2015 03 16 08 15 57 BloodSeit einiger Zeit werden Gefäßerkrankungen als Nebenwirkung von bei der CML-Therapie verwendeten Tyrosinkinasehemmern (TKI) intensiver beobachtet. Während Imatinib ein gut dokumentiertes und günstiges Nebenwirkungsprofil ohne offensichtliche Häufung von Gefäßerkrankungen aufweist, wurden verschiedene Arten von Blutgefäßerkrankungen wie Bluthochdruck, Verschlüsse von Blutgefäßen oder andere arterielle Störungen vermehrt bei TKI der zweiten und dritten Generation beobachtet.

Deshalb scheint es wichtig, Begleiterkrankungen und Risikofaktoren eines Patienten in Bezug auf die Entwicklung von Gefäßerkrankungen vor dem Therapiebeginn zu betrachten und Stoffwechsel- und Herz-Kreislaufparameter dieser Patienten zu überwachen. Das Ziel ist, das Risiko durch optimale Patientenauswahl, Begleitmedikation und, falls erforderlich, frühes Eingreifen zu reduzieren.

Ein aktueller Artikel von den CML-Spezialisten Peter Valent, Delphine Rea, Philipp le Coutre und anderen im Fachmagazin „Blood“ fasst den aktuellen Wissensstand zusammen.


[Übersetzung des englischen Originalartikels durch NL und Jan, ohne Gewähr auf Richtigkeit und Vollständigkeit]

Das Risiko von Blutgefäßerkrankungen bei CML-Patienten, die mit BCR/ABL-Kinasehemmern behandelt werden

Gefässerkrankungen als Nebenwirkung sind ein wachsendes Problem für Patienten mit chronisch-myeloischer Leukämie (CML), die mit Tyrosinkinasehemmern (TKI, Tyrosinkinaseinhibitoren) behandelt werden. Während Imatinib ein gut dokumentiertes und günstiges Nebenwirkungsprofil ohne offensichtliche Häufung von Gefässerkrankungen aufweist, wurden verschiedene Arten von Gefässerkrankungen bei Patienten beobachtet, die BCR/ABL-TKI der zweiten und dritten Generation erhalten. Solche Gefässerkrankungen schliessen Bluthochdruck bei mit Dasatinib behandelten Patienten, Verschluss von Blutgefäßen und andere arterielle Störungen bei mit Nilotinib behandelten Patienten, und venöse und Verschlusserkrankungen der Blutgefäße und Venen während der Behandlung mit Ponatinib ein.

Obwohl jeder einzelne TKI mit einem unterschiedlichen Profil auf molekulare Ziele wirkt und mit einem speziellen Muster von Nebenwirkungen in Verbindung gebracht wird, werden die Mechanismen der medikamentenverursachten Gefässerkrankungen bisher nicht gut verstanden. In diesem Artikel werden aktuelle Daten und Konzepte rund um die Gefässerkrankungen bei mit TKI behandelten Patienten besprochen, mit besonderer Aufmerksamkeit auf potentielle Mechanismen, der Behandlung derartiger Erkrankungen und Strategien zur Vermeidung derartiger Nebenwirkungen bei der Langzeitbehandlung.

Einleitung

Die CML ist durch die unkontrollierte Expansion myeloischer Zellen und das BCR/ABL-Onkogen charakterisiert. Der BCR/ABL-TKI Imatinib wird als Standard in der Behandlung von neu diagnostizierten Patienten mit CML betrachtet. Leider können Resistenzen gegenüber Imatinib auftreten, oft in Verbindung mit BCR/ABL-Mutationen. Die Behandlung der TKI-resistenten CML ist eine wachsende Herausforderung. Für diese resistenten Patienten wurden wirksamere TKI, einschliesslich Nilotinib, Dasatinib, Bosutinib und Ponatinib entwickelt und erfolgreich in Studien und täglicher Praxis eingesetzt.

