DGHO2017 miniVom 29.9.-3.10.2017 fand in Stuttgart die Jahrestagung der Deutsche nGesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO), Österreichischen Gesellschaft für Hämatologie & Medizinische Onkologie (OeGHO), Schweizerische Gesellschaft für Medizinische Onkologie (SGMO) und Schweizerische Gesellschaft für Hämatologie (SGH) statt.

Dabei gab es auch verschiedense Vorträge zur CML. Wir waren bei den CML-Sitzungen dabei und hat für uns die Neuigkeiten in einem Bericht zusammengefasst.

Symposium der Deutschen CML-Allianz

Die Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie DGHO vom 29.09.-03.10.2017 in Stuttgart begann am Freitag Nachmittag mit einem Symposium der Deutschen CML Allianz, auf dem Jan Geissler vor knapp 100 anwesenden Ärzten und Vertretern der Pharmafirmen über häufige Fragen der Patienten und die Aktionen zum Welt CML Tag 2017 sprach. Seine Vortragsfolien sind hier hinterlegt. Als jüngster Referent berichtete Yunus Borowczak über „Probleme der CML bei Jugendlichen“, die sich von denen älterer Patienten deutlich unterscheiden. So stehen bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen Fragen zu ihrer Zukunft und solche über den Umgang mit der CML in der Öffentlichkeit, zur Familienplanung, der Berufswahl und auch dem Freizeitverhalten, im Mittelpunkt. Yunus teilte sich seine Redezeit mit Prof. Meinolf Suttorp von der Universitätsklinik Dresden, der den Anwesenden die Aufgaben der Transition, also der weiterführenden Behandlung durch Hämatologen nach pädiatrischer Betreuung in der Kinderklinik, erläuterte. Weitere Themen des Symposiums waren aktuelle Erstlinienstudien und Studien nach Therapieversagen, therapiefreie Remission – ist auch zweimal Absetzen möglich? , Neues aus der Versorgungsforschung sowie die Onkopedia Leitlinien zur CML Therapie, die noch 2017 überarbeitet veröffentlicht werden sollen.

CML-Stammzellen besser verstehen

Der Samstag Morgen begann mit einem wissenschaftlichen CML-Symposium. Hier wurden als erstes die Gründe für die Entwicklung und Erforschung von Kombinationstherapien dargestellt, die zur vollständigen Vernichtung der CML Stammzellen führen sollen. Denn diese werden wohl durch die alleinige Therapie mit Tyrosinkinaseinhibitoren (TKIs) nicht vollständig beseitigt und können aus diesem Grund zu Therapieresistenzen und Krankheitsprogression führen. CML-Stammzellen werden in schwer zugänglichen Stammzellnischen des Knochenmarks vermutet, weshalb innovative Behandlungsstrategien erforderlich sind. Solche Therapien können die Kombination von TKIs mit Inhibitoren anderer Kinasen wie JAK2, Hedgehog und PI3 kinase/Akt/mTor sein. Als Beispiel sei hier die Therapie von Imatinib in Kombination mit Ruxolutinib genannt. Ein weiterer Ansatz ist, die Selbstzerstörung von Leukämiezellen durch Medikamente zu beeinflussen. Außerdem werden immunologische Strategien zur Beseitigung leukämischer Stammzellen untersucht.

Warum unterliegen BCR-ABL-positive Leukämien einer Krankheitsprogression? Es wurde diskutiert, wie lange es von der eine CML verursachenden genetischen Veränderung bis zum Ausbruch der Erkrankung dauert. Dazu gibt es eine Untersuchung japanischer Überlebender des Atombombenangriffs im 2. Weltkrieg (Quelle: Tomas Radivoyevitch et al., Blood 2012;119:4363-4371). Während bei Männern die CML nach 8-10 Jahren diagnostiziert wurde, gab es in dieser Untersuchung Frauen, die erst nach 20-30 Jahren erkrankten.

Innerhalb der chronischen Phase der CML lassen sich frühe und späte chronische Phasen voneinander abgrenzen. Patienten in später chronischer Phase sprechen später und schlechter auf die Therapie an als Patienten in früher chronischer Phase. Ebenso lässt sich anhand der Länge von Telomeren (das sind die Endstücke der Chromosomen, die bei jeder Zellteilung kürzer werden und die Zelle altern lassen) der Fortschritt der Krankheitsphase bestimmen, so Prof. Tim Brümmendorf von der Universitätsklinik Aachen in seinem Vortrag.

