Forschern ist es gelungen, die charakteristischen genetischen Muster der akuten lymphoblastischen Leukämie (ALL) zu entschlüsseln, die bei sehr vielen Patienten zu einem Wiederauftreten (Rezidiv) der lebensbedrohlichen Erkrankung führen.
"Insbesondere der frühe Rückfall innerhalb der ersten zwei Jahre nach Diagnosestellung, zum Teil noch während der Therapie, ist mit einer schlechten Prognose verbunden. Daher ist es notwendig, diese Hochrisikogruppe zu erkennen und entsprechend zu behandeln. Unsere Forschungsergebnisse bieten dafür eine sehr gute Grundlage“, sagt Dr. Lüder Meyer, Funktionsoberarzt an der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin sowie Leiter der Forschergruppe am Universitätsklinikum Ulm.
Therapieversagen bei jedem fünften Patienten
Obwohl die erfolgreiche Entwicklung der Behandlung der
akuten lymphoblastischen Leukämie in den vergangenen zwei Jahrzehnten dazu geführt hat, dass rund 80 % der Patienten dauerhaft geheilt werden können, kommt es bei jedem fünften Patienten zum Therapieversagen und zum Rückfall, der eine deutlich ungünstigere
Prognose bedeutet. „Die Identifizierung von Patienten mit Frührezidiven wurde in der Vergangenheit dadurch erschwert, dass die Mehrzahl dieser Patienten zunächst als Niedrigrisikopatienten eingestuft wurden, also zu Behandlungsbeginn mit den derzeit verfügbaren Methoden nicht als Hochrisikopatienten erkannt werden konnten“, erläutert Prof. Dr. Klaus-Michael Debatin, Ärztlicher Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, der zusammen mit Dr. Lüder Meyer und Dr. Sarah Eckhoff die Ulmer Arbeitsgruppe bildet.
Zusammen entwickelten sie ein wissenschaftliches Modell, das, ausgehend von Leukämiezellen die direkt von Patienten stammen, dieLeukämieerkrankung nachahmt. „In den vergangenen Jahren konnten wir so eine weltweit einzigartige Sammlung von Leukämien etablieren“, sagt Dr. Meyer und ergänzt: „Wir können nun besondere Subtypen der Leukämie identifizieren, die typisch für Patienten mit einem frühen Wiederauftreten der Leukämie sind.“
Frührezidive im Kindesalter behandelbar
Was bedeutet dieses deutlich frühere Wissen für die Therapie? „Durch die detaillierte zell- und molekularbiologische Analyse konnten wir Veränderungen an
Signalmolekülen nachweisen, die für Wachstum,
Differenzierung und
Zelltod von
Leukämiezellen verantwortlich sind und die wir durch Medikamente beeinflussen können“, erläutert Prof. Debatin. Somit würden sich gute Hinweise dafür ergeben, dass auch diese mit einer sehr schlechten
Prognose in Verbindung gebrachten Frührezidive einer Leukämie
im Kindesalter behandelbar sind.
Die Ulmer Ärzte und Forscher in Personalunion sprechen in diesem Zusammenhang von einem Klassifikator, der in Kooperation mit Dr. Hans Kestler vom Institut für Neuroinformatik (Arbeitsgruppe Bioinformatik) der Universität Ulm gefunden wurde. Dieser kann die Hochrisikogruppe definieren und wird derzeit weiterentwickelt. Bestätigt wurde die Bedeutung des typischen Genexpressionsmusters auch im Rahmen der Zusammenarbeit mit Prof. G. Basso und Dr. G. te Kronnie von der Universität Padua (Italien), mit der die Universität Ulm und ihre Graduiertenschule eine Partnerschaft unterhält: In einer unabhängigen Gruppe von Patienten, die nach dem gleichem System behandelt worden sind, konnten ebenfalls die meisten Patienten mit einem frühen Rückfall identifiziert werden.
Differenzierung
In einem vielzelligen Organismus wie dem Menschen ist eine reibungslose Funktionsfähigkeit nur durch Arbeitsteilung möglich. Dazu erfolgt eine Spezialisierung von Zellen. Diese strukturelle und funktionelle Ausdifferenzierung von Zellen zu bestimmten Zelltypen (z.B. Muskelzellen, Blutzellen, Nervenzellen) bezeichnet man als Zelldifferenzierung.
Prognose
Wahrscheinliche zukünftige Entwicklung einer Erkrankung auf Basis der bestehenden Befunde
Rezidiv
Neuauftreten akuter Krankheitszeichen, Rückfall nach einer Remission
akut
plötzlich einsetzend, heftig, von kurzer Dauer
Gen
Informationseinheit des Erbgutes, enthält meist den Bauplan für ein Protein. Die Gene liegen im Zellkern in Form von DNS vor.
DLI
Gabe von Spenderlymphozyten nach rezidivierter allogener Stammzelltransplantation (DLI = Donor Lymphocyte Infusion)
CHR
Komplette hämatologische Remission (complete haematologic response).
ELN
Das Europäische Leukämie Netz ist eine von der EU finanzierte Organisation bestehend aus Medizinern, Wissenschaftlern und Patienten aus dem Leukämie-Bereich, das zum Ziel hat, die Behandlung von Leukämie-Erkrankungen zu verbessern, Wissen zu generieren und dieses Wissen in Europa zu verbreiten.
exprimieren
Als Genexpression bezeichnet man die Bildung eines von einem Gen kodierten Genprodukts, vor allem von Proteinen oder RNA-Molekülen. Das zugehörige Verb lautet exprimieren.
exprimieren
Als Genexpression bezeichnet man die Bildung eines von einem Gen kodierten Genprodukts, vor allem von Proteinen oder RNA-Molekülen. Das zugehörige Verb lautet exprimieren.
akut
plötzlich einsetzend, heftig, von kurzer Dauer
akut
plötzlich einsetzend, heftig, von kurzer Dauer
Gen
Informationseinheit des Erbgutes, enthält meist den Bauplan für ein Protein. Die Gene liegen im Zellkern in Form von DNS vor.
Gen
Informationseinheit des Erbgutes, enthält meist den Bauplan für ein Protein. Die Gene liegen im Zellkern in Form von DNS vor.
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