Die neuen TKI entwickeln auch starke antileukämische Aktivität in neu diagnostizierten CML-Patienten, mit höheren Raten vollständigen zytogenetischen (CcyR) und guten molekularen Ansprechens (MMR) im Vergleich mit Imatinib. Die überlegene Wirksamkeit dieser TKI könnte das Ergebnis stärkerer Wirkung auf BCR/ABL, Wirkung gegenüber verschiedenen BCR/ABL-Mutationen und der Unterdrückung zusätzlicher Medikamententargets [z.B. KIT, PDGFR] sein. Viele dieser Targets zeigen auch in nicht-blutbildenden Zellen und können deshalb für nicht-hämatologische Nebenwirkungen verantwortlich sein. In vielen Fällen sind diese Nebenwirkungen mild und beherrschbar, aber einige wenige Patienten entwickeln schwere Organschäden. Eine Art der Nebenwirkungen mit wachsender klinischer Bedeutung bei Patienten, die mit TKI der zweiten oder dritten Generation behandelt werden, sind Gefässerkrankungen.

Die charakteristischen Nebenwirkungsprofile der BCR/ABL-TKI

Für jeden TKI wurde über charakteristische Nebenwirkungsprofile berichtet. Bei Dasatinib-Patienten ist die Häufigkeit von Wasseransammlungen im Rippenfell (Pleuraerguss) und/oder im Herzbeutel ( Perikarderguss) ein Problem. Ausserdem wurden weitere andere nicht-hämatologische Nebenwirkungen für Dasatinib beschrieben. Die Häufigkeit der Nebenwirkungen ist bei Patienten, die 100mg einmal täglich erhalten, geringer als bei Patienten mit höheren Dosen. Trotzdem können sich auch bei 100mg/d Pleuraergüsse entwickeln. Kürzlich wurde über Bluthochdruck bei mit Dasatinib behandelten Patienten berichtet. Die Häufigkeit dieser Nebenwirkung ist aber gering. Dasselbe gilt auch für arterielle Verschlusserkrankungen, auch wenn solche schon beobachtet wurden.

Bei mit Nilotinib behandelten Patienten kann sich ein erhöhter Spiegel von Bauchspeicheldrüsen-Enzymen, ein Anstieg des Bilirubins im Serum und/oder ein Anstieg der Blutzuckerspiegel während der Fastenzeiten bilden. Darüber hinaus kann der Cholesterinspiegel steigen. Andere, nicht-hämatologische Nebenwirkungen schliessen Verstopfung, Durchfall und einen Follikulitis-ähnlichen Ausschlag ein.

Im Laufe der letzten Jahre legen mehr und mehr Daten den Schluss nahe, dass sich schwere periphere arterielle Verschlusserkrankungen (PAOD) und andere Herzkreislauferkrankungen bei mit Nilotinib behandelten Patienten entwickeln. Mehrere dieser Patienten leiden an einer schnell fortschreitenden Form der PAOD. Unglücklicherweise wurde festgestellt, dass sich die PAOD mit der Zeit häufen, und dass nicht nur Patienten mit bereits bestehenden Herz-Kreislauf-Risiken, sondern manchmal auch jüngere Patienten ohne solche Risikofaktoren betroffen sind. Zusätzlich zu PAOD können mit Nilotinib behandelte Patienten Schlaganfälle und Herzinfarkte entwickeln. Im Gegensatz dazu wurde über keinerlei Anstieg von Thrombosen in den Venen bei diesen Patienten berichtet. Ein bemerkenswerter Aspekt ist, dass über Gefässerkrankungen als Nebenwirkung von Nilotinib nichts in den initialen klinischen Studien mit Nilotinib berichtet wurde.

Ponatinib ist ein weiterer neuer TKI, mit dessen Hilfe Patienten mit gegenüber anderen Medikamenten resistenter CML behandelt werden können, einschliesslich derer mit T315-Mutation. Erste klinische Studien haben gezeigt, dass Ponatinib ein hochwirksames Mittel und damit für die Behandlung von TKI-resistenter CML nützlich ist. Unglücklicherweise löst Ponatinib sowohl Bluthochdruck als auch die Entwicklung von Gefässerkrankungen aus. Ursprünglich glaubte man, dass diese Vorfälle sich bei Ponatinib-Patienten wegen der vorausgegangenen Behandlung mit Nilotinib häuften. Neuere Daten weisen darauf hin, dass Ponatinib Gefässerkrankungen auch bei Patienten, die kein Nilotinib erhielten, auslösen kann. Deshalb wurde 2013 Ponatinib in den USA vorübergehend vom Markt genommen. Bemerkenswerterweise wurden sowohl arterielle als auch venöse Thromboembolien bei mit Ponatinib behandelten Patienten festgestellt.