Die Rolle der Inflammation (Entzündung) für die Pathogenese der CML – ist sie Treiber oder Folge? -wurde in einem weiteren Vortrag erläutert. Als Treiber konnten von einer schwedischen Forschergruppe Herzerkrankungen und deren Therapie, die Einnahme von Steroiden, Autoimmunerkrankungen sowie Sarkoidose identifiziert werden (Quelle: Gunnarsson et al., Increased prevalance of of prior malignancies and autoimmune diseases in patients diagnosed with chronic myeloid leukemia, Leukemia, Juli 2016). Als Folge führt BCR-ABL zu erhöhter Inflammation. Entzündungen und CML weisen Ähnlichkeiten in mehreren Symptomen auf: Leukozytose, allgemeine Schwäche, Anämie, LDH-Erhöhung, Milzvergrößerung und Fieber. Bei beiden sind vermehrt Zytokine im Blut zu finden (Quellen: Hehlmann et al Blood 1994, Hehlmann & Hochhaus Der Onkologe 1998, Foa et al 1990 int J Biol Markers). Es bleibt weiterhin zu erforschen, wie pro- und anti-entzündliche Behandlungsstrategien (wie z.B. der Einsatz von Interferon bzw. die Beeinflussung der Zytokine IL-6 und TNFalpha) die Vernichtung der leukämischen Stammzellen beeinflussen können und wie sich inflammatorische Prozesse auf Therapieunterbrechungen auswirken.

Übersicht über CML-Therapien

Am Sonntag wurden den anwesenden Ärzten die unterschiedlichen CML-Therapien vorgestellt. Prof. Philipp le Coutre von der Charité in Berlin berichtete über die verschiedenen Möglichkeiten der Erstlinientherapie und welche Faktoren für die Wahl des Medikaments ausschlaggebend sind: Das Gesamtüberleben ist mit allen drei zur Verfügung stehenden Erstlinientherapie-Medikamenten (Imatinib, Dasatinib, Nilotinib) gleich. Allerdings wird eine tiefe molekulare Remission unter der Therapie mit Dasatinib oder Nilotinib häufiger erreicht. Auch das Risiko einer Transformation ist bei Nicht-Niedrigrisiko-Patienten nach Sokal Score unter Dasatinib und Nilotinib geringer. Die CML Therapie ist sehr kostenintensiv. Generika können diese Kosten deutlich reduzieren. Alle drei Medikamente unterscheiden sich in ihren Toxizitätsprofilen. All diese Faktoren müssen vom behandelnden Arzt bei der Auswahl des Erstlinien-Medikaments beachtet werden. Den gesamten Vortrag von Prof. le Coutre findet man auf http://www.professionalabstracts.com/dgho2017/pdf/open.php?id=197&system=list.

Langzeiteffekte der CML-Therapie

Im zweiten Vortrag des Fortbildungsblocks sprach Prof. Andreas Hochhaus von der Universitätsklinik in Jena über die Behandlung mit TKIs: Wie lässt sich die Langzeitverträglichkeit verbessern ohne Kompromisse bei der Effektivität einzugehen? Ein sehr häufig auftretendes Phänomen bei der Behandlung von CML stellen Begleiterkrankungen dar, an denen Patienten häufiger versterben als an der CML. Bei der Auswertung der EUTOS-Studie, in die 2903 Patienten eingeschlossen wurden, zeigte sich dass 29% eine Begleiterkrankung haben, 15,3% haben 2, 11,5% mehr als 2. Am häufigsten handelt es sich um Bluthochdruck (26%), andere Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems (17%) und Diabetes mellitus (9,5%). Die häufigsten unerwünschten Nebenwirkungen unter Imatinib sind Ödeme und Muskelkrämpfe. Wie stark unerwünschte Nebenwirkungen sind, ist dosisabhängig. Die relative Toxizität der TKIs muss bei der Wahl der Erstlinientherapie berücksichtigt werden. Eventuell können Spiegelmessungen eine Dosisreduktion rechtfertigen. Ebenso muss berücksichtigt werden, welche zusätzlichen Medikamente der CML-Patient einnimmt, da diese die Wirkung des TKIs und somit seine Toxizität beeinflussen können. Nur eine konsequente Einnahme der Medikamente sichert das Ansprechen der Therapie und das Erreichen einer Remission. Die Verträglichkeit der TKIs kann also durch verschiedene Faktoren optimiert werden: das Wissen um unerwünschte Nebenwirkungen der einzelnen TKIs, die Berücksichtigung von Begleiterkrankungen und Begleittherapien, die Therapie von Nebenwirkungen mit Hilfe von Fachempfehlungen sowie das Beachten von Arzneimittelinteraktionen. Nicht zu vergessen ist der Einfluss von Nahrung auf die Bioverfügbarkeit von Nilotinib. Weil die dauerhafte CML-Therapie mit TKIs auch Nachteile in sich bergen kann, ist der Versuch einer Therapieunterbrechung bzw. ein dauerhafter Therapie-Stopp für Patienten und Ärzte ein wichtiges Konzept. Die Auswertung erster Stopp-Studien zeigt, dass nicht die Therapiedauer allein ausschlaggebend für einen erfolgreichen Stopp ist, sondern vielmehr die Dauer der Therapie in MR4. Die Empfehlungen zum Absetzen werden in die aktualisierten ELN-Richtlinien aufgenommen, die noch 2017 veröffentlicht werden sollen. Den gesamten Vortrag von Prof. Hochhaus findet man auf http://www.professionalabstracts.com/dgho2017/pdf/open.php?id=199&system=list.

