Frühere Studien haben gezeigt, dass Imatinib in Kombination mit pegyliertem Interferon (Peg-IFN) das molekulare Ansprechen bei CML-Patienten im Vergleich zur Imatinib-Monotherapie signifikant verbessern kann. Zweitgenerations-Medikamente wie Nilotinib verbessern gegenüber Imatinib das molekulare Ansprechen ebenfalls. Eine auf ASH vorgestellte Studie untersuchte die Kombination von Nilotinib und Peg-IFN als Erstlinientherapie in Bezug auf Verträglichkeit und molekularem Ansprechen.
In der französischen Studie wurden in chronischer Phase neu diagnotizierte CML-Patienten in eine zweiphasige Studie aufgenommen. Die Patienten erhielten zu Beginn einen Monat lang Peg-IFN in einer Dosis von 90mg/Woche, und danach eine Kombination von Nilotinib 300mg zweimal täglich plus 45mg Peg-IFN pro Woche für die Dauer von mindestens einem Jahr. Das Studienziel ist, wieviele Patienten nach einem Jahr bei zwei aufeinander folgenden Untersuchungen bestätigte molekulare Remission von mindestens 4,5 Logstufen (bcr-abl/abl < 0,0032% IS) erreicht haben.
41 Patienten wurden in die Studie aufgenommen. Zum Zeitpunkt des Berichts war die durchschnittliche Beobachtungszeit ca. 14 Monate. Nach Sokal-Score wurden 12% als Hochrisikopatienten, 49% mit mittlerem Risiko und 39% mit Niedrigrisiko eingestuft. Das Durchschnittsalter war 53 Jahre. Zwei Patienten hatten ein maskiertes Philadelphia-Chromosom, 3 eine variante Form, 1 hatte zusätzliche chromosomale Veränderungen. In den Monaten 3, 6 und 12 erreichten 47%, 71% und 100% der Patienten ein komplettes zytogenetisches Ansprechen.
In Bezug auf molekulares Ansprechen erreichten im 12. Monat 21% der Patienten mindestens MR4 (bcr-abl <0,0032%), 6% MR4.5 (<0,0032%), 36% MR4 (<0,01%) und 27% MMR (<0,1%). 84% der Patienten erreichten also in der Kombination innerhalb eines Jahres eine Remission von mindestens MMR.
Plasmaspiegeluntersuchungen ergaben, dass das Interferon keinen negativen Einfluss auf die Aufnahme von Nilotinib zeigte.
Ein Patient erlitt eine Progression in Blastenkrise, ist aber nach allogener Stammzelltransplantation am Leben. Vier Patienten verliessen die Studie: einer wegen Nichtbefolgung der Studienanweisungen, einer wegen Schlaganfall, und einer wegen starken Lebernebenwirkungen.
Alle Patienten erhielten über die Studie hinweg 2x300mg Nilotinib am Tag, während die durchschnittliche Interferon-Dosis 90mg/Woche im ersten Monat, 45mg/Woche im zweiten Monat und 34mg im sechsten Monat war. Die als stark berichteten Nebenwirkungen waren bei 2,5% der Patienten Anämie, 41% Thrombozytenmanel, 5% Blutarmut, diese Nebenwirkungen traten aber hauptsächlich in Monat 2 und 3 auf und verschwanden danach. Weiterhin gab es während der ersten drei Monate vereinzelt/selten Auffälligkeiten im Leberstoffwechsel und Blutfettwerten, Bauchschmerzen und Depressionen.
Zusammenfassend melden die Studienärzte, dass die Kombination von Nilotinib und Peg-IFN recht gut verträglich sei und sich die Nebenwirkungen wie niedrige Blutwerte und Leberbelastungen ausschlichen. Die Ansprechraten nach einem Jahr seien vergleichsweise sehr hoch.
Eine ursprünglich geplante zweite Patientengruppe wird nicht rekrutiert, weil die Ansprechraten in Monat 12 bereits weit oberhalb der Erwartungen lagen. Eine zweiarmige Phase-III-Studie, die Nilotinib alleine gegen Nilotinib+PegIFN vergleichen wird, befindet sich in Vorbereitung.
Quelle: ASH-Abstract 166: Pegylated Interferon-2a in Combination to Nilotinib As First Line Therapy in Newly Diagnosed Chronic Phase Chronic Myelogenous Leukemia Provides High Rates of MR4.5. Preliminary Results of a Phase II Study; Nicolini und andere. Zusammenfassung durch Jan ohne Gewähr auf Richtigkeit und Vollständigkeit
Philadelphia-Chromosom
Charakteristisches Merkmal der chronisch myeloischen Leukämie. Die Chromosomenmutation entsteht durch Transfer des Hauptteils des langen Arms von Chromosom 9 nach Chromosom 22 (= Translokation).