Bosutinib ist ein weiterer neuer TKI, der als BCR/ABL-hemmendes Medikament in dritter Linie entwickelt wurde. Ähnlich wie Nilotinib oder Dasatinib hemmt Bosutinib eine Reihe von BCR/ABL-Mutationen, aber nicht die T315I-Mutation. Im Gegensatz zu anderen TKI hemmt Bosutinib nicht die Kinasen KIT oder PDGFR. Das Nebenwirkungsprofil von Bosutinib unterscheidet sich ebenfalls von demjenigen der anderen TKI. Insbesondere können sich bei mit Bosutinib behandelte Patienten Durchfälle und Hautausschläge entwickeln. Zusätzlich wurde auch über Bluthochdruck, Pleuraergüsse und Gefässerkrankungen bei mit Bosutinib behandelten Patienten berichtet. Aber die Häufigkeit von Gefässerkrankungen ist viel geringer als bei mit Nilotinib oder Ponatinib behandelten Patienten.

Berichte über die Häufigkeit von Gefässerkrankungen bei mit TKI behandelten CML-Patienten

Bisher ist wenig über die genaue Häufigkeit von Gefässerkrankungen bei Patienten unter Langzeitbehandlung mit TKI und über prädisponierende Faktoren für die Entwicklung von Gefässerkrankungen bekannt. Aus klinischer Sicht sind das wesentliche Fragen, weil viele dieser Patienten Kandidaten für eine Langzeitbehandlung, oder jungen Alters und damit potentiell transplantierbar, sein können, sodass Begleiterkrankungen auf ein Minimum reduziert bleiben müssen. In den ersten Phase I und II -Studien wurden Gefässerkrankungen nicht erfasst und deshalb auch keine Anteile für Gefässerkrankungen angegeben.

Später wurde an verschiedenen Zentren eine mögliche Beziehung zwischen Medikamenteneinnahme und der Entwicklung von Gefässerkrankungen erkannt, und deshalb damit begonnen, Informationen über Gefässerkrankungen systematisch aufzuzeichnen. Zusätzlich wurden mehrere rückblickende Untersuchungen mit dem Ziel aufgenommen, die Häufigkeit von Gefässerkrankungen in klinischen Studien zu untersuchen. Allerdings variierten in diesen Untersuchungen die Anteile von Gefässerkrankungen beträchtlich. Nach einer Beobachtungsdauer von etwa zwei Jahren schwankten die Anteile der CML-Patienten mit Gefässerkrankungen unter Nilotinib-Behandlung zwischen 1% und 29% (Tabelle 1). Es wurde auch festgestellt, dass die Anzahl der Patienten mit Gefässerkrankungen mit der Zeit zunahm. Im Gegensatz dazu blieb die Zahl der in der rückblickenden Untersuchung grösserer Studien von Patienten mit dokumentierten Gefässerkrankungen niedrig (<5%). Hingegen ist die Zahl in den ersten prospektiven Untersuchungen wieder höher und nimmt mit der Zeit weiter zu. Es gibt auch Hinweise, dass TKI die Entwicklung von Gefässerkrankungen auf dosisabhängige Weise auslösen. So können mit 2x400 mg/Tag Nilotinib behandelte Patienten einem höheren Risiko ausgesetzt sein als solche mit geringerer (2x300mg/Tag) Dosis.

Die Häufigkeit aller Gefässerkrankungen bei mit Ponatinib behandelten Patienten in der PACE-Studie betrug 8.9% nach 11 Monaten und 17.1% nach 24 Monaten (Tabelle 1). Wie vorher schon erwähnt, waren viele dieser Patienten vor ihrer Aufnahme in die PACE-Studie mit Nilotinib behandelt worden. Jedoch wurden Gefässerkrankungen auch bei Patienten, die vorher nicht mit Nilotinib behandelt wurden, festgestellt. Andererseits könnte die sequentielle Behandlung mit Nilotinib und Ponatinib mit einem besonders hohen Risiko behaftet sein, wie es kürzlich in Einzelfallberichten dokumentiert wurde.

Obwohl keine Langzeitdaten aus prospektiven Studien verfügbar sind, legen retrospektive Studien nahe, dass die Häufigkeit von Gefässerkrankungen bei mit Imatinib behandelten Patienten signifikant geringer ist als für Nilotinib oder Ponatinib beobachtet. In einer Studie entwickelten weniger als 1% PAOD während der Behandlung mit Imatinib. Es ist bemerkenswert, dass Imatinib im Gegensatz zu Nilotinib den Blutzuckerspiegel nicht erhöht, sondern diesen sogar eher zu reduzieren scheint. Zusätzlich könnte Imatinib der mit Diabetes Mellitus in Verbindung stehenden Arteriosklerose entgegenwirken. Ähnlich wie bei Imatinib scheint die Häufigkeit von Gefässerkrankungen bei mit Dasatinib oder Bosutinib behandelten Patienten eher niedrig zu sein.