Behandlung der fortgeschrittenen CML

Als dritter Referent sprach Prof. Andreas Petzer vom KH Bamherzige Schwestern, Linz, Österreich, über Prädiktion und Behandlung der fortgeschrittenen Erkrankung. Die Transformation in eine akzelerierte Phase ist in der Ära der TKIs zu einem seltenen Ereignis von 1-1,5% pro Jahr geworden. Der Behandlungserfolg in akzelerierter Phase oder Blastenkrise ist weiterhin schlecht. Eine erfolgreiche Therapie kann eine Rückführung in eine zweite chronische Phase mit anschließender allogener Stammzelltransplantation sein. Ziel ist jedoch, die Progression in die akzelerierte Phase oder Blastenkrise zu verhindern. Auch der Vortrag von Prof. Petzer steht unter http://www.professionalabstracts.com/dgho2017/pdf/open.php?id=200&system=list zur Verfügung.

Zwischenanalyse der TIGER-Studie

Im einem Freien Vortrag stellte Prof. Andreas Hochhaus am Nachmittag eine erste Zwischenanalyse der TIGER (CML V)-Studie vor, in der die Therapie von Nilotinib mit der von Nilotinib + Peg-Interferon-α2b bei CML-Patienten in chronischer Phase verglichen wird. Primäre Studienziele sind zum einen die Bewertung der Rate der „guten molekularen Remission“ (Major Molecular Response, MMR) im Studienmonat 18 unter Nilotinib-Monotherapie im Vergleich zu der Kombinationstherapie mit Nilotinib und PEG-Interferon α2b sowie die Beurteilung des Anteils der Patienten in stabiler MMR nach Absetzen von Nilotinib und PEG-Interferon α2b (“Heilung”). Die Rekrutierung ist inzwischen abgeschlossen. Insgesamt beteiligen sich 111 Studienzentren in Deutschland (100), der Schweiz (10) und Tschechien (1). Die deutschen Patienten werden in 45 Krankenhäusern, bei 38 niedergelassenen Hämatologen/Onkologen und an 31 Universitätskliniken betreut. Insgesamt wurden von 2012-2017 717 Patienten rekrutiert. In einer Pilotphase wurden 25 Patienten mit Nilotinib + PEG-IFN behandelt. Von ihnen befinden sich 10 in der Absetzphase. Es gab ein molekulares Rezidiv 2,5 Monate nach dem Absetzen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Kombination aus Nilotinib und PEG-Intron verträglich und gut steuerbar ist. Nach mindestens zweijähriger Induktionstherapie haben die Erhaltungsphase bisher 36% der Patienten, die Absetzphase 10% der Patienten erreicht. Bei einem Altersmedian von 53 Jahren und einem Bereich von 19 bis 86 Jahren waren Todesfälle (n=13) und CML-bedingte Todesfälle (n=4) selten. Das molekulare Ansprechen übertraf die Erfahrungen bisheriger Nilotinib-basierter Studien und ermöglicht die protokollgemäße Therapiestrategie nach den statistischen Annahmen. Auch dieser Vortrag kann bei Interesse herunter geladen werden (http://www.professionalabstracts.com/dgho2017/pdf/open.php?id=947&system=list).

Endauswertung der CML-IV-Studie

Prof. Rüdiger Hehlmann stellte in diesem Vortragsblock das 10-Jahresüberleben unter Imatinib, die Endauswertung der randomisierten CML-Studie IV, vor. Sie zeigt, dass die Therapie mit 400 mg Imatinib den Patienten zu einer nahezu normalen Lebenserwartung verhilft. Das Überleben ist unabhängig von der Zeit bis zum Therapieansprechen. Der Verlauf der CML wird von Krankheitsfaktoren wie Begleiterkrankungen und Rauchen sowie der initialen Therapiewahl bestimmt. (http://www.professionalabstracts.com/dgho2017/pdf/open.php?id=589&system=list)