Erstlinientherapie
Erstlinientherapie ist die erste Therapie, die nach der Diagnosestellung bei einem Patienten eingeleitet wird. Wenn diese nicht anschlägt oder nicht vertragen wird, folgt die Zweitlinientherapie
Transplantation
Übertragung von Gewebe. Für die Transplantation können eigene Zellen autologe T. oder fremde Zellen allogene T. verwandt werden.
Thrombozyten
Blutplättchen, die die Gerinnung unterstützen. Blutplättchen verhindern Blutungen, sind also unentbehrlich.
Ansprechrate
Prozentualer Anteil der Patienten, bei denen die Erkrankung sich durch eine bestimmte Behandlung zurückbildet
Monotherapie
Behandlung mit nur einem Medikament
Nebenwirkung
Unerwünschte Begleiteffekte einer Therapie, besonders bei Chemotherapien begrenzen Nebenwirkungen die maximal verträgliche Dosis.
Blastenkrise
Die dritte Phase der Entwicklung von CML; sie entsteht nach der chronischen und akzelerierten Phase. Ihr Merkmal ist das Vorkommen einer zunehmenden Anzahl von unreifen Blutkörperchen („Blasten") im Blut oder Knochenmark.
Progression
Das Fortschreiten einer Krebserkrankung
Sokal-Score
1984 eingeführtes System zur Schätzung der Prognose für Patienten mit CML. In den Score fließen Alter, Milzgröße, Thrombozyten und Blastenanteil ein. Der Score wurde für Patienten entwickelt, die mit Chemotherapie beziehungsweise mit Interferon α behandelt wurden. Seitdem ist mit der Einführung der Tyrosinkinaseinhibitoren ein großer Schritt nach vorn gelungen.
Interferon
Im Zusammenhang mit Leukämien üblicherweise Interferon-Alpha gemeint. Interferon (von engl. to interfere eingreifen, sich einmischen) ist ein Protein, das eine immunstimulierende und Tumorzellen angreifende Wirkung entfaltet. Es wird als körpereigenes Gewebshormon gebildet, v.a. von Leukozyten, Monozyten und Fibroblasten, kann aber auch als Medikament in körperunüblich hohen Dosen gegen Leukämien eingesetzt werden.
Remission
Vorübergehende oder dauerhafte Rückbildung von Krankheitszeichen. Bei Krebs: Partielle Remission = teilweises Verschwinden oder Verkleinerung von Krebszellen, komplette Remission = keine Krebszellen nachweisbar
chronisch
langanhaltend, sich langsam entwickelnd
Nilotinib
Nilotinib, Handelsname Tasigna, Laborname AMN107, hemmt u.a. die BCR-ABL-Tyrosinkinase. Zugelassen in der EU seit 2007 für die Behandlung der CML und Ph+ALL.
Phase II
Hat das Medikament die Prüfung in Phase I bestanden, wird es bei einer kleinen Patientengruppe bezüglich der Wirksamkeit untersucht. Ziele der Studie können dabei beinhalten: Sinkt die Restleukämie? Bei welchem Prozentsatz der Testpersonen sinkt die Resterkrankung ab? Wird das Fortschreiten der Krankheit verzögert? Üblicherweise beteiligen sich einige hundert Menschen an einer solchen Studie, um möglichst genaue Zahlen zu erhalten. Um zu klären, ob es sich bei der Wirkung um zufällige Effekte oder um tatsächliche Medikamentenwirkungen handelt, werden die Teilnehmenden in eine Untersuchungsgruppe und eine Kontrollgruppe eingeteilt.
Imatinib
Imatinib, Handelsname Glivec/Gleevec, Laborname STI-571, ein BCR-ABL-Tyrosinkinasehemmer der ersten Generation. Zugelassen seit Jahr 2002 für die Behandlung der CML und Ph-positiven ALL.
allogen
von einem anderen Menschen stammend, z.B. Fremdspende.
Anämie
Blutarmut, Mangel an roten Blutkörperchen oder Verminderung ihres Gehaltes an rotem Blutfarbstoff (Hämoglobin)
Blasten
Unreife Zellen, z. B. Blutzellvorläufer im Blut oder Knochenmark
Phase I
Die klinische Erprobung eines Medikaments erfolgt in der Regel in drei Phasen, um Menschen vor noch unbekannten gefährlichen und unerwünschten Nebenwirkungen zu schützen und um die finanziellen Mittel möglichst effizient einzusetzen. In einer Phase-I-Studie wird ein Medikament von wenigen Testpersonen eingenommen. Dabei wird untersucht, ob das Medikament gut verträglich ist, welche Nebenwirkungen auftreten und welche Dosierungsart optimal ist. Diese Studien werden ohne Kontrollgruppe durchgeführt.