Warum wurden die Gefässerkrankungen bei unseren CML-Patienten anfänglich übersehen?

Einige unterschiedliche Faktoren könnten erklären, warum anfänglich das Gefässerkrankungen auslösende Potential von Nilotinib und Ponatinib übersehen wurde (Tabelle 2). Das ist ein bedeutendes Problem und fordert in der Ära der TKI-Therapien Beachtung. Spezifische Faktoren und mögliche Erklärungen werden in den ergänzenden Daten des Artikels diskutiert.

Risikofaktoren für die Entwicklung von Gefässerkrankungen

TKI-bezogene Nebenwirkungen könnten sich vorzugsweise in Patienten mit bereits existierenden Risikofaktoren entwickeln. So wurden in den meisten, mit Nilotinib oder Ponatinib behandelten Patienten, bei denen schwere, wiederkehrende Gefässerkrankungen auftraten, ein oder mehrere Risikofaktoren für die Entwicklung von Arteriosklerose festgestellt. Diese schliessen Fettleibigkeit, Bluthochdruck, Rauchen, Diabetes und Cholesterinerhöhung ein. Ähnlich wurden verschiedene Risikofaktoren für die Entwicklung von Pleuraergüssen unter Dasatinib-Therapie beschrieben. Interessanterweise sind einige der für Nebenwirkungen prädisponierende Faktoren für Dasatinib und Nilotinib die selben. Zum Beispiel werden Alter, Bluthochdruck und Hypercholesterinämie als Risikofaktoren sowohl für die Bildung von Pleuraergüssen unter Dasatinib als auch für die Entwicklung von PAOD unter Nilotinib betrachtet.

Es gibt verschiedene andere Faktoren, die bei diesen Patienten beachtet werden müssen. Ein solcher Risikofaktor ist die Dosis des TKI. Vor allem klinisch relevante Nebenwirkungen, einschliesslich der Gefässerkrankungen, scheinen in ihrer Häufigkeit mit steigender TKI-Dosis zuzunehmen. In anderen Worten: es könnte gut sein, dass die Raten schwerer Gefässerkrankungen durch eine Reduktion der TKI-Dosis substantiell reduziert werden könnten. Zusätzlich könnte das Risiko durch verkürzte Expositionsdauer weiter abnehmen. Ein anderer wesentlicher Punkt ist die vorausgegangene Behandlung. Tatsächlich könnte das Risiko für Patienten, die bestimmte TKI auf sequentielle Weise erhalten haben, höher sein.

Mögliche ursächliche Mechanismen für die Gefässerkrankungen mit TKI behandelter Patienten

Mehrere unterschiedliche Faktoren können zur Entwicklung von Gefässerkrankungen bei mit Nilotinib oder Ponatinib behandelten Patienten beitragen. Wegen des relativ kurzen zeitlichen Abstands zwischen der Medikamentenanwendung und des Auftretens der Gefässerkrankungen wurde eine direkte Wirkung dieser TKI auf die Zellen der Blutgefäße und der diese umgebenden Zellen vermutet. Tatsächlich kann Nilotinib direkte gefäßwandbildungsfördernde (proahterogene) und Gefäßneubildung verhindernde (antiangiogenetische) Wirkungen auf Endothel-Zellen haben. Während die proarterogene Wirkung zur Arterienverengung führen kann, könnte der antiangionetische Effekt des Medikamentes die Reparaturmechanismen blockieren, die zur Wiedereröffnung der verengten Gefässe führen. Ausserdem wurde beschrieben, dass Nilotinib krampfartige Verengungen von blutführenden Gefäßen (Vasospasmen) verursachen kann, die auch relevant sind und die Entwicklung von PAOD auslösen könnte.