Debatte zu Imatinib als Erstlinientherapie

In der Debatte „Ist Imatinib als Erstlinientherapie für alle Patienten (noch) zu empfehlen - Pro und Contra“ wurden die Vorteile der Erstlinien-TKIs diskutiert und welche Faktoren bei der Wahl des Medikaments berücksichtigt werden sollten. Nach der CML-Diagnose muss die Frage nach dem Therapieziel gestellt werden: hat ein progressionsfreies Überleben mit einem langjährig erprobten Medikament Priorität oder wird eine therapiefreie Remission angestrebt? Auch mit Imatinib kann nach einem raschen Ansprechen bei Therapiebeginn eine MR4,5 erreicht werden. Man spricht dann von einem Early Molekular Response (EMR). Jedoch erreichen unter Imatinib nur etwa 20 % der Patienten ein so tiefes molekulares Ansprechen, dass an eine Therapieunterbrechung gedacht werden kann. Unter TKIs der 2. Generation sind es 50%. Die Therapie mit Imatinib hat keinen Einfluss auf das Gesamtüberleben, jedoch gibt es unter der Therapie mit TKIs der zweiten Generation ein geringfügig geringeres Therapieversagen. Diese Erkenntnisse entstammen der Auswertung der ersten Stopp-Studien. Bisher gibt es keine Studie, die vergleicht, mit welchem Medikament nach Erreichen einer tiefen molekularen Remission besser abgesetzt werden kann. Fazit: Imatinib ist nach wie vor für die Erstlinientherapie unter der Berücksichtigung des Krankheitsstadiums, der Therapieziele sowie der Begleiterkrankungen für eine nicht unerhebliche Zahl von CML-Patienten zu empfehlen. Nach der Einführung von Generika spielen auch sozialökonomische Aspekte eine nicht unwesentliche Rolle bei der Wahl des Medikaments, das für die meisten Patienten eine lebenslange Therapie darstellt.

CML-Expertenseminar

In einem weiteren CML-Expertenseminar erläuterte Prof. Alexander Kiani besondere Behandlungssituationen. Die verbesserte Behandlung von CML führt zu längerem Überleben und einer höheren Prävalenz der CML. Die Prognose eines CML-Patienten hängt in erster Linie von Begleiterkrankungen ab. Für die Therapie stehen 5 TKIs zur Verfügung, die in der klinischen Praxis unter verschiedenen Aspekten eingesetzt werden. Die Auswahl des TKIs erfolgt unter Berücksichtigung von Begleiterkrankungen, dem Erkrankungsrisiko nach Einstufung in einem Risiko-Score sowie dem Therapieziel immer patientenindividuell. Ziele der CML-Therapie sind Überleben, Lebensqualität, Therapiefreiheit und evtl. Heilung. Im Therapieverlauf haben Monitoring sowie Behandlung und Vorbeugen von Nebenwirkungen große Bedeutung. Die Präsentation von Prof. Kiani steht ebenfalls zum Download bereit (http://www.professionalabstracts.com/dgho2017/pdf/open.php?id=210&system=iplanner).

Optimierung der CML-Therapie

Das Kompetenznetz Akute und Chronische Leukämien fasste am letzten Tag des Kongresses noch einmal „Neues zur CML“ zusammen. Aktuelle Fragestellungen sind, wie schon mehrfach in den verschiedenen Vorträgen aufgezeigt, die Optimierung der Erstlinien- und Zweitlinientherapie und die   Optimierung prognostischer Marker für die frühzeitige Erkennung von Problemen (Warnings/Failure/Progression). Bedeutet BCR-ABL-Negativität bzw. sehr tiefes molekulares Ansprechen Heilung? Ist eine lebenslange Therapie wirklich notwendig? Welchen Einfluss haben Begleiterkrankungen? Weitere wichtige Themen sind Nebenwirkungsmanagement, Lebensqualität und Therapietreue. Es werden verschiedene Therapieziele wie Gesamtüberleben, molekulare Remission (MMR oder tiefer), therapiefreie Remission (für alle?) sowie auch individuelle Ziele definiert. Diese sind entscheidend für die Auswahl der Erstlinientherapie. Außerdem wurden den Anwesenden die laufenden CML-Therapiestudien vorgestellt. Auch von diesem Vortrag, der von Prof. Susanne Saussele gehalten wurde, stehen dem interessierten Leser alle Folien zur Verfügung (http://www.professionalabstracts.com/dgho2017/pdf/open.php?id=437&system=list).

Neben der CML wurden auf dem Jahreskongress der DGHO auch alle anderen hämatologischen und onkologischen Erkrankungen diskutiert. Zu einer Vielzahl von Vorträgen stellt die DGHO die Vortrags-PDF’s bereit. Klickt Euch durch Expertenseminare, freie Vorträge und wissenschaftliche Symposien (http://www.professionalabstracts.com/dgho2017/slides/)!

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