BCR-ABL
BCR-ABL ist ein Fusionsgen auf Chromosom 22. Das Chromosom mit diesem Gen wird als Philadelphia-Chromosom bezeichnet. Es kommt bei fast 95 Prozent der Patienten mit CML (Chronisch Myeloischer Leukämie) vor. Das Gen ABLim Fusionsgen enthält den Bauplan für ein Enzym, eine Tyrosinkinase. Dieses Enzym ist wesentlich an der Übertragung von Signalen beteiligt, die für die Regulation des Zellwachstums und der Zelldifferenzierung erforderlich sind. Durch die Fusion der beiden Gene wird das Tyrosinkinase-Gen aktiviert. Die Folge: Zellen mit diesem Gen vermehren sich unkontrolliert. Das molekulare Ereignis wird als Hauptursache für die Entstehung der CML angesehen.
Leber
Die Leber (griech. Hepar) ist das zentrale Organ des gesamten Stoffwechsels. Zu den wichtigsten Funktionen gehören die Produktion lebenswichtiger Eiweißstoffe wie z. B. Gerinnungsfaktoren, die Verwertung von Nahrungsbestandteilen, die Galleproduktion und damit einhergehend der Abbau und Ausscheidung von Stoffwechselprodukten, Medikamenten und Giftstoffen. Nährstoffe, die aus dem Darm ins Blut aufgenommen werden, gelangen zur Leber und werden dann von dieser je nach Bedarf ans Blut abgegeben oder aus dem Blut entfernt. Sie ist maßgeblich für die Umsetzung von Medikamenten verantwortlich.
MR4.5
Tiefe molekulare Remission, bei der die BCR-ABL-Transkripte weniger als 0,0032% (nach Internationaler Skala IS) der insgesamt untersuchten Gentranskripte ausmachen
Gen
Informationseinheit des Erbgutes, enthält meist den Bauplan für ein Protein. Die Gene liegen im Zellkern in Form von DNS vor.
ASH
Amerikanische Gesellschaft für Hämatologie (engl. American Society of Hematology). Oftmals wird ASH als Synonym für den jedes Jahr im Dezember stattfindenden Jahreskongress der Gesellschaft verwendet.
CHR
Komplette hämatologische Remission (complete haematologic response).
MMR
Gutes molekulares Ansprechen, bei der die BCR-ABL-Transkripte weniger als 0,1% (nach Internationaler Skala IS) der insgesamt untersuchten Gentranskripte ausmachen
MR4
Tiefe molekulare Remission, bei der die BCR-ABL-Transkripte weniger als 0,01% (nach Internationaler Skala IS) der insgesamt untersuchten Gentranskripte ausmachen
Arm
= Behandlungsgruppe. Eine klinische Studie ist einarmig, wenn es nur eine Behandlungsgruppe und keine Kontrollgruppe gibt. In den meisten Studien gibt es zwei oder mehr Arme.
MR
Molekulares Ansprechen (= molecular response (engl.). Es wird ausgedrückt durch die Anzahl der CML-spezifischen Gene im Blut
Pegyliertes Interferon
Interferon ist ein Protein, das eine immunstimulierende und Tumorzellen angreifende Wirkung entfaltet. Es wird als körpereigenes Gewebshormon in menschlichen Immunzellen gebildet. Pegyliertes Interferon ist in ein Glukosemolekül eingebettet, das den Wirkstoff nur langsam an den Körper abgibt, es hat daher eine Depotfunktion und behält seine Wirkung über mehrere Tage.
Chronische Phase
Die früheste Phase in der Entwicklung von CML
Chronische Phase
Die früheste Phase in der Entwicklung von CML
Ansprechrate
Prozentualer Anteil der Patienten, bei denen die Erkrankung sich durch eine bestimmte Behandlung zurückbildet
Chromosomen
Träger des Erbguts im Zellkern. Sie enthalten die riesigen Kettenmoleküle der DNA kompakt verdrillt und gefaltet als Aggregate mit speziellen Proteinen. Die Chromosomen dienen unter anderem bei der Zellteilung der gleichen Verteilung des Erbguts auf die Tochterzellen. Die normalen menschlichen Körperzellen haben 46 Chromosomen. Bei Krebszellen kann die Zahl und/oder Struktur der Chromosomen verändert sein.
chronisch
langanhaltend, sich langsam entwickelnd
chronisch
langanhaltend, sich langsam entwickelnd
allogen
von einem anderen Menschen stammend, z.B. Fremdspende.
allogen
von einem anderen Menschen stammend, z.B. Fremdspende.
Gen
Informationseinheit des Erbgutes, enthält meist den Bauplan für ein Protein. Die Gene liegen im Zellkern in Form von DNS vor.
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