Zusätzlich zeigt Nilotinib Auswirkungen auf den Stoffwechsel, einschliesslich eines Anstiegs des Cholesterinspiegels und des Glukosespiegels während des Fastens. Einige Patienten entwickeln sogar offenkundigen Diabetes Mellitus. Man vermutet, dass alle diese Wirkungen des Medikamentes zusammen zur Auslösung der Arteriosklerose und der Entwicklung von Gefässerkrankungen beitragen. Kürzlich konnte die gefäßwandbildungsfördernde Wirkung von Nilotinib durch die Messung des Knöchel-Arm-Index bei CML-Patienten bestätigt werden.

Bisher gibt es keine Daten zu Auswirkungen von Ponatinib auf vaskuläre Zellen. Vorläufige Daten legen nahe, dass Ponatinib auch dem endothelialen Zellwachstum und deren Überleben entgegenwirkt (P.V. Und E.H, unpublizierte Ergebnisse aus In-vitro-Experimenten mit menschlichen Endothel-Zellen).

Bisher ist wenig über die für die Auswirkungen von Nilotinib und Ponatinib auf die Endothel-Zellen verantwortlichen molekularen Ziele bekannt. Mehrere dieser Target-Antigene sind wichtige Gefäßneubildung verhindernde Rezeptoren, wie KDR (ein bekanntes Ponatinib-Target) oder TEK/Tie-2. Der Einfluss dieser Targets auf die Entwicklung von Gefässerkrankungen wird noch untersucht.

Behandlung von Gefässerkrankungen bei CML-Patienten

Bei Patienten, die Gefässerkrankungen während der Behandlung mit Nilotinib oder Ponatinib entwickeln, hängt die Behandlung von der Gesamtsituation in jedem Einzelfall ab. Bei Patienten mit gering ausgeprägten PAOD (Grad I oder II) kann eine optimale Behandlung der PAOD und die Ausschaltung aller Risikofaktoren (Rauchen, Fettleibigkeit, Diabetes, Bluthochdruck und Cholesterinerhöhung) zu einer Stabilisierung führen, so dass die Behandlung fortgesetzt werden kann (was wichtig ist, weil einige dieser Patienten keine weiteren Behandlungsmöglichkeiten haben, z.B. diejenigen mit T315I-Mutation).Für diese Patienten ist eine gründliche Überwachung betreffend Herz-Kreislauf und Stoffwechselparametern (einschliesslich Ultraschalluntersuchungen von Blutgefässen, Knöchel-Arm-Index, Cholesterin und Glukosespiegel während des Fastens, HbA1c) und PAOD-bezogener Risikofaktoren (Alter, Fettleibigkeit, Blutdruck, Rauchen) erforderlich. Zusätzlich sollte eine prophylaktische Behandlung mit Aspirin in Betracht gezogen werden. Ausserdem können weitere begleitende Medikamentengabe erforderlich sein, abhängig von Risikofaktoren und Begleiterkrankungen. Diese Patienten können auch Anti-Diabetes und/oder Cholesterinsenker erhalten.

Bei Patienten mit hochgradigem PAOD (Grad III oder IV) ist die Situation schwieriger beherrschbar. Einige dieser Patienten müssen wegen der Biologie (Mutationsstatus) ihrer CML mit Nilotinib oder Ponatinib behandelt werden. Bei anderen Patienten sollte das Medikament abgesetzt oder durch einen anderen TKI ersetzt werden. In ausgewählten Fällen mit stabiler „vollständiger“ molekularer Remission (CMR) kann das Absetzen der Behandlung mit TKI in Betracht gezogen werden. Für alle anderen Patienten ist eine generelle Empfehlung, falls möglich, auf einen anderen TKI zu wechseln. PAOD, die operative Eingriffe erfordern, Schlaganfälle und Herzinfarkte sind zusätzliche Indikationen für einen TKI-Wechsel. Bei allen derartigen Patienten sollten Thrombozyten-Aggregations-Hemmer und Gerinnungshemmer entsprechend allgemein akzeptierter Richtlinien in Betracht gezogen werden. Bei diesen Patienten ist es auch notwendig, alle Risikofaktoren auszuschalten und Lipiderhöhung, Diabetes und Bluthochdruck so früh und so wirksam wie möglich zu behandeln.

Eine ungelöste Frage ist, ob eine leichte Erhöhung des Blutzuckerspiegels während der Fastenzeiten, die recht häufig bei mit Nilotinib behandelten Patienten beobachtet wird, bereits zu einem frühen Einreifen mit einer Diabetes-Behandlung führen sollte. Zumindest die wiederholte Blutzuckerbestimmung und HbA1c, und ein oraler Glucosetoleranztest scheinen gerechtfertigt zu sein; wenn der Glukosespiegel während der Fastenzeiten auf >125mg/dL steigt oder der orale Glucosetoleranztest klar krankheitsverursachend ist, sollte eine Diabetes-Behandlung in Betracht kommen.

