Bei Patienten mit chronisch-lymphatischer Leukämie vom B-Zell-Typ (B-CLL) unterscheidet sich der Krankheitsverlauf oft erheblich. Für den behandelnden Arzt ist die Verlaufsprognose ein wichtiges Kriterium für die Therapieentscheidung. Typische genetische Veränderungen in den Tumorzellen geben Hinweise auf die Prognose. Ist bei Patienten mit einer chronisch lymphatischen B-Zell-Leukämie (B-CLL) eine Chemotherapie ausreichend oder ist eine Stammzelltransplantation nötig? Bei der richtigen Entscheidung kann ein neuer Biochip helfen, der Chromosomendefekte analysiert.

Das Forscherteam um Dr. Carsten Schwänen und Prof. Peter Lichter beschreibt in der kürzlich erschienenen Ausgabe der Fachzeitschrift "Proceedings of the National Academy of Sciences of the USA" (PNAS), wie sich typische Fehler im Erbgut von Leukämiezellen mit Hilfe des Chip-Werkzeugs identifizieren lassen. Leukämien - wie auch andere bösartige Tumoren - weisen häufig typische Veränderungen des Genoms auf. Chromosomenbruchstücke gehen verloren oder werden vervielfältigt. Mehrere typische Gendefekte der B-CLL-Krebszellen sind bereits bekannt. Die Gruppe von Prof. Hartmut Döhner, Universität Ulm, hatte bereits gezeigt, dass Verluste von Erbsubstanz in den Chromosomen 11 und 17 mit einer schlechten Prognose einhergehen. Auf der Basis dieser Kenntnisse entwickelten Carsten Schwänen und Kollegen einen Chip, der den Vergleich des Erbguts, der DNS, von Leukämiezellen mit dem von gesunden Zellen in großem Maßstab ermöglicht. Bei diesem Matrix-CGH genannten Verfahren lassen sich in einem einzigen Testdurchgang gleichzeitig mehrere tausend verschiedenen DNS-Verluste oder -Zugewinne im Genom einer Tumorzelle identifizieren. Das besondere daran: Das Testsystem ist sehr empfindlich für die typischen Chromosomenveränderungen und weist diese mit großer Zuverlässigkeit nach. Zugleich lässt sich die Analyse rasch und ohne großen Aufwand durchführen - ideale Voraussetzungen für den klinischen Einsatz.

Die Aussagekraft des neu entwickelten Chips überprüften die Wissenschaftler mit Hilfe einer verwandten, aber aufwändigeren Methode, der Fluoreszenz-In-Situ-Hybridisierung (FISH), mit der sich Chromosomenveränderungen in der intakten Zelle nachweisen lassen. Die Ergebnisse sprechen für sich: Die Erbgutverluste bzw. -zugewinne stimmten zu 100 Prozent bei beiden Analysemethoden überein. Und noch einen Erfolg konnten die Genomforscher verbuchen: Sie entdeckten zwei weitere Erbgutveränderungen, die typisch für eine B-CLL zu sein scheinen: eine Vervielfältigung des Krebsgens MYCN und eine Verdreifachung des Chromosoms 19. Letztere ist offenbar mit einem günstigeren Krankheitsverlauf verbunden.

Die große Zuverlässigkeit bei der Charakterisierung von Leukämiezellen und die unkomplizierte Handhabung machen den Chip zu einer aussichtsreichen Entscheidungshilfe für die Therapieplanung. Den praktischen Eignungstest muss der Chip noch bestehen: Er soll in klinischen Studien zum Einsatz kommen, in denen überprüft wird, ob ein Patient bei einer B-CLL mit einer bestimmten Chromosomenveränderung mit einer milderen Chemotherapie auskommt oder ob alternativ eine Stammzelltransplantation in Erwägung zu ziehen ist, die zwar höhere Heilungschancen, aber auch bedeutend höhere Risiken birgt.

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