Die chronische myeloische Leukämie (CML) ist eine bösartige Erkrankung des Knochenmarks, bei der es zu einer unkontrollierten Vermehrung bestimmter weißer Blutkörperchen kommt. In Deutschland erkranken daran jährlich etwa 1.200 Menschen. Die Krankheitsursache liegt in einer Veränderung des Erbmaterials, die dazu führt, dass ein natürlicherweise nicht vorkommendes Protein gebildet wird: BCR-ABL. Dieses Enzym beeinflusst weitere Proteine und stört damit die Signalwege, die den natürlichen Tod der Zellen, ihren Lebenszyklus sowie ihr Wanderungsverhalten steuern. So erhalten die veränderten Blutzellen einen dauerhaften Wachstumsstimulus und können in ihrer Überzahl zu Blutgerinnseln oder Gefäßverschlüssen führen. Wissenschaftlern um Dr. Jochen Frietsch vom Universitätsklinikum Jena und Prof. Dr. Elke Butt vom Universitätsklinikum Würzburg ist es vor kurzem gelungen, mit LASP1 ein weiteres Protein zu identifizieren, das bei CML verstärkt produziert wird.
„LASP1 ist beteiligt am Wachstum sowie der Regulation des Lebenszyklus der Zellen und wurde auch in anderen Tumorerkrankungen, wie z.B. Brust-, Ovarial-, Prostata-, Darm- und Blasenkrebs in erhöhter Konzentration nachgewiesen“, so Dr. Jochen Frietsch. Welche Rolle LASP1 bei der Entstehung der CML spielt, wollen die Wissenschaftler jetzt in einem von der Deutschen Krebshilfe geförderten Projekt eingehender untersuchen.
Dazu arbeiten die Forscher parallel mit Zellkulturmodellen sowie Blutproben von CML-Patienten. Biochemikerin Prof. Elke Butt: „LASP1 ist eines der Substratmoleküle für das Leukämie-Enzym BCR ABL. Wir wollen herausfinden, wodurch das Zusammenspiel von LASP1 und seinen Bindungspartnern gestört ist und wie sich dies auf die Signalwege der Leukämiezellen auswirkt.“ In Kooperation mit der Deutschen CML-Studiengruppe werden die Ergebnisse anhand von Patientenproben überprüft. Mithilfe der Proben wollen die Wissenschaftler auch testen, ob LASP1 einen früheren Hinweis auf mögliche Probleme in der Therapie geben kann.
Die Standardtherapie für Patienten mit CML sind Tyrosinkinasehemmer, die das Leukämie-Enzym blockieren, wodurch sich die außer Kontrolle geratenen weißen Blutkörperchen wieder normalisieren. Manchmal verändern sich die Leukämiezellen aber durch eine spontane Mutation, so dass sie resistent gegen den Wirkstoff werden und sich wieder ungehemmt vermehren. Die Behandlung muss dann angepasst werden. In den Studienproben wollen die Wissenschaftler die Aktivität von LASP1 in verschiedenen Erkrankungs- und Behandlungsphasen erfassen. „Wir hoffen, das Protein als Prognosemarker nutzen und damit das Verhalten der Erkrankung besser einschätzen zu können. So ließen sich diejenigen Patienten schneller identifizieren, die einer intensiveren Behandlung bedürfen“, beschreibt Dr. Jochen Frietsch das Ziel des auf zwei Jahre angelegten Projektes.
Quelle: Universitätsklinikum Jena, 28.8.2016
Tyrosinkinase
Enzym, das das Wachstum von Leukämiezellen anregt und therapeutisch durch Tyrosinkinase-Hemmer (Tyrosinkinase-Inhibitoren) gehemmt werden kann.
Knochenmark
Das Innere der großen Knochen - vor allem des Hüftknochens und des Oberschenkels. Dort werden die Blut- und Immunzellen gebildet. Das Knochenmark bildet sich ständig neu.
chronisch
langanhaltend, sich langsam entwickelnd
myeloisch
das Knochenmark betreffend. Im engeren Sinne die Bildung von bestimmten weißen Blutzellen, den Granulozyten, im Knochenmark betreffend
Proteine
Große Moleküle, die sich aus über 100 Amonosäuren bzw. Peptiden zusammensetzen
Mutation
Veränderung der Abfolge von Bausteinen im Erbgut (DNS). Mutationen können zu Änderung oder Verlust der Funktion von Genen führen und damit das Verhalten von Zellen beeinflussen (lat. mutatio Veränderung, Wechsel)
Prognose
Wahrscheinliche zukünftige Entwicklung einer Erkrankung auf Basis der bestehenden Befunde
BCR-ABL
BCR-ABL ist ein Fusionsgen auf Chromosom 22. Das Chromosom mit diesem Gen wird als Philadelphia-Chromosom bezeichnet. Es kommt bei fast 95 Prozent der Patienten mit CML (Chronisch Myeloischer Leukämie) vor. Das Gen ABLim Fusionsgen enthält den Bauplan für ein Enzym, eine Tyrosinkinase. Dieses Enzym ist wesentlich an der Übertragung von Signalen beteiligt, die für die Regulation des Zellwachstums und der Zelldifferenzierung erforderlich sind. Durch die Fusion der beiden Gene wird das Tyrosinkinase-Gen aktiviert. Die Folge: Zellen mit diesem Gen vermehren sich unkontrolliert. Das molekulare Ereignis wird als Hauptursache für die Entstehung der CML angesehen.
Gen
Informationseinheit des Erbgutes, enthält meist den Bauplan für ein Protein. Die Gene liegen im Zellkern in Form von DNS vor.
CHR
Komplette hämatologische Remission (complete haematologic response).
ELN
Das Europäische Leukämie Netz ist eine von der EU finanzierte Organisation bestehend aus Medizinern, Wissenschaftlern und Patienten aus dem Leukämie-Bereich, das zum Ziel hat, die Behandlung von Leukämie-Erkrankungen zu verbessern, Wissen zu generieren und dieses Wissen in Europa zu verbreiten.
Arm
= Behandlungsgruppe. Eine klinische Studie ist einarmig, wenn es nur eine Behandlungsgruppe und keine Kontrollgruppe gibt. In den meisten Studien gibt es zwei oder mehr Arme.
chronisch
langanhaltend, sich langsam entwickelnd
myeloisch
das Knochenmark betreffend. Im engeren Sinne die Bildung von bestimmten weißen Blutzellen, den Granulozyten, im Knochenmark betreffend
Resistenz
Unempfindlichkeit gegenüber einer Behandlung, z.B. von Krebszellen gegen eine Therapie
Proteine
Große Moleküle, die sich aus über 100 Amonosäuren bzw. Peptiden zusammensetzen
TKI
Tyrosinkinaseinhibitor / Tyrosinkinasehemmer sind neuartige Medikamenten-Wirkstoffe, die bisher vor allem bei Tumorerkrankungen zum Einsatz kommen. Tyrosinkinasen spielen eine Schlüsselrolle bei der Entstehung von Tumorerkrankungen, da sie daueraktiviert zu einer ungebremsten Zellteilung und damit zu einem unkontrollierten Tumorwachstum führen. Die neuartigen Hemmstoffe blockieren diesen Mechanismus.
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