Wie kann die Entwicklung von Gefässerkrankungen bei mit TKI-behandelten Patienten vermieden werden?

Auf Grundlage der Schwere von Gefässerkrankungen, der relativ guten Prognose für CML-Patienten sogar bei Behandlung mit TKI in zweiter und dritter Linie, und dem Einfluss von Gefässerkrankungen auf die Sterblichkeit und Transplantierbarkeit ist es von grösster Bedeutung, Gefässerkrankungen bei allen CML-Patienten zu vermeiden, ohne Rücksicht auf Alter und andere Faktoren.

Ein erster wichtiger Schritt der Prävention ist die Patientenauswahl für TKI der zweiten und dritten Generation. Solche TKI sollten nicht nur auf Grundlage der Krankheitsparameter wie BCR/ABL-Mutationen ausgewählt werden, sondern auch auf Grundlage patientenbezogener Parameter wie Begleiterkrankungen, und offenkundigen Risikofaktoren für die Entwicklung von Nebenwirkungen. Tatsächlich berücksichtigen mehr und mehr Leitlinien und Therapiealgorithmen patientenbezogene Faktoren und erfüllen damit die Kriterien personalisierter Medizin.

Wegen der häufigen Erkennung von PAOD-Risikofaktoren in der gesunden erwachsenen Bevölkerung der westlichen Welt, ist es wichtig, das individuelle Risiko in jedem Fall auf der Grundlage validierter Scores zu bestimmen, wie z.B. der European Society of Cardiology- (ESC) Score. Dieser Risikoscore sollte tatsächlich zur optimalen und sicheren Auswahl der TKI für alle Patienten mit CML angewendet werden. Patienten mit multiplen Risikofaktoren und/oder einem hohen ESC-Score sollten nicht einer Behandlung mit Nilotinib oder Ponatinib behandelt werden, solange ein anderer TKI verschrieben werden kann. Trotzdem können auch Patienten mit geringem Risikofaktor gemäss ESC-Score Gefässerkrankungen während der Behandlung mit TKI entwickeln (P.V., persönliche Beobachtungen: ESC-Scores erhoben an CML-Patienten der Medizinischen Universität Wien).

Ein anderer unglücklicher Aspekt ist, dass mehrere Risikofaktoren für die Entwicklung von PAOD gleichzeitig unabhängige Risikofaktoren für die Entwicklung von Pleuraergüssen unter Behandlung mit Dasatinib darstellen. Besonders für ältere Patienten können weder Nilotinib noch Dasatinib den optimalen TKI darstellen. Ob Bosutinib für diese Patienten eine bessere Wahl darstellt, muss erst noch in klinischen Studien bestimmt werden. Im Kontrast dazu sollte Ponatinib nicht als Alternative für diese Patienten in Betracht gezogen werden, es sei denn, dass die leukämischen Zellen die T315I-Mutation aufweisen. In jedem Fall muss der potentielle Nutzen von Ponatinib gegen das Nebenwirkungsrisiko abgewogen werden. Verschiedene andere Strategien könnten das Risiko schwerer Gefässerkrankungen bei CML-Patienten unter TKI-Behandlung auf ein Minimum reduzieren. Diese Strategien werden in den Zusatzdaten [JG1]beschrieben.

Schlussbemerkung und Zukunftsperspektiven

Die Gefässerkrankungen sind zu einer wachsenden Herausforderung bei der Behandlung von CML-Patienten mit TKI der zweiten oder dritten Generation geworden. Während die Sicherheit vor Gefässerkrankungen bei Imatinib gut dokumentiert ist, wird die Anwendung von Nilotinib und Ponatinib mit einem erhöhten Risiko von arterieller Verschlusserkrankung in Verbindung gebracht.

Deshalb ist es von grosser Bedeutung, das gesamte Risikoprofil eines Patienten vor dem Therapiebeginn zu betrachten, und Begleiterkrankungen und Risikofaktoren für die Entwicklung von Gefässerkrankungen für neue Behandlungsalgorithmen zu berücksichtigen.

