankten wurde jedoch vor der
Imatinib-Therapie
Interferon alpha verabreicht. Diese Patienten erlebten überraschenderweise lange rückfallfreie Phasen ohne jegliche Medikation. "Wir gehen davon aus", erklärt Andreas Trumpp, "dass die Leukämie-
Stammzellen durch die Interferongabe geweckt und damit für die Eliminierung durch das
Imatinib sensibilisiert wurden."
Quellen:
Erythrozyten
Rote Blutkörperchen, sauerstofftransportierende Zellen im Blutkreislauf
Stammzellen
Stammzellen sind Blutvorläuferzellen, aus denen sich verschiedene Arten von Zelltypen wie die roten Blutkörperchen (Erythrozyten) und weißen (Leukozythen) Blutzellen sowie Blutplättchen (Thrombozyten) und einige andere Zellen entstehen. Die Stammzellen befinden sich im Knochenmark und teilweise auch im Blut. Es gibt eine Anzahl von verschiedenen Entwicklungsstadien der Stammzellen (z.B. embryonale Stammzellen, aus denen sich der ganze Organismus entwickelt) oder Entwicklungsstadien aus denen nur noch bestimmte Zellarten entstehen können, z.B. Blutstammzellen, aus denen sich alle Blutkörperchen bilden.
Knochenmark
Das Innere der großen Knochen - vor allem des Hüftknochens und des Oberschenkels. Dort werden die Blut- und Immunzellen gebildet. Das Knochenmark bildet sich ständig neu.
Interferon
Im Zusammenhang mit Leukämien üblicherweise Interferon-Alpha gemeint. Interferon (von engl. to interfere eingreifen, sich einmischen) ist ein Protein, das eine immunstimulierende und Tumorzellen angreifende Wirkung entfaltet. Es wird als körpereigenes Gewebshormon gebildet, v.a. von Leukozyten, Monozyten und Fibroblasten, kann aber auch als Medikament in körperunüblich hohen Dosen gegen Leukämien eingesetzt werden.
chronisch
langanhaltend, sich langsam entwickelnd
myeloisch
das Knochenmark betreffend. Im engeren Sinne die Bildung von bestimmten weißen Blutzellen, den Granulozyten, im Knochenmark betreffend
Resistenz
Unempfindlichkeit gegenüber einer Behandlung, z.B. von Krebszellen gegen eine Therapie
Imatinib
Imatinib, Handelsname Glivec/Gleevec, Laborname STI-571, ein BCR-ABL-Tyrosinkinasehemmer der ersten Generation. Zugelassen seit Jahr 2002 für die Behandlung der CML und Ph-positiven ALL.
Glivec
Imatinib wird unter dem Handelsnahmen Glivec (Hersteller Novartis) vertrieben.
Gen
Informationseinheit des Erbgutes, enthält meist den Bauplan für ein Protein. Die Gene liegen im Zellkern in Form von DNS vor.
RNA
Die Ribonukleinsäure (RNA) ist der kleine Bruder der DNA . Sie ist ein einzelsträngiges kettenförmiges Molekül, das aus DNA umgeschriebene Erbinformation eines einzigen Genes enthält, und im Plasma der Zellen in das Genprodukt (= Eiweißmolekül, Protein) umgeschrieben wird (Biosynthese).
Ras
Ras ist ein G-Protein, das nach Aktivierung durch Wachstumsfaktoren mit Tyrosinaseaktivität GTP bindet und damit die Signaltransduktionskaskade weiterleitet.
CHR
Komplette hämatologische Remission (complete haematologic response).
Arm
= Behandlungsgruppe. Eine klinische Studie ist einarmig, wenn es nur eine Behandlungsgruppe und keine Kontrollgruppe gibt. In den meisten Studien gibt es zwei oder mehr Arme.
Stammzellen
Stammzellen sind Blutvorläuferzellen, aus denen sich verschiedene Arten von Zelltypen wie die roten Blutkörperchen (Erythrozyten) und weißen (Leukozythen) Blutzellen sowie Blutplättchen (Thrombozyten) und einige andere Zellen entstehen. Die Stammzellen befinden sich im Knochenmark und teilweise auch im Blut. Es gibt eine Anzahl von verschiedenen Entwicklungsstadien der Stammzellen (z.B. embryonale Stammzellen, aus denen sich der ganze Organismus entwickelt) oder Entwicklungsstadien aus denen nur noch bestimmte Zellarten entstehen können, z.B. Blutstammzellen, aus denen sich alle Blutkörperchen bilden.
myeloisch
das Knochenmark betreffend. Im engeren Sinne die Bildung von bestimmten weißen Blutzellen, den Granulozyten, im Knochenmark betreffend
Resistenz
Unempfindlichkeit gegenüber einer Behandlung, z.B. von Krebszellen gegen eine Therapie
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