Es ist ebenso wichtig, die Stoffwechsel- und Herz-Kreislaufparameter dieser Patienten zu überwachen und das Risiko für Gefässerkrankungen durch optimale Patientenauswahl, Begleitmedikation und soweit notwendig, durch frühes Eingreifen zu reduzieren. Obwohl die Mechanismen der medikamentenverursachten Gefäßschädigungen noch nicht gut verstanden sind, scheinen direkte gefäßwandsbildende und wachstumshemmende Effekte dazu beizutragen.

Zur Zeit werden neue TKI entwickelt, die kritische gefässbezogene Targets verschonen, aber trotzdem die volle Wirksamkeit gegen die CML erhalten, in der Hoffnung, die Sicherheit für Langzeitpatienten zu verbessern. Alternativ kann das Absetzen oder der Wechsel zu anderen weniger toxischen TKI nach Erreichen eines stabilen und tiefen Ansprechens in Betracht gezogen werden.

Anhang/Tabellen

Tabelle 1: Berichte über CML-Patienten, die Gefässerkrankungen und PAOD während der Behandlung mit Nilotinib oder Ponatinib

Patientenzahl TKI VAE (%) PAOD (%) Dauer (m) Literatur
24 NI 25 16.5 24 29
179 NI nr 6.2 nr 30
233 NI 2 1.3 nr 47
556 NI 4.9 1.3 36 52
54 NI nr 13 26.4 55
66 NI nr 6 nr 31
75 NI

9.8

19.3

27.7

8.0

nr

nr

24

36

48

54
34 NI

29.4

38.9

20.6

33.3

24

36

53
563 NI 7 1.2 48 56
556 NI nr 1.3 36 44
27 NI nr 14.8 24 45
31 NI nr 9.7 31 57
55 NI 11 1.8 28 58
98 NI nr 3.1 31 59
449 PO

8.9

17.1

4.9

11.8

11

24

32

NI: Nilotinib; PO: Ponatinib; nr: nicht berichtet, VAE: Gefässerkrankungen

Tabelle 2: Ursachen für fehlende Berichte zu Gefässerkrankungen bei CML-Patienten, die mit BCR/ABL-TKI behandelt werden

Ursachen
Primär
Relative grosse Häufigkeit von Arteriosklerose und Gefässerkrankungen weltweit
Relativ geringe Patientenzahl pro teilnehmenden Zentrum in klinischen Studien
Nur bei sehr wenigen Medikamenten ist bekannt, dass sie Arteriosklerose fördern, und nur sehr wenige Medikamente, die zur Behandlung bösartiger Bluterkrankungen verwendet werden, können die Entwicklung von Gefässerkrankungen fördern
Die ersten klinischen Studien waren nicht zur Erfassung von Gefässerkrankungen ermächtigt
Die meisten klinischen Studien haben Patienten mit schwerwiegenden Herz- und Stoffwechselbegleiterkrankungen ausgeschlossen
Sekundär
Latenzzeit von mehreren Monaten bis zu Jahren, bevor sich die Gefässerkrankungen während der TKI-Behandlung entwickeln
CML-Zentren und örtliche Experten sind nicht ausgebildet, um Gefässerkrankungen aufzudecken und zu behandeln
Gefässerkrankungen sind nicht „Onkologisch“, deshalb wurden keine Berichte über Gefässerkrankungen von den Hausärzten an die Onkologen weitergeleitet. Aus ähnlichen Gründen haben auch die Patienten nichts darüber berichtet; auch wegen der geringen Häufigkeit.
Andere
Wichtige Publikationen in „Top-Zeitschriften“ haben nichts über die Entwicklung von Gefässerkrankungen berichtet
Zunächst wurde Nilotinib als extrem sicherer TKI ohne Nebenwirkungen betrachtet
An Konferenzen wurden TKI lange als sicher und ohne Einfluss auf die Entwicklung von Gefässerkrankungen betrachtet
Klinisch unauffällige Gefässerkrankungen bei Diabetikern könnten übersehen worden sein
Ein plötzlicher Todesfall vor einem Schlaganfall oder einem Herzinfarkt könnte festgestellt worden sein

Quelle:

Vascular safety issues in CML patients treated with BCR/ABL kinase inhibitors. Peter Valent, Emir Hadzijusufovic, Gerit-Holger Schernthaner, Dominik Wolf, Delphine Rea, and Philipp le Coutre, BLOOD, 5 Feb 2015, Vol 125, No 6, DOI 10.1182/blood-2014-09-594432

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